Nachhaltige Nachfolgeberatung So vererben Patchwork-Familien

Rechtsanwalt Martin Lindenau, Mediator und Partner bei Legavis Rechtsanwälte

Rechtsanwalt Martin Lindenau, Mediator und Partner bei Legavis Rechtsanwälte: Sein Spezialgebiet liegt auf der Begleitung von Unternehmerfamilien beim Generationenwechsel.

Meine Kinder, deine Kinder, unsere Kinder: Die Patchwork-Familie gilt vielen Familienforschern als das Familienmodell der Zukunft. Zukünftig werden immer mehr Jugendliche nicht nur in einer, sondern in mehreren Familien aufwachsen. Die erbrechtlichen Regelungen zur gesetzlichen Erbfolge hinken dieser gesellschaftlichen Entwicklung indes weit hinterher. Mit gravierenden Folgen: Eine ungeregelte Nachfolge zeitigt in Patchwork-Konstellationen häufig ungerechte Ergebnisse. Streitigkeiten unter den Kindern sind so vorprogrammiert.

Patchwork in all seinen Formen

Die sogenannte Kernfamilie, bestehend aus einem verheirateten Elternpaar mit leiblichen Kindern, ist in Deutschland nach wie vor die mit Abstand häufigste Familienform. Aber auch die Stief- oder Patchwork-Familie ist als solche keine neuartige Erscheinung. Stieffamilien entstanden in der Vergangenheit zumeist bei Tod eines Elternteils. Der hinzutretende Stiefelternteil ersetzte den verstorbenen Elternteil und übernahm die soziale und finanzielle Absicherung der Stiefkinder.

Die gesellschaftlich-rechtlichen Bedingungen, unter denen sich Stief- und Patchwork-Familien bilden, haben sich im Vergleich zu früheren Zeiten gewandelt. Patchwork-Familien entstehen heute überwiegend nach Ehescheidungen, nach Trennungen nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften oder aus einer alleinerziehenden Elternschaft mit neuer Partnerschaft. Mittlerweile fallen darunter rund 15 Prozent aller Familien in Deutschland. Tendenz steigend. 

Die Ausprägungen von Patchwork-Familien sind vielfältig. Im Wesentlichen wird zwischen einfachen (Hinzutreten eines Elternteils), zusammengesetzten (jeweils eigene, aber keine gemeinsamen Kinder) und komplexen Patchworkfamilien (jeweils eigene und gemeinsame Kinder) unterschieden.

Neue Wirklichkeit im Nachlass

Jede nachhaltige Nachfolgeberatung beginnt – bemüht man die Sprache der Mediziner – mit einer umfassenden Anamnese. Nur eine schonungslose Analyse des Ist-Zustandes ermöglicht im Nachgang eine fehler- wie lückenlose Absicherung des Familienvermögens und eine mit dem Willen der Elterngeneration im Einklang stehende Verteilung des Vermögens im Todesfall.

Bei der Begleitung von Patchwork-Familien muss der Berater zusätzlich eine Vielzahl erbrechtlicher und pflichtteilsrechtlicher Besonderheiten und Risiken im Blick behalten. Lediglich das Erbschaftsteuerrecht zeigt sich ungewohnt gnädig. Es gewährt den persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro gemäß Paragraf 16 Absatz 1 Nummer 2 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) auch im Verhältnis von Stiefeltern zu Stiefkindern. Der Gesetzgeber hat das deutsche Erbrecht historisch bedingt auf die Kernfamilie zugeschnitten. Verstirbt ein Elternteil, sieht das gesetzliche Erbrecht, welches dem System der Ordnungen (Parentelen) folgt, eine Verteilung des Nachlasses zwischen Ehepartner und den gemeinsamen Kindern vor. Lediglich der Güterstand und die Anzahl der Kinder beeinflusst das Verfahren.

Bei Patchwork-Familien hingegen kommt es regelmäßig zu willkürlichen Ergebnissen, wenn die gesetzliche Erbfolge greift. Gerade bei zusammengesetzten und komplexen Patchwork-Familien hängt es schlicht vom Zufall ab, inwieweit die eigenen und gemeinsamen Kinder der Höhe nach am Nachlass der Eltern beteiligt werden. Entscheidend ist letztlich, welcher Elternteil zuerst verstirbt.

Die Ursache hierfür liegt in der Ausgestaltung des Paragraf 1924 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) begründet, wonach Stiefkinder nach dem Stiefelternteil nicht kraft Gesetzes erbberechtigt sind. Soll ein Stiefkind aus dem Nachlass bedacht werden, erfordert dies die Errichtung einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen. Eine erbrechtliche Gleichstellung von Stiefkindern und leiblichen Kindern lässt sich ansonsten nur durch Adoption erreichen. In gleicher Weise greift das Pflichtteilsrecht nicht zugunsten von Stiefkindern.

Kind des letztversterbenden Ehepartners bevorzugt

Ein Beispiel: Ein Ehepaar in beiderseits zweiter Ehe hat jeweils ein eigenes leibliches Kind aus erster Ehe mit in den neuen Lebensbund gebracht, die sogenannte zusammengesetzte Patchworkfamilie. Das Paar lebt zusammen im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Jeder Ehepartner verfügt über eine Million Euro Vermögen. Stirbt einer der Beiden ohne geregelte Nachfolge, also ohne Testament oder Erbvertrag, entsteht eine Erbengemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehepartner und dem leiblichen Kind des verstorbenen Ehepartners mit Erbquoten von jeweils 50 Prozent.

Auf das leibliche Kind gehen somit 500.000 Euro über. Der überlebende Ehepartner erbt die gleiche Summe. Verstirbt nun auch er, erbt dessen leibliches Kind 1,5 Millionen Euro. Das Kind des erstversterbenden Ehepartners ist weder gesetzlicher Erbe noch hat es einen Pflichtteilsanspruch. Diese Konstellation bevorzugt das Kind des letztversterbenden Ehepartners massiv. Bei komplexen Patchwork-Familien, in welchen zusätzlich zu den jeweils eigenen Kindern auch noch gemeinsame Kinder zu berücksichtigen sind, verstärken sich die dargestellten Effekte entsprechend.

Nicht die eine Lösung

Angesichts der extremen Vielfalt von Patchwork-Konstellationen und in Anbetracht der unterschiedlichen Motive, welche die Eltern im Rahmen der Nachfolgeplanung verfolgen können, kann es kein für alle Fälle passendes Pachtwork-Testament geben. Die erbrechtlichen Instrumente bieten jedoch eine Vielzahl an variablen Lösungsansätzen. Je nachdem, welche Ziele die Ehepartner vorrangig verfolgen, können sie etwa die Absicherung des Ehepartners in den Vordergrund rücken. Diese Absicherung erfolgt üblicherweise durch Errichtung eines Berliner Testaments. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben für den ersten Todesfall einsetzen – bei gleichzeitiger Enterbung der Kinder und der Einsetzung der Kinder und Stiefkinder als Schlusserben.

Hier werden die Kinder und Stiefkinder zwar formal betrachtet gleichbehandelt. Allerdings bergen solche Lösungen die Gefahr, dass das leibliche Kind des erstversterbenden Ehepartners leer ausgeht. Das kann passieren, wenn es im ersten Todesfall – im Vertrauen auf eine spätere Gleichbehandlung –auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet. Stellt sich im Fall des späteren Versterbens des Stief-Elternteils heraus, dass dieser den Nachlass des leiblichen Elternteils ausgehöhlt oder schlicht verbraucht hat, steht das Kind ohne Pflichtteilsrecht mit leeren Händen da. Diesem Risiko kann der Berater wiederum mittels Vor- und Nacherbschaft begegnen, durch welche der überlebende Ehepartner zum Treuhänder des Vermögens des zuerst verstorbenen Ehepartners wird.

Alternativ könnten die Ehepartner in zusammengesetzten Patchwork-Familien jeweils ihre eigenen Kinder als Alleinerben nach dem eigenen Elternausgangsvermögen einsetzen. Das kann wiederum zu Zielkonflikten mit dem Pflichtteilsrecht des anderen Ehegatten führen und sollte mit einem gegenseitigen Pflichtteilsverzichtsvertrag abgesichert werden. Diese Variante sichert eine Erbfolge nach Familienstämmen ab, ist jedoch regelmäßig nicht gewollt, da das Vermögen der Ehegatten auch der Absicherung des anderen Ehepartners dienen soll.

Mitunter wünschen sich Mandanten, dass nur die Kinder eines Ehegatten am Nachlass beteiligt werden sollen. Das ist etwa der Fall, wenn der Kontakt zu den Kindern des anderen Ehegatten seit langer Zeit auf Eis liegt oder schwelende Konflikte die Eltern zu diesem Schritt genötigt haben. Bei dieser Gestaltung ist dabei Sorge zu tragen, dass man den Pflichtteil der nicht zu begünstigenden „bösen“ Kinder nicht erhöht, indem darauf geachtet wird, dem Elternteil der „braven“ Kinder kein Vermögen zuzuwenden. Dies lässt sich in der Gestaltungspraxis durch Nutzungsverhältnisse lösen.

Bei der erfolgreichen Beratung von Patchwork-Familien spielt das Familienheim eine zentrale Rolle, sofern es im Alleineigentum eines Ehepartners steht. Hier kollidiert regelmäßig der Wunsch, das Familienheim an die eigenen Kinder zu vererben, mit dem Bedürfnis, dem überlebenden Ehepartner das Recht zuzubilligen, das Familienheim bis zum Tode weiter zu bewohnen. Auch hierfür bestehen jedoch Lösungsansätze: Etwa indem bei der Grundkonstellation des Berliner Testaments der Eigentümer, wenn er zuerst verstirbt, das Familienheim vermächtnisweise den eigenen Kindern vermacht. Der überlebende Ehepartner erhält im Wege eines Untervermächtnisses ein lebenslanges Wohnrecht oder ein Nießbrauchsrecht, sogenannte Zuwendungsnießbrauch.

Zu guter Letzt enthalten Testamente für Patchwork-Familien Elemente, welche im sogenannten „Geschiedenen-Testament“ eingesetzt werden. Auf diese Weise lässt sich verhindern, dass der geschiedene Ex-Ehepartner über den Umweg der gemeinsamen Kinder zum Erben des anderen Ex-Ehepartners wird.

Der Königsweg

Soweit finanziell und emotional vorstellbar, sollten Ehepaare zudem frühzeitig in Erwägung ziehen, Vermögen bereits lebzeitig auf die nächste Generation zu übertragen. Gerade bei größeren Vermögensmassen ist dies mit Blick auf die Ausnutzung der persönlichen Freibeträge des Erbschaftsteuergesetzes mehr Pflicht als Kür. Insbesondere für Patchwork-Familien ermöglicht die lebzeitige Übertragung von Assets eine ausgewogene und gerechte Verteilung des Familienvermögens. Zumal sich durch rechtliche Gestaltungen ohne Weiteres sicherstellen lässt, dass die Kinder zwar formal Vermögen erhalten, dieses aber nicht verschwenden oder an Dritte übertragen können.

Fazit

Die Patchwork-Familie ist auf dem Vormarsch. Gleichwohl vermag es das deutsche Erbrecht mit seiner gesetzlichen Erbfolge nicht, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Um eine aus Sicht der Eltern und der Kinder gerechte und ausgewogene Lösung zu erzielen, muss de Nachfolgeberater im Gespräch mit den Mandanten Ziele und Motive eingehend klären, um sie maßgeschneidert testamentarisch umzusetzen. Bei größeren Vermögen empfiehlt es sich zudem, bereits frühzeitig durch lebzeitige Übertragungen Vermögenswerte zielgerecht bereitzustellen, um so die Erbschaftsteuerlasten zu verringern.


Über den Autor:
Martin Lindenau ist Rechtsanwalt, Mediator und Partner bei Legavis Rechtsanwälte. Er begleitet Unternehmerfamilien beim Generationenwechsel mit dem vordergründigen Ziel, das Familienvermögen abzusichern.

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