Interview mit Volker Kurr von LGIM „Wir nehmen unser Stimmrecht sehr ernst, um Einfluss auf Unternehmen auszuüben“

Volker Kurr verantwortet seit 2017 den institutionellen Vertrieb bei LGIM

Volker Kurr verantwortet seit 2017 den institutionellen Vertrieb bei LGIM: „Wir sind der Meinung, dass vor allem vier Gründe für indische Staatsanleihen sprechen.“ Foto: LGIM

Herr Kurr, was ist in Ihren Augen das Besondere an indischen Staatsanleihen?

Volker Kurr: Indien bietet etwas, das in der Anleihewelt selten zu finden ist: einen noch relativ unerschlossenen, attraktiven Markt mit Potenzial und First Mover Advantage. Das hat viel mit der früheren Abschottungspolitik des indischen Staats zu tun: Bis April 2020 war es für ausländische Anleger extrem schwierig, in indische Staatsanleihen zu investieren. Inzwischen stehen Investoren unter dem so genannten „Fully Accessible Route (FAR)“-Programm 17 Staatsanleihen in lokaler Währung und mit einem Volumen von etwa 200 Milliarden US-Dollar offen. Bisher liegen nur knapp zwei Prozent in ausländischer Hand, doch das könnte sich ändern, wenn Indien in die bekannten Schwellenländer-Indizes aufgenommen würde. Es gibt aber noch eine weitere Besonderheit.

Welche?

Kurr: Die indische Volkswirtschaft ist mit der Weltwirtschaft kaum verflochten und die Korrelation indischer Staatsanleihen mit Anleihen anderer Staaten dadurch sehr gering oder sogar negativ. Anlegern eröffnet dies nach unserer Einschätzung gute Möglichkeiten zur Diversifikation.

LGIM spricht von einem Renditeaufschlag gegenüber US-Treasury-Papieren. Woher kommt dieser?

Kurr: Die indischen Staatsanleihen aus dem FAR-Programm weisen aktuell eine durchschnittliche Rendite von 6,5 Prozent auf. Das ist ein erheblicher Aufschlag gegenüber US-Staatsanleihen mit vergleichbarer Laufzeit. Zwar ist die Bonität Indiens mit BBB- niedriger als die der USA mit AA+, aber auch Indien genießt Investment-Grade-Status.


Zudem ist Indien als „non-Defaulter“ seinem Schuldendienst bislang stets nachgekommen. Der Renditeaufschlag ist aber nicht nur gegenüber US-Treasuries deutlich, sondern auch im Vergleich mit amerikanischen Unternehmensanleihen mit gleichem Rating und gleicher Laufzeit.

Sie gehen davon aus, dass Indien in den kommenden 30 Jahren von Platz 6 auf Platz 3 der weltgrößten Volkswirtschaften klettern wird. Warum?

Das ist die offizielle Prognose der OECD. Schon heute ist Indien bezüglich seines Outputs die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und bis 2030 wohl die am schnellsten wachsende Schwellenökonomie. Dabei exportiert Indien, anders als die meisten Schwellenländer, vor allem Dienstleistungen. Auch das trägt zur niedrigen Korrelation mit den Schwankungen der Weltwirtschaft bei.

Welchen Anteil sollte Indien ihrer Meinung nach an den großen Welt-Indizes haben?

Kurr: Sowohl Bloomberg als auch JP Morgan erwägen aufgrund der zunehmenden Öffnung für ausländische Investoren, Indien in ihre Flaggschiff-Indizes wie den Bloomberg Global Aggregate oder den JP Morgan Global Bond Index – Emerging Market Global Diversified (JPM GBI-EM Global Diversified) aufzunehmen. Bei einem Gesamtvolumen ausstehender Staatsanleihen von rund 600 Milliarden Dollar käme Indien auf einen Indexanteil von etwa neun Prozent. Diese höhere Gewichtung würde zu Zuflüssen von schätzungsweise 35 bis 40 Milliarden US-Dollar führen. Diese zusätzliche Nachfrage dürfte dann – ähnlich wie bei der Indexaufnahme Chinas 2019 – die Rendite drücken. Aktuell können Anleger also aus unserer Sicht noch von einem First Mover Advantage profitieren.

Warum sollte ein institutioneller Investor aus Deutschland Geld in Indien anlegen?

Kurr: Wir sind der Meinung, dass vor allem vier Gründe für indische Staatsanleihen sprechen: die attraktive Verzinsung, die Möglichkeit zur Diversifikation des Portfolios mit einem Investment-Grade-Emittenten und die erwartete Aufnahme Indiens in die wichtigsten Indizes.