Einschätzung zur COP 27. „Blended Finance kann eine Win-Win-Situation schaffen“

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Einschätzung zur COP 27.
„Blended Finance kann eine Win-Win-Situation schaffen“
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Heiko Bailer von LBBW AM

Heiko Bailer von LBBW AM: „Die Transition hin zu einer klimaneutralen Ökonomie wird Gewinner und Verlierer produzieren. Es ist wichtig, frühzeitig diese Gewinner und Verlierer zu identifizieren und bei der Portfolioallokation entsprechend zu berücksichtigen.“ Foto: LBBW AM

Vom 6. bis 18. November findet die 27. COP (Conference of the Parties), die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) statt. Wenn  Politiker aus aller Welt im ägyptischen Sharm El Sheikh zusammenkommen, wird der Blickpunkt laut Heiko Bailer, Leiter ESG Investments & Research der LBBW Asset Management (LBBW AM), vor allem auf drei Themen liegen:

  • 1. Der 100-Milliarden-Dollar-Frage – also dem angestrebten jährlichen Investitionsbetrag des globalen Nordens in den globalen Süden, um die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen.
  • 2. Der Unterstützung regulatorischer Standards wie der des International Sustainability Standards Boards.
  • 3. Blended Finance. „Dies bietet ein interessantes Umfeld für Rendite suchende Investoren“, sagt Bailer. Seiner Einschätzung nach sollten Investoren bei der Portfolioausrichtung allerdings auf ein Trojanisches Pferd achten.

„So wichtig der Kampf gegen den Klimawandel auch ist – gesellschaftlich ist zu befürchten, dass Nachhaltigkeit zu einem Trojanischen Pferd für mehr Verteilungspolitik wird und dass es durch schuldenfinanzierte Subventionen zu einer fatalen Auswirkung auf Investitionsanreizen kommt“, sagt Bailer. Investoren seien gut beraten, darauf bei ihrer Portfolioausrichtung zu achten. „Die Transition hin zu einer klimaneutralen Ökonomie wird Gewinner und Verlierer produzieren. Es ist wichtig, frühzeitig diese Gewinner und Verlierer zu identifizieren und bei der Portfolioallokation entsprechend zu berücksichtigen.“

Zudem komme es darauf an, das steigende Angebot an klimabezogenen Daten des Portfolios zu nutzen – wie den implizierten Temperaturanstieg oder den Climate Value-at-Risk –  die Investoren helfen, potenzielle künftige Kosten im Zusammenhang mit dem Klimawandel einzuschätzen. Mit diesen Daten ließen sich Portfolios im Hinblick auf Risiken und Chancen optimieren, die sich im Zusammenhang mit dem Klima ergeben sowie Transitionsportfolios erstellen. „Intelligente Investoren werden die Profiteure der Transition sein“, betont Bailer. 

Politischen Rahmenbedingungen für Investments in den globalen Süden müssen verbessert werden

Eine Win-Win-Situation kann dabei nach Einschätzung Bailers der Ansatz Blended Finance schaffen – also der Einsatz öffentlicher Entwicklungsfinanzierung zur Aktivierung privater Kapitalflüsse in Schwellen- und Entwicklungsländer. Dieser Ansatz könne positive Effekte sowohl für die Kapitalanleger als auch für die geförderten Projekte erzielen. „Das Blended Finance Policy Framework braucht allerdings Unterstützung von internationalen regulatorischen Standards, um Kapitalflüsse in den globalen Süden zu unterstützen und das Vertrauen von Investoren zu gewinnen – den Rest macht die Markteffizienz“, erklärt Bailer.

 

 

 

Aus Gründen der Markteffizienz rät er Investoren trotz der Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit dazu, andere Faktoren derzeit nicht außer Acht zu lassen. „Märkte reagieren sehr sensitiv, wenn es um die Veränderungen der Erwartungen der Anleger im Hinblick auf neue Informationen geht. Das gilt für Klimarisiken genauso wie für andere existentielle Risiken wie zum Beispiel den Krieg, die Pandemie oder eine Rezession. Nicht der Grund ist wichtig, sondern dessen Auswirkungen auf den Cash-Flow und den Diskont-Faktor. Investoren, die das Thema Nachhaltigkeit als ein alleinstehendes Thema sehen, werden gerade eines Besseren belehrt“, berichtet Bailer.

An die Politik selbst richtet Bailer im Zusammenhang mit der COP27 einen Wunsch. „Leider sind wir noch weit entfernt von einer grünen Ordnungspolitik, bei der Investoren ihren Gewinn und gleichzeitig auch ihren Einsatz für Nachhaltigkeit maximieren können. Vor diesem Hintergrund wäre meine Erwartung, zumindest die politischen Rahmenbedingungen zu verbessern und damit das Risiko von Investitionen in den globalen Süden zu verringern“, sagt Bailer.

Zum Hintergrund: Seit dem Erdgipfel 1992 in Rio de Janeiro findet die COP (Conference of the Parties), die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN), jährlich statt. Sie soll effektiven Klimaschutz durch eine Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft gewährleisten. Daher kommen auf der UN-Klimakonferenz Regierungen und Unternehmen zusammen, um die globalen Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise zu beschleunigen. Vom 6. bis zum 18. November treffen sich die COP-Teilnehmer zum 27. Mal, in diesem Jahr in der ägyptischen Küstenstadt Sharm El-Sheikh. 

Grüne Ordnungspolitik versus ESG

Aus ökonomischer und ökologischer Sicht wäre grüne Ordnungspolitik der beste Weg, um das angestrebte 2-Grad-Ziel, also die Eindämmung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, zu erreichen. Davon ist Bernd Scherer, Investmentchef (Chief Investment Officer) der LBBW AM, überzeugt. Bis eine grüne Ordnungspolitik erreicht ist, beginnt Nachhaltigkeit allerdings erst dort, wo rationales Investieren aufhört.

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