Kunden klassischer Lebensversicherungen können trotz der Zinswende am Kapitalmarkt vorerst nicht mit höheren Zinsen rechnen. Zu diesem Schluss kommen Experten der Rating-Agentur Assekurata in ihrem aktuellen Marktausblick. Zwar würden Lebensversicherer durch die steigenden Zinsen beim Aufbau eines Kapitalpuffers, der sogenannten Zinszusatzreserve (ZZR), entlastet. Die frei werdenden Gelder dürften jedoch zunächst zum Abbau stiller Lasten in der Bilanz genutzt werden.
„Die zuletzt abrupt gestiegenen Zinsen führen zu einer völlig neuen Situation, da der branchenweite Referenzzins für ZZR-Zuführungen nicht weiter sinkt“, erläutert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata. „Dies hat zur Folge, dass viele Lebensversicherer den Höchstwert an ZZR nun bereits erreicht haben.“ Im vergangenen Jahr führte die Branche, den aktuellen Daten zufolge, dem Kapitalpuffer noch 10 Milliarden Euro zu. Dieser wuchs damit Ende 2021 auf insgesamt rund 97 Milliarden Euro. Im Geschäftsjahr 2022 dürfte die Branche erste Rückflüsse aus dem Kapitalpuffer erhalten, sagen die Experten.
Ihnen zufolge stecken rund 77 Prozent der LV-Kapitalanlagen in festverzinslichen Anlagen, deren Zinsen zuletzt deutlich gestiegen sind. Als Gründe für den Anstieg gelten die straffere Geldpolitik der US-Notenbank Fed, aber auch die Aussicht auf Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank. Die Inflation und die eingetrübten Konjunkturaussichten dämpften zugleich die Nachfrage nach Lebensversicherungsprodukten. „Die hohe Inflation schränkt die Sparmöglichkeiten vieler Bürger ein und zehrt an der Realverzinsung der Policen“, sagt Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will. „Zugleich könnten Bankprodukte bei steigenden Zinsen wieder attraktiver werden, wobei sich der Effekt normalerweise erst zeitversetzt einstelle, wenn die Institute höhere Zinsen an ihre Kunden weitergeben.“ Für dieses Jahr rechnet Assekurata mit einem Rückgang des Prämienbestandes in der Lebensversicherung von einem Prozent.