Nachhaltigkeits-Roundtable „Es ist mühsam, eine Haltung zu finden“

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Steigt der öffentliche Druck?

Stremlau: Ja, natürlich. Das liegt aber nicht nur am Klimapaket der Bundesregierung, sondern es sind Themen wie Ressourcenknappheit, Kreislaufwirtschaft, Sozialstandards, internationale Abhängigkeiten. Diese Herausforderungen werden in den nächsten Jahren enorm an Fahrt aufnehmen. Denn der Problemdruck, den wir haben, hört nicht auf. Von der politischen Seite werden hoffentlich Leitplanken kommen. Die Spreizung zwischen konventionellen und nachhaltigen Investments wird sich drastisch vergrößern, und zwar sowohl durch Druck des Gesetzgebers als auch durch Unternehmen, die darauf reagieren und neue Geschäftsmodelle entwickeln und Innovationen rund um die Themen Energie, Agrar, Verkehr anstoßen.

Hesse: Auch die Berichtspflichten nehmen zu. In Zukunft müssen alle institutionellen Anleger in Europa darüber berichten, ob sie Nachhaltigkeit integrieren und wenn ja, müssen sie darlegen, wie. Außerdem soll die Auswirkung auf die finanzielle Performance berichtet werden. Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Investoren, die an dieser Stelle einfach nichts tun, sinkt. Denn der Druck wird immer größer.

Erwarten Sie, dass es in den nächsten Jahren eine Art Nachhaltigkeitsprämie geben wird, der Wert nachhaltiger Anlagen also stärker wächst als der konventioneller?

Lang: Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Auf der einen Seite steigt der gesellschaftliche Druck, andererseits erwarten Anleger von ihren Asset Managern ein wachsendes Angebot nachhaltiger Anlagen. Gleichzeitig ziehen sich Anleger aus nicht-nachhaltigen Investments zurück, das drückt deren Kurse. Aber auch bei nachhaltigen Unternehmen verlieren klassische Bilanzkennzahlen und Marktparameter nicht an Bedeutung.

Stremlau: Nebenbedingung für eine ESG-Prämie ist die Frage, ob die Politik für die Realwirtschaft so etwas wie gerechte Preise entwickeln wird. Wir benötigen endlich Preise, mit denen auch die externen Kosten, etwa von Flugreisen oder massivem Ressourcenverbrauch, abgebildet werden. Nachhaltiges Verhalten muss günstiger sein als nicht-nachhaltiges Verhalten.

Hesse: Es wird aber keine automatische Outperformance durch ESG-Anlagen geben. Wenn die Europäer alle nicht-nachhaltigen Anlagen auf den Markt werfen, amüsieren sich die Anleger aus dem Rest der Welt und kaufen sie günstig auf – und freuen sich über die Outperformance ihrer konventionellen Portfolios. Wir benötigen global einheitliche Rahmenbedingungen, und die sehe ich leider im Moment noch nicht.

Dittrich: Deutschland kann sich die Energiewende leisten. Polen nach Meinung der Regierung dort aber nicht. Sie setzt daher auf die günstige Kohle. Wenn wir aber zeigen, dass sich nachhaltige Energien langfristig günstiger erzeugen lassen, können andere Länder nachziehen.