Asien-Experte im Interview „Es besteht ein dringender Bedarf an Investitionen in nachhaltige Infrastrukturen“

Michael Sieg, Gründer des Vermögensverwalters Thomas Lloyd

Michael Sieg, Gründer des Vermögensverwalters Thomas Lloyd: „Investitionen in saubere Energien fließen lediglich zu 20 Prozent in Entwicklungs- und Schwellenländer, obwohl diese für einen Großteil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind.“ Foto: Thomas Lloyd

Herr Sieg, der jüngst aufgelegte Thomas Lloyd Energy Impact Trust (TLEI) verfügt – nach eigenen Angaben – über einen direkten Zugang zu nachhaltigen Sachwerten in aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien. Wie werden diese Zugänge konkret hergestellt?

Michael Sieg: Dass wir heute in der Lage sind, in Asien Energieinfrastrukturanlagen zu entwickeln, zu bauen und zu betreiben, haben wir dem frühzeitigen Aufbau eigener Plattformen mit lokalen Teams und Partnern in unseren Zielmärkten zu verdanken. Mit anderen Worten: Durch unsere Präsenz vor Ort über eine ganze Dekade profitieren wir von einem gewachsenen, fundierten Verständnis des finanziellen, rechtlichen und kulturellen Umfelds, in dem wir tätig sind. Unser Investitionsansatz kombiniert die Vorteile dieser lokalen Expertise mit den Ressourcen und dem Rückhalt einer global aufgestellten Unternehmensgruppe.

Beim Börsengang erhielt der Fonds – als erster überhaupt – eine Investition in Höhe von 24,5 Millionen Pfund, umgerechnet 29,6 Millionen Euro, aus dem von der britischen Regierung finanzierten Programm Mobilising Institutional Capital Through Listed Product Structures (MOBILIST). Was halten Sie von diesem Programm, und was war ihr erster Gedanke, als sie von dem Investment erfuhren?

Sieg: Die Bewältigung des Klimawandels erfordert eine enorme Menge an Kapital, um die bestehende Finanzierungslücke zu schließen. Wir sind der Meinung, dass ein Großteil davon aus einer Kombination von privatem und öffentlichem Kapital bestehen muss. Mobilist ist ein konkretes Beispiel für die Art von öffentlichen und privaten Partnerschaften, die entwickelt werden können, um die genannte Finanzierungslücke zu schließen. Wir sind sehr stolz auf die Entscheidung des Foreign, Commonwealth & Development Office, in den Trust zu investieren und in die Funktion eines Katalysators für die Finanzierung langfristiger nachhaltiger Infrastrukturprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern einzusteigen. Wir hoffen, dass dieses Programm von anderen Regierungen auf der ganzen Welt nachgeahmt wird, um die Finanzierungslücke zu schließen, die dem Erreichen der Netto-Null-Ziele derzeit im Wege steht.

Und wer sind die Investoren?

Sieg: Der Börsengang zog eine diversifizierte Aktionärsbasis an. So wurden 105,8 Millionen Euro von einem breiten Spektrum paneuropäischer Investoren investiert, darunter institutionelle Asset Manager, Banken, Vermögensverwalter und Investmentplattformen. Für eine Reihe von Aktionären war dies die erste Investition in die Anlageklasse der nachhaltigen Energieinfrastruktur, und für fast alle war es die erste Investition in Asien.

Warum wurde als Investmentvehikel ein Trust gewählt? Welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden?

Sieg: Erstens dienen börsennotierte, geschlossene Investmentgesellschaften – also Investment Trusts – ausschließlich dem Zweck, zu investieren. Sie ermöglichen es einem Investor, nicht nur in eine einzige Aktie, sondern in ein breiteres Portfolio von Vermögenswerten zu investieren – und das mit dem Vorteil der Liquidität der Börse. Zweitens sind Investment Trusts eigenständige, börsennotierte Unternehmen mit einem unabhängigen Vorstand. Sie verfügen über eine geschlossene Struktur, was bedeutet, dass eine feste Anzahl von Anteilen ausgegeben wird.


Während Unit Trusts und offene Investmentfonds immer neu investieren, wenn neues Kapital zufließt, oder Vermögenswerte verkaufen müssen, wenn Anleger sich zum Ausstieg entschließen, sind Investment Trusts nicht den Zu- und Abflüssen von Geldern ausgesetzt. Geschlossene Investmentfonds sind damit nicht mit dem Zwiespalt traditioneller offener Fonds konfrontiert, einerseits illiquide Vermögenswerte wie Schuldtitel, Infrastruktur und Immobilien langfristig halten zu wollen und andererseits dem typischen Bedürfnis der Anleger nach kurzfristiger Liquidität zu entsprechen. Aufgrund der festen Anzahl der ausgegebenen Anteile muss es für jeden Verkäufer einen Käufer geben und umgekehrt.

Gibt es weitere Vorteile?

Sieg: Die Einhaltung der höchsten Standards für Regulierung und Corporate Governance sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Europa. Sie bieten eine bewährte Rechtsstruktur mit hoher Attraktivität für institutionelle und private Investoren und sie bieten den Vorteil einer hohen Intraday-Liquidität, von der alle börsennotierten Fonds aufgrund der Unterstützung durch Market Maker profitieren. Die Historie der Investment Trust an der Londoner Börse reicht mehr als 150 Jahre zurück, und wir sind stolz darauf, dass unser Trust das erste spezielle Angebot an der Londoner Börse ist, das Anlegern direkten Zugang zu nachhaltiger Energieinfrastruktur in Asien eröffnet.

Und warum gerade in Asien?

Sieg: Aus unserer Sicht gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass wir uns mitten in einer Klimakrise befinden. Daher besteht ein dringender Bedarf an groß angelegten Investitionen in nachhaltige Infrastrukturen – und das insbesondere in Asien. Zum einen, weil Asien inzwischen mehr CO2 emittiert als Europa und Nordamerika zusammen. Und zum zweiten, weil Investitionen in saubere Energien lediglich zu 20 Prozent in Entwicklungs- und Schwellenländer fließen, obwohl diese für einen Großteil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind.

Und jenseits der Klimathematik?

Sieg: Gibt es zwei weitere Gründe, die diese Märkte attraktiv machen. Der erste bezieht sich auf die Kaufkraft der Investitionsgelder: Mit einem Dollar oder Euro, der in den asiatischen Schwellenländern ausgegeben wird, kann mehr Land und Arbeitskraft finanziert werden als in den Industrieländern. Das bedeutet, dass wir mehr bewirken können – hinsichtlich einer Anhebung der Standards in den Bereichen Beschäftigung, Gesundheit, Sicherheit und Unternehmensführung sowie in der gesamten Zuliefererkette. Zweitens verfügen die asiatischen Länder mit der am stärksten wachsenden Energienachfrage aufgrund ihrer geografischen Lage auch über die besten Voraussetzungen, der Nachfrage ein enormes Potenzial an Sonneneinstrahlung und Biomasse entgegenzusetzen.

Warum haben Sie sich auf nachhaltige Energieinfrastrukturprojekte spezialisiert?

Sieg: Klar ist, dass wir mitten in einer Klimakrise stecken. Und wie wir auf der COP26 gesehen haben, haben sich 90 Prozent der Weltwirtschaft, die für 84 Prozent der Emissionen verantwortlich sind und 69 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, verpflichtet, die Netto-Null zu erreichen. Wir haben also gar keine andere Wahl als zu dekarbonisieren. Als Impact-Investor wissen wir, wie dringend es ist den Klimawandel zu bekämpfen. Daher konzentrieren wir unsere Anstrengungen dort, wo diese am meisten bewirken. Denn eine Netto-Null-Welt im Jahr 2050 kann nur erreicht werden, wenn wir die Herausforderungen dort angehen, wo sie am erforderlichsten sind. Asien mit seinen hohen Kohlenstoffkosten und seinen gewaltigen Wachstumsaussichten hat den dringendsten Bedarf, bietet aber auch die größten Investitionschancen.

Warum?

Sieg: Das erhebliche Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie die rapide Urbanisierung führen zu einem steilen Nachfrageanstieg nach einer stabilen Energieversorgung und sind heute die Treiber dieses Marktsegments. Das schiere Ausmaß der Investitionen, die für die Dekarbonisierung und Umstellung auf grüne Energie Asiens erforderlich sind, macht ihn für Investoren zum entscheidenden Investitionstrend des Jahrhunderts, der einfach nicht ignoriert werden kann.

In welchen Ländern und in welchen Branchen sehen sie mittelfristig die besten Renditechancen?

Sieg: Gegenwärtig sind wir in Indien und auf den Philippinen investiert, wollen jedoch unsere geografische Reichweite auf neue Nachbarmärkte wie Indonesien, Vietnam, Bangladesch und Sri Lanka ausdehnen. In diesen Märkten besteht ein geschätztes Finanzierungsdefizit von einer Billion US-Dollar für die derzeitigen Infrastrukturinvestitionen.