Interview mit Steyler-Bank-Chef Norbert Wolf „Wir müssen festlegen, welchen Graubereich wir tolerieren können“

Norbert Wolf, Geschäftsführer der Steyler Bank im Gespräch mit Redakteur Bastian Hebbeln von DAS INVESTMENT.

Norbert Wolf, Geschäftsführer der Steyler Bank im Gespräch mit Redakteur Bastian Hebbeln von DAS INVESTMENT. Foto: Anna Mutter

private banking magazin: Herr Wolf, Nachhaltigkeit ist bei der Steyler Bank beziehungsweise der Steyler Fair Invest geradezu Agenda und innere Selbstverpflichtung. Gibt es da nicht Zielkonflikte mit Renditezielen?

Norbert Wolf: Diese Sorge haben wir so nicht. Auch nachhaltige Geldanlagen erzielen gute Renditen. Aber wir verstehen uns als eine werteorientierte Bank. Wir haben einen Hintergrund, bei dem es um die Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und um Frieden geht. Deswegen haben wir klare und transparente Nachhaltigkeitskriterien aufgesetzt, an denen wir uns orientieren. Aber natürlich gibt es Dilemmasituationen und wir wissen auch, dass es im Nachhaltigkeitsbereich kein Schwarz-Weiß gibt. Die Herausforderung vor der wir dabei stehen ist festzulegen, welchen Graubereich wir noch tolerieren können. Was die Renditefrage angeht, ist für mich ohnehin klar, dass der nachhaltige Investor nicht auf allen Hochzeiten tanzt. Nehmen wir die Ukraine-Krise und das Thema Waffenlieferungen. Da würde wahrscheinlich ein konventioneller Fonds Waffenhersteller derzeit übergewichten und dadurch auch eine hohe Performance erzielen. Das passiert bei uns natürlich nicht.

 

Inwiefern geht es bei Ihnen über die Ausschlusskriterien hinaus? Kann der Steyler-Investor zum Beispiel über Daten nachzuvollziehen, dass Unternehmen auch nachhaltig dadurch sind, indem sie etwas Bestimmtes leisten und nicht nur unterlassen?

Wolf: Wir haben uns schon vor über 20 Jahren Oekom Research angeschlossen, einer Rating-Agentur im nachhaltigen Anlagesegment, die heute ISS heißt. Wir haben also schon immer Wert darauf gelegt, mit guten Daten über die investierten Unternehmen zu operieren. Wir zeigen in den Factsheets unserer eigenen Fonds auch sehr viele Nachhaltigkeitsdaten, um transparent zu sein. Das machen nur ganz wenige bisher. Tatsächlich beschränken wir uns bei der Auswahl nicht nur auf Ausschlusskriterien, sondern nutzen genauso intensiv Positivkriterien. Rein praktisch orientieren wir uns hier an dem ESG-Score von ISS, in dem sich diese Kriterien widerspiegeln. Unternehmen müssen bei uns einen hohen Level an ESG-Score mitbringen. Außerdem beziehen wir noch den SDG-Score ein, also die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Alles zusammen führt das dazu, dass es ein Unternehmen schafft, in unsere Portfolios zu kommen, oder nicht. Dabei muss man berücksichtigen, dass es die großen Unternehmen leichter haben als die kleinen. Die Gefahr besteht, dass bei Datenanbietern, die sehr stark auf Dokumentationen bauen und auf Richtlinien schauen, die kleineren Unternehmen etwas zu schlecht wegkommen. Bei ihnen ist vielleicht nicht alles perfekt dokumentiert, wodurch sie unter Umständen einen schlechteren ESG-Score erhalten und nicht ins Anlage-Universum passen.

Dann ist der Score aber auch nicht das alleinige Mittel im Auswahlprozess des Fondsmanagements?

Wolf: Richtig. Es gibt ohnehin kein Unternehmen mit einem ESG-Score von 100. Die Guten liegen auf dieser Skala von 0 bis 100 vielleicht bei 68 oder 70. Ein Unternehmen kommt bei uns rein, wenn es über 50 liegt. Aber wir haben zusätzlich die Möglichkeit geschaffen, über unseren Ethikanlagerat Unternehmen ins Anlage-Universum zu holen, die wir für spannend halten. Wir nennen das Unternehmen mit Nachhaltigkeitspotenzial. Das sind Unternehmen, die vielleicht von den Kennzahlen noch nicht so perfekt dastehen, von denen wir aber glauben, dass sie sich rasant nach vorne bewegen können. Also solche, die in einem Transformationsprozess schon sehr weit sind, aber noch Mängel in der Dokumentation haben und deswegen im Nachhaltigkeits-Rating noch Underperformer sind. Wir nehmen sie auf Probe ins Universum auf und bewerten nach zwei oder drei Jahren, ob sie dann auch formal alle von uns geforderten Kriterien erfüllen.

„Bei einer christlichen Weltanschauung geht es nicht darum, alles zu verbieten“

Können Sie Beispiele nennen?

Wolf: Tendenziell sind das natürlich kleinere Unternehmen. Dazu zählen würde ich zum Beispiel die Firma Rational. Die sind Marktführer in der Herstellung von Kombidämpfern für Großküchen. Oder Sto, die Dämmmaterialien herstellen. Schon sehr bekannt, aber in der Kapitalmarktwelt eben noch ein kleineres Unternehmen. Wir setzen uns in solchen Fällen mit den verschiedenen Abteilungen zusammen und wenn wir eine Skalierbarkeit feststellen, glauben, dass es relativ schnell nach vorne gehen kann, dann können wir diese Unternehmen auch ins Universum nehmen. 

Im Podcast „Finanz-Gourmet“ sagten Sie, es gehe bei alldem nicht um Verzicht, sondern um ein gutes Leben. Was bedeutet das konkret?

Wolf: Die Bank gehört zu einer katholischen Ordensgesellschaft, den Steyler Missionaren. Bei einer christlichen Weltanschauung geht es nicht darum, alles zu verbieten, sondern Wirtschaftsleben zu unterstützen und insbesondere jenes, das den Menschen ein gutes Leben ermöglicht. Deswegen schließen wir auch die Automobilindustrie nicht aus, selbst wenn andere das tun. Mobilität ist aus unserer Sicht das wichtige Recht eines jeden. Ansonsten gibt es natürlich Firmen, die dem Nachhaltigkeitsgedanken typischerweise Rechnung tragen. Zum Beispiel Geberit, die sanitäre Einrichtungen sehr professionell und mit einem sehr niedrigen Wasserverbrauch produzieren. Das hilft Menschen, ein gutes Leben zu führen. Das ist nicht so etwas Abstraktes, sondern etwas Handfestes und das finde ich immer spannend. Bei solchen Unternehmen gibt es wenig oder gar keine Kontroversen. Sie zahlen keine Bußgelder. Im Sinne der Nachhaltigkeit haben sie also eine hohe Governance. Das finde ich ebenfalls bemerkenswert.

Die Steyler Bank ist ja nicht nur Pionier in Sachen Nachhaltigkeit, sondern hat eine absolute Sonderrolle im Markt durch die Gewinnverwendung. Erklären Sie bitte einmal die Idee dahinter?

Wolf: Unsere Aufgabe als Bank der Steyler Missionare ist es natürlich, unsere Kunden professionell zu betreuen, damit sie eine nach ihren Vorstellungen geeignete Vermögensanlage bekommen. Wir sind also erstmal für unsere Kunden da. Zugleich ist die Steyler Bank ein Sozialunternehmen. Es gehört dem katholischen Orden. Dieser nimmt die ausgeschütteten Bankgewinne nicht für sich, sondern fördert damit seine zahlreichen internationalen Sozialprojekte. Die Missionare begeben sich dabei auch in schwierige Situationen. Sie sind bei den Menschen, die nichts haben, und ermöglichen ihnen Bildung und eine Krankenversorgung. Bei vielen Projekten geht es darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Im Optimalfall werden Menschen so gefördert, dass sie später für sich selbst sorgen können.

 

Wie sehen Sie ihre Rolle, da Sie ja auch viele der unterstützten Projekte begleiten und besuchen?  Welche persönlichen Eindrücke sind ihnen dabei am stärksten haften geblieben?

Wolf: Für mich als Geschäftsführer dieser Bank, der das jetzt fast 30 Jahre macht, ist das unglaublich erfüllend. Ich bin Bänker, mich interessiert schon die Rendite, mich interessieren die Unternehmen und es interessiert mich, einen guten Job zu machen. Aber gleichzeitig zu wissen, wofür ich es mache, das gibt mir einen Sinn. Und ich glaube, das ist bei vielen meiner Mitarbeiter genauso. Was ich persönlich gelernt habe, ist, dass viele Menschen, deren Leben materiell überhaupt nicht mit unserem vergleichbar ist, trotzdem glücklich sind. Es geht um eine Konzentration auf die Grundbedürfnisse. Das merke ich Indien bei den dort unterstützten Schulen. Kinder, die dort spielen, die in ganz ärmlichen Verhältnissen leben, führen dennoch aus ihrer Sicht ein glückliches Leben ohne diesen Materialismus. Deswegen liebe ich vom Investment her Unternehmen, die Produkte herstellen, die einfach unsere Grundbedürfnisse befriedigen.

Zum Schluss: Sie werden jetzt 60. Wollen Sie in ihrem Berufsleben nochmal etwas anderes machen? Man hört, sie seien großer Schalke-Fan. Wäre da ein Aufsichtsratsposten nicht etwas für Sie?

Wolf: Es gibt in der Tat immer wieder Freunde, die mich ermuntert haben, mich zu bewerben. Schalke ist schon eine Leidenschaft in meinem Leben von meinem siebten Lebensjahr an. Es gab mal vor ewigen Zeiten ein Finanzmagazin, das einen Steckbrief von mir veröffentlicht hat. Da gab es die Frage, was ich früher einmal werden wollte und ich habe geantwortet, dass ich als Kind mal Präsident von Schalke 04 werden wollte. Die Überschrift des Beitrags war dann: Er wollte Präsident werden. Man sollte ja nie etwas ausschließen, aber dass ich nach 30 Jahren sage, dass ich zum Broterwerb nochmal etwas anderes mache, glaube ich eher nicht.


Über den Interviewten:

Norbert Wolf ist Hauptgeschäftsführer der Steyler Ethik Bank, zu der auch die Vermögensverwaltung Steyler Fair Invest gehört. Er ist seit 1994 in dieser Position tätig, verantwortet unter anderem den Vertrieb sowie das Eigenanlagenmanagement.

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