Single Family Office Birger Dehne „Ich habe selten so wenige Wohnimmobilien auf dem Markt gesehen“

Birger Dehne, Geschäftsführer des gleichnamigen Family Office, das auf Investments in Wohnanlagen mit hohen Leerständen spezialisiert ist.

Birger Dehne, Geschäftsführer des gleichnamigen Family Office, das auf Investments in Wohnanlagen mit hohen Leerständen spezialisiert ist. Foto: Birger Dehne

Herr Dehne, macht Ihnen die Zinswende als Immobilieninvestor zu schaffen?

Dehne: Zinsveränderungen spüren wir kaum – wie andere Family Offices auch. Erstens, weil wir steigende Cashflows aus den Mieten registrieren, zweitens, weil wir sehr langfristig und zu geringen Teilen über Fremdkapital finanziert sind. Die Schwankungen am Zinsmarkt nehmen wir dementsprechend kaum wahr. Das ist in anderen Bereichen der Immobilienwirtschaft, auch in anderen Bereichen der Wohnungswirtschaft sicherlich anders. Wenn man auf den Bereich Projektentwicklung schaut, hat die Zinswende Spuren hinterlassen.

Die Insolvenzen von Projektentwicklern haben in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen bestimmt. Wie betrachten Sie die Lage am Immobilienmarkt?

Dehne: Wer spekulativ gekauft hat, steckt gerade in einer schwierigen Situation. Viele Akteure haben mit Projektentwicklungen schlechte Erfahrungen gemacht, weil die oft sehr scharf kalkuliert sind. Wir reden hier nicht von Gewinnmargen bis 30 Prozent, sondern von einstelligen bis niedrigen zweistelligen Margen. Wenn Baukosten und Zinsen und der Abverkauf der Eigentumswohnungen stockt, weil auch viele Käufer sich durch den Zinsanstieg Objekte nicht mehr leisten können, geht die Kalkulation nicht auf. Wir investieren indes seit Jahren konstant in klassische Wohnungsbestände in Deutschland. Als Single Family Office und Bestandsinvestor sind wir deutlich langfristiger als viele andere Akteure am Wohnimmobilienmarkt orientiert. Ich kaufe gerne Objekte, Wohnanlagen, mittlerweile auch Portfolios, die große Leerstände aufweisen. Das ist unser Steckenpferd.

Als Investor in Wohnungsbestandsimmobilien spüren Sie also nichts von Krise?

Dehne: Unser Produkt in der bestandhaltenden Wohnungswirtschaft ist die Mietwohnung. In den vergangenen fünf, speziell in den vergangenen zwei Jahren, hat dieses Segment einen Boom erlebt. Wir haben noch nie eine so hohe Nachfrage und so starke Mietsteigerungen erlebt. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Die Gründe sind allen bekannt: Verknappung von Wohnraum, sinkende Bauaktivität, Zuwanderung, mehr Flächenbedarf pro Kopf in Deutschland. Wir erleben aktuell stark steigende Cashflows aus den Mieten.

Sie denken langfristig, aber bieten sich durch die derzeitige Gemengelage kurzfristig vermehrt Kaufchancen? Zuletzt haben Sie ein größeres Portfolio von 1.300 Wohneinheiten von der kriselnden Adler Gruppe erworben.

Dehne: Ganz im Gegenteil: Der Transaktionsmarkt steht derzeit fast still, das sehen wir auch bei uns in der Einkaufsabteilung. Ich habe selten so wenige Wohnimmobilien auf dem Markt gesehen, wie in den vergangenen Monaten. Und die Kaufgelegenheiten, die sich bieten, sind nicht günstiger geworden im Vergleich zu 2021 und 2020. Viele denken, jetzt ist die Zeit der Schnäppchen angebrochen. Doch auf die vergangenen fünf Jahren bezogen, haben wir beinahe eine Verdopplung der Mieten im Bereich der Neuvermietungen erlebt. Niemand möchte so ein gutes Produkt derzeit verkaufen. Es gibt Investoren, darunter Private-Equity-Gesellschaften aus dem Ausland, die gerade Kapital sammeln, um günstig in Deutschland Immobilien aufzukaufen. Das geht im Bestand in Deutschland aber nicht auf, weil hierzulande selten mit dem Mietwohnungsbestand spekuliert wird. Wohnportfolios sind in Deutschland im Eigentum langfristig aufgestellter Family Offices, Pensionskassen, Versicherer und anderer institutioneller Investoren. Die einzigen, die durch die Zinswende unter Druck geraten sind, sind Unternehmen, die kurzfristiger finanziert und mit den Bewertungen gespielt haben – börsennotierte Unternehmen zum Beispiel.

Und die treten derzeit nicht verstärkt als Verkäufer auf?

Dehne: Börsennotierte Unternehmen versuchen gerade die Aufwertungen ihrer Bestände, die sie in den letzten Jahren durchgeführt haben, zu korrigieren, auf ein Niveau, auf dem sich der normale Markt bewegt. Wir als Family Office haben die Bewertungen unserer Immobilien in den letzten Jahren kaum angepasst. Es mag in dieser Situation den ein oder anderen geben, der auch über Verkäufe nachdenkt. Aktuell sehen wir im Großen und Ganzen die gleichen Verkäufer am Markt, die es auch zuvor gab – ich sehe wenige Unternehmen, die nun unter Druck Bestände veräußern müssen. Ich denke, dass wir in dem Segment des Wohnungsbestands, bei den 13 bis 14 Millionen Immobilien, die unsere Branche ausmachen, wenig Veränderung sehen werden in den kommenden Jahren.

 

Der Denominator-Effekt kann besonders kritisch für institutionelle Anleger sein, die gesetzlich vorgeschriebene Allokationsgrenzen auch für Immobilien zu beachten haben. Haben Sie hier Notverkäufe erlebt und deshalb zukaufen können?

Dehne: Nein, das habe ich noch nicht am Markt gesehen. Notverkäufe sehen und erwarten wir auch nicht.

Bei dem angesprochenen Portfolio der Adler Gruppe kann man aber durchaus von einem unter Druck geratenen Verkäufer sprechen…

Dehne: Das angesprochene Portfolio hatte einen Leerstand von 50 Prozent – in tollen Lagen in Nordrhein-Westfalen. Der vorherige Bestandshalter hatte das Portfolio aufgegeben. In kurzer Zeit, bei uns dauert es zwischen sechs und achtzehn Monaten, können wir diese Wohneinheiten wieder voll vermieten und an den Mietmarkt bringen. 

Wie viel Leerstand kaufen Sie pro Jahr an?

Dehne: Unser Single Family Office schafft es im Jahr, 2.000 bis 6.000 Wohnungen zu kaufen, sanieren und wieder dem Wohnungsmietmarkt zuzuführen. Es muss uns gesellschaftlich gelingen, die bestehenden Leerstände aufzuspüren und unternehmerisch anzugehen. Wenn wir davon ausgehen, dass uns in Deutschland jedes Jahr 100.000 bis 150.000 Wohnungen fehlen, müssen wir die Bestände in den Fokus nehmen. Denn der Wohnungsneubau wird in den nächsten Jahren weiter rückläufig sein – wir sehen einen Rückgang von Projektentwicklungen, durch Insolvenzen von Bauunternehmen droht ein Teil der Infrastruktur wegzubrechen. Gleichzeitig wird die Nachfrage nach Wohnraum weiterwachsen.

Haben Sie deshalb beispielsweise auch schon Büroimmobilien gekauft und in diese in Wohnraum umgewidmet, oder planen Sie, in diese Richtung aktiv zu werden?

Dehne: Ja, auch in diesem Segment sind wir aktiv. Aktuell entwickeln wir unter anderem ein 5.000 Quadratmeter großes Bürogebäude in Düsseldorf-Angermund in Wohnraum um.

Die Immobilienzeitung nannte Sie kürzlich in einem Interview den „großen Unbekannten im deutschen Wohnungsmarkt“. Doch Sie treten mit ihrem Geschäftsmodell – Aktivierung von Leerstand, Wohnimmobilien in B- und C-Lagen – in jüngster Zeit öffentlichkeitswirksamer auf. Warum eigentlich?

Dehne: Das passiert aus einer komfortablen Situation heraus. Wir kennen unser Marktsegment seit 25 Jahren genau und haben hier viele Krisen miterlebt und einen großen Erfahrungsschatz aufgebaut. Ich habe in den letzten zwanzig Jahren festgestellt, dass es selbst in Ballungsregionen in attraktiven Lagen Wohnungseigentümer gibt, die aus bestimmten Gründen Leerstände aufgebaut haben. Wir sind einer der Marktführer für Ankauf von Wohnungsleerstand in Deutschland und fürchten uns nicht vor Wettbewerb, dafür ist der Markt zu groß. Es geht mir darum, Mut zu machen, in Leerstand zu investieren, um der Wohnungsknappheit entgegenzuwirken. Denn das ist auch volkswirtschaftlich kein gesunder Trend.

Skizzieren Sie uns bitte den Prozess – über den Ankauf zur Sanierung.

Dehne: Das ist unser Tagesgeschäft. Zunächst mal sind wir schnell in der Lage anhand von wenigen Parametern den Wert eines angebotenen Portfolios einschätzen. Ankaufentscheidungen können wir innerhalb von wenigen Stunden treffen. Wenn diese Objekte Leerstand aufweisen, werden sie in standardisierten Prozessen revitalisiert. Wir haben Baukastensysteme sowohl für die einzelnen Wohneinheiten als auch die Wohnanlagen.

Ein Großteil ihres Bestandes kommt aus den 1950er und 60er Jahren. Stehen da keine hohen Investitionen mit Blick auf die Energieeffizienz an?

Dehne: Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der seit Jahren läuft und bei uns nicht erst durch gesetzliche Vorgaben angestoßen wurde. Mit Blick auf unseren Bestand, erfüllen bereits jetzt 70 Prozent unserer Bestände den Wert, der mit Blick auf die EU-Gebäuderichtlinie bis 2033 erreicht werden muss. Die klassische Wohnanlage hat eine deutlich bessere Energiebilanz als das Einfamilienhaus. Viele Wohnungsbestände in Deutschland erfüllen bereits ungedämmt, unsaniert ansatzweise einen Energieeffizienzwert, die in zehn Jahren gefordert ist. 

 

Sie sind sehr lange in der Branche unterwegs – und Ihr Name tauchte in der Vergangenheit auch im Zusammenhang mit negativen Meldungen auf. Mieter klagten öffentlich über schlechte Zustände Ihrer Wohnimmobilien. Wie blicken Sie auf solche Vorwürfe?

Dehne: Als privater Vermieter gerät man eher in die Zielscheibe als beispielsweise ein börsennotiertes Unternehmen oder eine Genossenschaft. Wenn diese Themen aufgekommen sind, wurden sie von uns nachweislich offengelegt. Wir als eigentümergeführter mittelständischer Bestandshalter haben ein massives Interesse daran, dass unsere Immobilien in einem hervorragenden Zustand sind. Wenn das in neugekauften Einheiten, die zuvor möglicherweise im Leerstand waren, vom Vorbesitzer kaum noch gepflegt wurden, nicht der Fall sein sollte, gehen wir diese Probleme schnellstmöglich an.

Haben Sie in den vergangenen Jahren im Property Management also auch Erfahrungen gesammelt, um solche Vorwürfe gar nicht aufkommen zu lassen?

Dehne: Wir haben gelernt, wie wir Mieter intensiver einbinden können. Das gelingt uns sehr gut. Wenn wir diese Prozesse nicht managen würden und kein guter Vermieter wären, würden wir medial täglich auftauchen. Bei der Größe unseres Wohnungsbestandes wäre dies auf jeden Fall der Fall. Das passiert aber nicht. 


Über den Interviewten:

Birger Dehne ist seit mehr als 25 Jahren als Investor am deutschen Wohnimmobilienmarkt tätig. Über sein Single Family Office in Vaduz (Liechtenstein) steuert Dehne sein Vermögen und seine Immobilienbestände. Über die Capiterra Group ist Dehne auch als Neubau-Entwickler und -Investor aktiv.

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