Leiter Stiftungsmanagement der DZ Privatbank „Niemand muss Angst vor einem Schreiben der Aufsichtsbehörde haben“

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Leiter Stiftungsmanagement der DZ Privatbank
„Niemand muss Angst vor einem Schreiben der Aufsichtsbehörde haben“
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Chris Fojuth, Leiter Stiftungen, öffentliche Einrichtungen und NPOs für die Region Nord und Bayern, bei der DZ Privatbank.

Chris Fojuth, Leiter Stiftungen, öffentliche Einrichtungen und NPOs für die Region Nord und Bayern, bei der DZ Privatbank. Foto: DZ Privatbank

Was bedeutet für ein Stiftungsvermögen eigentlich Erfolg?

Fojuth: Das ist eine Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Grundsätzlich gilt für eine Stiftung immer die Maßgabe, dass der Stiftungszweck dauernd und nachhaltig erfüllt werden muss. So steht es auch im Bürgerlichen Gesetzbuch. Soweit die Theorie. In der Praxis funktioniert das nur, wenn die Leistungskraft des Stiftungsvermögens erhalten und auf der anderen Seite Erträge für den Stiftungszweck erwirtschaftet werden. Kurz gesagt: Erfolg für ein Stiftungsvermögen bedeutet in der Regel, ausreichende Mittel zu generieren, um den Stiftungszweck zu unterstützen, und gleichzeitig das Stiftungskapital über einen sehr langen Zeitraum zu erhalten.

Eine Aufgabe, die in den vergangenen Jahren nicht unbedingt einfacher geworden ist. Sie sind seit über zehn Jahren im Stiftungsmanagement tätig. Ist der Beratungsbedarf bei Stiftungen seitdem gestiegen?

Fojuth: Nachdem viele Stiftungen traditionell überwiegend im Renten- oder Einlagenbereich tätig waren, wurde der Stiftungssektor in der zurückliegenden Niedrig- und Negativzinsphase vor enorme Herausforderungen gestellt. Durch diese Entwicklung ist der Beratungsbedarf auch außerhalb der Kapitalanlage gestiegen und generell komplexer geworden. Daran hat sich auch nach der Zinswende nichts geändert. Im Markt wächst die Zahl der Stiftungen in Deutschland kontinuierlich und wir werden aufgrund der hohen Komplexität zunehmend bereits bei den ersten Schritten rund um eine Stiftungsgründung angefragt. Wir haben darauf entsprechend reagiert und bündeln alle Fragen in einem eigenen Kompetenzcenter mit Spezialisten rund um das Vermögensmanagement von Stiftungen.

Wie sieht denn die Ihre Kundenstruktur aus? 

Fojuth: Wir trennen zwischen echten Stiftungen und anderen Rechtsformen aus dem Non-Profit-Sektor – gemeinnützige GmbHs oder Vereine. Wir begleiten inzwischen mehr als 800 echte Stiftungen mit einem Vermögen von mehr als 2 Milliarden Euro. Dazu kommen dann weitere rund 700 Non-Profit Kunden mit ebenfalls rund 2 Milliarden Euro an Vermögenswerten. 

Sie haben eben die Zinswende angesprochen. Es ist nicht eindeutig, in welcher Phase des Zinserhöhungszyklus wir uns derzeit befinden. Ist ein Plateau erreicht oder stehen weitere Erhöhungen an? Eine Frage, die gerade viele Stiftungen umtreibt, weil sie bestimmt, wie sie sich jetzt an den Rentenmärkten positionieren.

Fojuth: Es ist aktuell schwer zu sagen, wie die Europäische Zentralbank ihre Zinspolitik langfristig fortsetzen wird. Hier sollten verschiedene Szenarien berücksichtigt werden. Die Bedürfnisse unserer Kunden sind dazu sehr individuell und das Ergebnis für die Kapitalanlage kann entsprechend der gewählten Anlagestrategie von Fall zu Fall unterschiedlich sein. In der Regel liegt die durchschnittliche Duration unserer Mandate im Bereich festverzinslicher Wertpapiere bei knapp vier Jahren. Es gibt aber auch Stiftungen, die eine längere Kapitalbindungsdauer wünschen, um sich die aktuellen Zinssätze langfristig zu sichern. Diesen Spagat gilt es im Dialog mit unseren Stiftungen und NPO Kunden stetig auszuloten. Natürlich spielt dabei die Anlagerichtlinie der Organisation eine wesentliche Rolle.

Viele Portfoliomanager haben ihre Duration erhöht, bevor die Zinswende an Fahrt aufnahm, um auf der Zinsseite ein bisschen mehr rauszuholen. Kommen jetzt Kunden auf Sie zu, die diese Altlasten nicht mehr im Portfolio haben wollen, weil sie inzwischen am Rentenmarkt viel mehr Rendite bekommen?

Fojuth: Auch diese Frage ist natürlich ein Teil der individuellen Beratung. Es gibt Stiftungen, die kein Problem damit haben, für diesen Schritt Kursverluste in Teilen zu realisieren. Und es gibt Stiftungen die davor zurückscheuen. Wenn sie eine bonitätssichere Anleihe haben, gehen sie davon aus, dass sie diese trotzdem mit 100 Prozent zurückgezahlt bekommen. Der Kursverlust ist also zunächst nur temporär und die entscheidende Frage ist: Wie gehe ich damit um? Will ich die aktuellen Zinsen nutzen und langfristig meine ordentlichen Erträge verbessern? Oder kann ich mit dem niedrigeren Kupon leben und wünsche mir, dass aus einem Kurs von zum Beispiel 90 wieder 100 werden und eine vollständige Rückzahlung erfolgt.

Sie sagten, Stiftungen haben Hemmnisse Kursverluste zu realisieren. Wieso?

Fojuth: Zunächst gilt es zu prüfen, ob es sich um eine bilanzierende Stiftung handelt, denn in der Regel haben nur diese Stiftungen überhaupt einen Spielraum. Grundsätzlich: Das vergangene Jahr war ein herausforderndes Jahr an den Kapitalmärkten – das wissen aber auch die Aufsichtsbehörden. Diese haben Stiftungen in der Vergangenheit sogar dazu angehalten, mehr Risiken einzugehen. Nun gibt es diverse Optionen, um Kursverluste zu bilanzieren. Die Umschichtungsrücklage ist beispielsweise eine Möglichkeit, mit der ich in einer Bilanz ausdrücken kann, dass ich einen Kursverlust realisiert habe, der mein Stiftungsvermögen jedoch nicht angreift. Kurz gesagt: Es muss eigentlich niemand vor einem Schreiben der Aufsichtsbehörde Angst haben. Dennoch gibt es gelegentlich Bedenken, manchmal auch aus politischer Motivation, die dazu führen, dass Stiftungen zögern, stille Lasten aufzulösen.

„Eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen werden wir mutmaßlich nicht sehen“

Wie weit wird sich die Allokation in Stiftungsportfolios in den kommenden Jahren wieder Richtung festverzinsliche Anlagen verschieben? Werden wir eine Rückkehr zu alten Verhältnissen erleben?

Fojuth: Viele glauben, Stiftungen haben in den vergangenen sieben bis acht Jahren lediglich als Antwort auf die Niedrigzinsphase ihre Sachwertquote erhöht, um ihre Ertragssituation zu verbessern. Das ist aber zu kurz gesprungen. Tatsächlich haben sich in dieser Zeit viele Stiftungen professionalisiert in der Kapitalanlage. Ein Beispiel: Wir haben eine Vielzahl von Stiftungen, die aktuell Covered-Call-Writing, also gedeckte Stillhaltergeschäfte betreiben, und dadurch im vergangenen Jahr rund 1 Prozent Zusatzertrag erwirtschaftet haben, der auch für den Stiftungszweck verwendet werden kann. Eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen werden wir daher mutmaßlich nicht sehen, nicht destotrotz sehen wir jetzt wieder eine höhere Gewichtung zugunsten von Anleihen in der Asset Allocation.

Und wenn wir auf die Aktienseite blicken? Es gibt viele Stiftungsmanager, die bemängeln, dass Aktien in der Asset Allocation nach wie vor untergewichtet sind.

Fojuth: Die Entwicklung, die wir in den letzten Jahren erlebt haben ist bemerkenswert. Vor 20 Jahren gab es noch ein Landesstiftungsgesetz, in dem die mündelsichere Geldanlage als Vorgabe stand. Und wenn Sie mich vor 15 Jahren nach der durchschnittlichen Aktienquote bei Stiftungen gefragt hätten, hätte ich die wohl auf 20 Prozent geschätzt. Heute gibt es Stiftungen mit einer Aktienquote von 100 Prozent. Ich bin selbst Vorstandsmitglied in einer Stiftung und wir machen uns im Gremium selbstverständlich Gedanken um die gestiegene Inflation. Deshalb ist die Aktienquote bei dieser Stiftung im liquiden Bereich bei weit über 50 Prozent, weil es sinnvoll ist und der Stifter dies explizit in der Satzung festgelegt hat. Vor dem Hintergrund der Leistungskraft einer Stiftung, muss ich mir in erster Linie Gedanken um den realen Kapitalerhalt machen – und das ist im Rentenbereich zumindest in der Eurozone nach wie vor schwierig. Deshalb gehören Aktien grundsätzlich in ein Stiftungsportfolio. Die genaue Größenordnung ist wiederum individuell und hängt von der Risikotragfähigkeit der Stiftung und – ganz wichtig – auch der Risikotragfähigkeit der Stiftungsorgane ab.