Portfolio-Dekarbonisierung Philipp Finter von Metzler AM: „CO2-intensive Unternehmen sind Teil der Lösung“

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Philipp Finter von Metzler AM: „CO2-intensive Unternehmen sind Teil der Lösung“
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Philipp Finter (l.) und Sebastian Lechner von Metzler AM

Philipp Finter (l.) und Sebastian Lechner von Metzler AM: „Performanceunterschiede zwischen Portfolio und Ausgangsindex, hervorgerufen durch Abweichungen in der Sektor-Länder-Allokation, können schnell so bedeutend werden, dass sie in keinem gesunden Verhältnis mehr zum Beitrag der Einzeltitelselektion in aktiv verwalteten Aktienmandate stehen.“ Foto: Metzler AM

Mit mahnenden Worten hat UN-Generalsekretär António Guterres auf der 27. UN-Klimakonferenz (COP 27) an die angereisten Staats- und Regierungschefs appelliert. Man sei „auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC, der zwischenstaatliche UN-Ausschuss, der den aktuellen wissenschaftlichen Konsens zum Thema Klimawandel herstellt, teilt seine Besorgnis.

Um das 2015 in Paris gesteckte 1,5 Grad-Ziel noch zu erreichen, werden die kommenden Jahre entscheidend sein. Bis 2030 müssten die globalen Kohlendioxid (CO2)-Emissionen, die gut drei Viertel der weltweiten Treibhausgas (THG)-Emissionen ausmachen, gegenüber 2019 um 48  Prozent sinken, bis 2040 um 80 Prozent. Auch die Emissionen anderer Treibhausgase wie Methan müssten deutlich zurückgehen, andernfalls dürfte die Weltgemeinschaft das selbstgesteckte Ziel für die Begrenzung der Erderwärmung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreichen.

Über die Bepreisung von THG-Emissionen versuchen Staaten seit vielen Jahren den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu verringern. Dies geschieht direkt über Steuern oder indirekt über Auflagen und Grenzwerte oder über die Einführung von Systemen zum Emissionsrechtehandel. Inzwischen sieht die Politik den größten Hebel zur Bekämpfung der Erderwärmung in Klimataxonomien zur Konkretisierung von Umweltzielen und zur Klassifikation ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten.

Die Fondsindustrie wurde von der Politik dabei mit einer Schlüsselrolle bedacht. Denn neben Unternehmen verpflichtet die EU-Taxonomie auch Vermögensverwalter zur Transparenz: Investmentfonds, die in den Geltungsbereich der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) fallen, müssen ebenfalls Nachhaltigkeitskennzahlen berichten.

Während die EU-Regulierung also die Fondsindustrie als wichtigen Transmissionsfaktor zur Erreichung der Klimaziele nutzt, werden Investoren ihrerseits aktiv und organisieren sich in sogenannten. „Net-Zero-Initiativen“. Diese sehen die Verpflichtung vor, bis spätestens 2050 für das gesamte verwaltete Vermögen eine Netto-Null-Emissionsausrichtung zu erreichen. Damit orientiert man sich am 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimakommens, zu dessen Erreichung ab 2050 Netto-Null-THG-Emissionen notwendig sind.

 

 

 

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass der Markt für Fonds, die ein explizites Emissionsreduktionsziel gegenüber ihrem Vergleichsindex aufweisen, dynamisch wächst. Deren Volumen hat sich laut Morningstar Ende 2021 im Vergleich zum Vorjahr auf 408 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt, 80 Prozent davon entfallen auf europäische Fonds.

CO2-intensive Unternehmen befinden sich also in einer Sandwich-Position. Regulatorisch werden sie zu mehr Transparenz verpflichtet, von Seiten der Investoren droht der Entzug von Kapital. Dabei stellen die Klimaziele die Industrien vor eine Herkulesaufgabe. Bloomberg schätzt, dass allein die zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles nötige Energiewende Investitionen bis zu 173 Billionen Dollar erfordert. Das heißt, im Durchschnitt müssten sich die jährlichen Investitionen im Vergleich zum Status Quo verdoppeln.

CO2-Intensität am Beispiel des Index Euro Stoxx 50

Aus Investorensicht stellt sich die Frage, wie eine emissionsarme Anlagestrategie gestaltet werden sollte. Zunächst gilt es, den Emissionsausstoß von Unternehmen statistisch zu erfassen. Im Zuge dessen hat sich die sogenannte CO2-Intensität als Mess- und Vergleichsgröße etabliert. Die CO2-Intensität misst die direkten („Scope 1“) und indirekten („Scope 2“) THG-Emissionen in CO2-Äquivalenten im Verhältnis zum Umsatz. Weitere vor- oder nachgelagerte Emissionen in der Wertschöpfungskette des Unternehmens („Scope 3“) werden nicht berücksichtigt, da derzeit noch zu wenige Unternehmen detailliert darüber berichten.

Bei den Titeln der Standardindizes für Aktien, aber auch für Unternehmensanleihen, ist die CO2-Intensität sehr unregelmäßig verteilt. Im europäischen Blue-Chip-Index Euro Stoxx 50 ist beispielsweise allein ein Unternehmen für 20 Prozent der gesamten CO2-Intensität im Index verantwortlich: der französische Industriegaseproduzent Air Liquide.

Abbildung 1: Konzentration der CO2-Intensität im Euro Stoxx 50 Quellen: Metzler, STOXX, MSCI; Stand 31.08.2022

Die fünf Unternehmen mit der größten CO2-Intensität machen zusammen 74 Prozent der CO2-Intensität des Index aus. Auch für Indizes mit deutlich mehr Unternehmen zeigt sich, dass wenige Unternehmen für den Großteil der CO2-Intensität verantwortlich sind. So sind im breit diversifizierten Index MSCI Europe die fünf CO2-intensivsten Unternehmen für gut 30 Prozent aller Emissionen verantwortlich, 73 Prozent der Gesamtemissionen werden durch die 10 Prozent der CO2-intensivsten Unternehmen verursacht.