Einordnung Kapitalerhalt mit Immobilien im Spannungsfeld von Zinsen und Inflation

Sven Tomitza, Mitglied der Geschäftsleitung beim Tresono Family Office

Sven Tomitza, Mitglied der Geschäftsleitung beim Tresono Family Office: „Die deutlich gestiegene Inflation sollte eigentlich Immobilien als Anlage begünstigen, die doch traditionell als Inflationsschutz dienen.“ Foto: Tresono Family Office

Wir erleben derzeit eine fundamentale Wende der Märkte, die auch vor der Immobilienanlage nicht haltmacht. Die Treiber sind vielfältig und sie werden nachhaltig wirken: demografischer Wandel, die Veränderung klimatischer Rahmenparameter und die Disruption durch Digitalisierung. Hinzukommt das gleichzeitige Wirksamwerden von Einflussfaktoren wie beispielsweise steigende Rohstoffkosten, stagnierende Lieferketten und Zinsentwicklungen, die jeder für sich genommen bereits inflationsbeschleunigend wirken.

Nach der Finanzkrise haben die Notenbanken mehr als ein Jahrzehnt lang die Geldmenge ausgeweitet. Zwar blieben die Preisanstiege für Waren und Dienstleistungen gering, doch zeigt die Renditekompression bei Anleihen, Aktien und nicht zuletzt Immobilien, wo die Teuerung stattfand. Während der Corona-Pandemie rissen Lieferketten ab, sodass die inzwischen wieder anziehende Nachfrage nach Konsum- und Industriegütern nur unzureichend gedeckt werden kann. Der russische Angriff auf die Ukraine führte zu einem Angebotsschock in vielen kritischen Bereichen, vor allem bei Energie- und bei Agrarerzeugnissen, aber auch essentiellen Baustoffen.

Somit mangelt es in der Immobilienwirtschaft inzwischen nicht nur an Baugrund und Fachkräften, es fehlt auch Baumaterial aller Art. Die Folge sind Preissteigerungen in faktisch allen Wirtschaftsbereichen. Bereits im Februar 2022, also zu Beginn des Ukraine-Krieges lag der Verbraucherpreisindex nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 5,1 Prozent über dem Vorjahresniveau. Im Mai dieses Jahres kletterte die Inflationsrate auf 7,9 Prozent.

 

 

 

Vor allem Energie verteuerte sich um 38,3 Prozent, was unter anderem die Bauwirtschaft massiv zu spüren bekommt. Unter diesen Bedingungen neue Bauvorhaben, insbesondere den dringend benötigten Wohnungsneubau wirtschaftlich umzusetzen, wird zur Mission Impossible. Höhere Baukosten lassen sich teils an Käufer, aber nur in geringem Maße an Mieter weitergeben. Zwar steigen bundesweit die Wohnungsmieten, doch ist die Zunahme mit 1,7 Prozent im Mai 2022 moderat.

Während der Druck auf die EZB, die Leitzinsen anzuheben, wächst, haben die Bauzinsen bereits deutlich angezogen. Während der beiden Pandemie-Jahre 2020 und 2021 lagen die Zinsen für zehnjährige Hypothekarkredite nach Angaben des Baugeldvermittlers Interhyp bei etwa einem Prozent. Seit Jahresbeginn 2022 sprangen sie auf annähernd drei Prozent. Gleichwohl die Hypothekenzinsen nominell noch im historischen Vergleich niedrig sind, sind sie gemessen an den aktuellen Immobilienpreisen zu hoch – zumindest unter Zugrundelegung der ohnehin schon stetig gesunkenen Ankaufsrenditen.

Die Diskrepanz resultiert aber nicht allein aus den Preistreibern Knappheit an Objekten, Personal und Material. Auch seitens der Verkäufer wird noch an den Preisvorstellungen der jüngsten Hochphase festgehalten. Die geringe Bereitschaft zu Preiszugeständnissen dürfte auch in den hohen Einkaufspreisen der Vergangenheit begründet sein, die es jetzt schwierig machen, die seinerzeit zugrunde gelegten Renditevorstellungen zu realisieren. Abwarten, statt mit niedrigerem Gewinn oder gar Verlust verkaufen, lautet die Devise. Zumal beratende Marktteilnehmer noch vor wenigen Wochen mit schwindelerregenden Kaufpreisen werben konnten. Die neue Realität muss erst einmal in den Köpfen und Excel-Sheets ankommen bis auch die empirische Grundgesamtheit für den Faktencheck groß genug ist.