Referendum in Italien „Lasst uns aus dem Euro austreten, bevor Italien es tut“

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Quälender Zerfallsprozess

Das könnte nun der Fall sein, wenn die antieuropäischen Kräfte wie Cinque Stelle und Forza Italia durch ein Scheitern des Referendums Auftrieb bekommen. Doch selbst wenn die Italiener Renzi am Sonntag den Rücken decken, ist das keine Entwarnung. Angesichts der wirtschaftlichen Realitäten ist es für mich nur eine Frage, wann der Euro zerfällt, nicht ob.

Anders als viele Beobachter glaube ich, dass ein negatives Votum den Zerfalls­prozess gar verlängern könnte. Die Financial Times spricht von immerhin acht Banken, denen als Folge der Ablehnung des Referendums die lebenswichtige Finanzierung fehlen würde.

Doch angesichts der Sorge vor Bankpleiten dürften die EZB und die Politik alles tun, um eine Krise in Italien zu verhindern und die Stimmung vor einer dann absehbaren Neuwahl positiv zu beeinflussen. Mögliche Maßnahmen wären noch größere Interventionen der EZB. Sie könnte etwa neben dem Kauf von Staatsanleihen auch den Banken faule Papiere abnehmen.  

Selbst die direkte Finanzierung von Staatsausgaben – von Volkswirten unter dem Stichwort „Helikopter-Geld“ schon länger gefordert – ist in diesem Szenario denkbar, trotz aller rechtlichen Bedenken. Bisher wurden im Zuge der Euro-Rettung schon viele Regeln gebrochen, weshalb sollte es nicht so weiter gehen.

Die deutsche Bundesregierung dürfte angesichts der eigenen Bankenprobleme und der bevorstehenden Bundestagswahl alles daran setzen, die Illusion der gelungenen Euro-Rettung aufrechtzuerhalten. Das mag bis in den nächsten Herbst gelingen.

Doch mit einer echten Lösung der Probleme hat das nichts zu tun. Irgendwann kommt es zu einem Austritt aus dem Euro, einfach weil der Druck im politischen Kessel zu groß ist. Dann drohen allen in Europa, allen voran uns Deutschen, erhebliche Wohlstandsverluste. Dann werden wir den Preis für die Konkursverschleppung unserer Politiker in den letzten sieben Jahren bezahlen müssen. Den Preis für ein politisches Projekt, dem von Anfang an der ökonomische Boden fehlte. Es wäre allemal besser, Deutschland würde austreten, bevor Italien es tut.

Über den Autor:
Daniel Stelter ist Makroökonom und Strategieberater (http://think-beyondtheobvious.com/). Im Frühjahr erschien im Campus Verlag sein neues Buch „Eiszeit in der Weltwirtschaft“. Bis 2013 war er Partner bei der Boston Consulting Group. Seither macht er sich einen Namen als unabhängiger Experte zur Schuldenkrise.

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