Private-Markets-Spezialist zur aktuellen Marktlage Was die Börsen-Turbulenzen für die Privatmärkte bedeuten

Jeff Diehl

Jeff Diehl: Der Private-Markets-Experte ist Managing Partner bei der Investmentfirma Adams Street Partners. Foto: Adams Street Partners

Die Aktienmärkte befinden sich in einem kräftigen Abwärtstrend, da die US-Notenbank die Zinsen anhebt und ihre Bilanz reduziert, um die Inflation zu dämpfen. Die Korrektur hat vor allem Unternehmen hart getroffen, die noch keine Gewinne vorzuweisen haben, darunter viele der Firmen, die erst jüngst an die Börse gegangen waren. Der Renaissance IPO ETF ist beispielsweise seit Jahresbeginn um 50 Prozent und gegenüber seinem Höchststand Anfang Oktober 2021 um über 55 Prozent gesunken. Ein Großteil der Korrekturen erfolgte im zweiten Quartal.

Da die fundamentale Performance der Unternehmen in den Aktienindizes seit Jahresbeginn und erst recht seit dem Ende des ersten Quartals weitgehend unverändert ist, handelt es sich bei der Korrektur in erster Linie um eine Neufestsetzung der Bewertungsmultiplikatoren. Profitables Wachstum ist an die Stelle von Wachstum um jeden Preis getreten.

Was bedeuten diese Korrekturen an den Börsen nun für die Bewertungen an Private Markets, also zum Beispiel bei Private Equity- und Venture Capital-finanzierten Unternehmen? Zunächst einmal muss man feststellen: Auch wenn es immer wieder Übertreibungen geben mag, sind die breiten Märkte für börsennotierte Vermögenswerte zumeist rational, was auf eine große Anzahl vernunftbegabter Investoren zurückzuführen ist, die sowohl öffentlich verfügbare Informationen als auch ihre eigenen Daten und Modelle wirksam nutzen.

 

Gelegentlich können sich die Märkte zwar auch einmal irrational verhalten. Ich bin aber der Meinung, dass die derzeitige Korrektur angesichts des massiven vorangegangenen Anstiegs und der nun steigenden Zinsen durchaus nachvollziehbar und gesund ist. Wenn es eine irrationale Phase gab, dann eher im Jahr 2021, als die Bewertungsmultiplikatoren für Aktien so deutlich anstiegen.

Dass die Bewertungsmultiplikatoren jetzt sinken, ist einfach erklärt. Der fundamentale Wert eines börsennotierten Unternehmens wird durch Schätzung künftiger Cashflows und deren Abzinsung mit einem bestimmten Abzinsungssatz ermittelt. Höhere Diskontierungssätze werden für Unternehmen mit weniger sicheren Cashflows verwendet. Wenn die Zinssätze steigen und die Inflation hoch ist, steigt der Diskontierungssatz, wodurch das Unternehmen heute weniger wert ist.

Unternehmen könnten der Börse den Rücken kehren

Trotz des Rückgangs der Aktienindizes sind nur wenige börsennotierte Unternehmen, die wir seit vielen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, verfolgen, jetzt zu Schnäppchen geworden. Wir sehen jedoch einige Unternehmen, die bald wieder langfristig attraktiv sein könnten. Dies dürfte insbesondere Private-Equity-Investoren anlocken, die Unternehmen von der Börse nehmen wollen. Die Vorstände von Unternehmen, deren Aktienkurse rapide gesunken sind, könnten für entsprechende Annäherungsversuche durchaus offen sein – schon allein, weil ihnen mit einer Börsennotierung in so schwierigen Zeiten wie diesen intensive Diskussionen mit unfreundlichen Aktivisten bevorstehen dürften. Wir könnten also vermehrt sogenannte Take-Private-Transaktionen sehen. 

Wie entwickeln sich nun die Bewertungen an den Private Markets? Droht in den Portfolios ein böses Erwachen? Wenn die Bewertungsmultiplikatoren an den Börsen schnell steigen oder fallen, ist es auf den ersten Blick jedenfalls logisch, dass sich die Faktoren für nicht-börsennotierte Unternehmen ähnlich entwickeln sollten. Aber Tatsache ist: Während Börsen und Private Markets korrelieren, haben die Private Markets fast immer langsamer und im Umfang geringer korrigiert.

Hierfür gibt es drei Hauptgründe:

Erstens konzentrieren sich die Private Markets auf Unternehmen, die ein über dem Markt liegendes Wachstum und dauerhaft wachsende Margen erwarten lassen. Deswegen müssen sie sich bei ihren Unternehmensbewertungen auch weniger stark an den Durchschnittswerten der Börsen orientieren. Im Gegenteil: Weil die nicht-börsennotierten Firmen oft schneller wachsen als der Markt, können ihrer Eigentümer eine gewisse Verringerung der Bewertungsmultiplikatoren durchaus verkraften. Außerdem sind für schneller wachsende Firmen ohnehin höhere Bewertungsniveaus üblich als für den langsamer wachsenden breiten Markt.