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Was bedeutet für ein Stiftungsvermögen eigentlich Erfolg?
Fojuth: Das ist eine Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Grundsätzlich gilt für eine Stiftung immer die Maßgabe, dass der Stiftungszweck dauernd und nachhaltig erfüllt werden muss. So steht es auch im Bürgerlichen Gesetzbuch. Soweit die Theorie. In der Praxis funktioniert das nur, wenn die Leistungskraft des Stiftungsvermögens erhalten und auf der anderen Seite Erträge für den Stiftungszweck erwirtschaftet werden. Kurz gesagt: Erfolg für ein Stiftungsvermögen bedeutet in der Regel, ausreichende Mittel zu generieren, um den Stiftungszweck zu unterstützen, und gleichzeitig das Stiftungskapital über einen sehr langen Zeitraum zu erhalten.
Eine Aufgabe, die in den vergangenen Jahren nicht unbedingt einfacher geworden ist. Sie sind seit über zehn Jahren im Stiftungsmanagement tätig. Ist der Beratungsbedarf bei Stiftungen seitdem gestiegen?
Fojuth: Nachdem viele Stiftungen traditionell überwiegend im Renten- oder Einlagenbereich tätig waren, wurde der Stiftungssektor in der zurückliegenden Niedrig- und Negativzinsphase vor enorme Herausforderungen gestellt. Durch diese Entwicklung ist der Beratungsbedarf auch außerhalb der Kapitalanlage gestiegen und generell komplexer geworden. Daran hat sich auch nach der Zinswende nichts geändert. Im Markt wächst die Zahl der Stiftungen in Deutschland kontinuierlich und wir werden aufgrund der hohen Komplexität zunehmend bereits bei den ersten Schritten rund um eine Stiftungsgründung angefragt. Wir haben darauf entsprechend reagiert und bündeln alle Fragen in einem eigenen Kompetenzcenter mit Spezialisten rund um das Vermögensmanagement von Stiftungen.
Wie sieht denn die Ihre Kundenstruktur aus?
Fojuth: Wir trennen zwischen echten Stiftungen und anderen Rechtsformen aus dem Non-Profit-Sektor – gemeinnützige GmbHs oder Vereine. Wir begleiten inzwischen mehr als 800 echte Stiftungen mit einem Vermögen von mehr als 2 Milliarden Euro. Dazu kommen dann weitere rund 700 Non-Profit Kunden mit ebenfalls rund 2 Milliarden Euro an Vermögenswerten.
Sie haben eben die Zinswende angesprochen. Es ist nicht eindeutig, in welcher Phase des Zinserhöhungszyklus wir uns derzeit befinden. Ist ein Plateau erreicht oder stehen weitere Erhöhungen an? Eine Frage, die gerade viele Stiftungen umtreibt, weil sie bestimmt, wie sie sich jetzt an den Rentenmärkten positionieren.
Fojuth: Es ist aktuell schwer zu sagen, wie die Europäische Zentralbank ihre Zinspolitik langfristig fortsetzen wird. Hier sollten verschiedene Szenarien berücksichtigt werden. Die Bedürfnisse unserer Kunden sind dazu sehr individuell und das Ergebnis für die Kapitalanlage kann entsprechend der gewählten Anlagestrategie von Fall zu Fall unterschiedlich sein. In der Regel liegt die durchschnittliche Duration unserer Mandate im Bereich festverzinslicher Wertpapiere bei knapp vier Jahren. Es gibt aber auch Stiftungen, die eine längere Kapitalbindungsdauer wünschen, um sich die aktuellen Zinssätze langfristig zu sichern. Diesen Spagat gilt es im Dialog mit unseren Stiftungen und NPO Kunden stetig auszuloten. Natürlich spielt dabei die Anlagerichtlinie der Organisation eine wesentliche Rolle.
Viele Portfoliomanager haben ihre Duration erhöht, bevor die Zinswende an Fahrt aufnahm, um auf der Zinsseite ein bisschen mehr rauszuholen. Kommen jetzt Kunden auf Sie zu, die diese Altlasten nicht mehr im Portfolio haben wollen, weil sie inzwischen am Rentenmarkt viel mehr Rendite bekommen?
Fojuth: Auch diese Frage ist natürlich ein Teil der individuellen Beratung. Es gibt Stiftungen, die kein Problem damit haben, für diesen Schritt Kursverluste in Teilen zu realisieren. Und es gibt Stiftungen die davor zurückscheuen. Wenn sie eine bonitätssichere Anleihe haben, gehen sie davon aus, dass sie diese trotzdem mit 100 Prozent zurückgezahlt bekommen. Der Kursverlust ist also zunächst nur temporär und die entscheidende Frage ist: Wie gehe ich damit um? Will ich die aktuellen Zinsen nutzen und langfristig meine ordentlichen Erträge verbessern? Oder kann ich mit dem niedrigeren Kupon leben und wünsche mir, dass aus einem Kurs von zum Beispiel 90 wieder 100 werden und eine vollständige Rückzahlung erfolgt.
Sie sagten, Stiftungen haben Hemmnisse Kursverluste zu realisieren. Wieso?
Fojuth: Zunächst gilt es zu prüfen, ob es sich um eine bilanzierende Stiftung handelt, denn in der Regel haben nur diese Stiftungen überhaupt einen Spielraum. Grundsätzlich: Das vergangene Jahr war ein herausforderndes Jahr an den Kapitalmärkten – das wissen aber auch die Aufsichtsbehörden. Diese haben Stiftungen in der Vergangenheit sogar dazu angehalten, mehr Risiken einzugehen. Nun gibt es diverse Optionen, um Kursverluste zu bilanzieren. Die Umschichtungsrücklage ist beispielsweise eine Möglichkeit, mit der ich in einer Bilanz ausdrücken kann, dass ich einen Kursverlust realisiert habe, der mein Stiftungsvermögen jedoch nicht angreift. Kurz gesagt: Es muss eigentlich niemand vor einem Schreiben der Aufsichtsbehörde Angst haben. Dennoch gibt es gelegentlich Bedenken, manchmal auch aus politischer Motivation, die dazu führen, dass Stiftungen zögern, stille Lasten aufzulösen.
„Eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen werden wir mutmaßlich nicht sehen“
Wie weit wird sich die Allokation in Stiftungsportfolios in den kommenden Jahren wieder Richtung festverzinsliche Anlagen verschieben? Werden wir eine Rückkehr zu alten Verhältnissen erleben?
Fojuth: Viele glauben, Stiftungen haben in den vergangenen sieben bis acht Jahren lediglich als Antwort auf die Niedrigzinsphase ihre Sachwertquote erhöht, um ihre Ertragssituation zu verbessern. Das ist aber zu kurz gesprungen. Tatsächlich haben sich in dieser Zeit viele Stiftungen professionalisiert in der Kapitalanlage. Ein Beispiel: Wir haben eine Vielzahl von Stiftungen, die aktuell Covered-Call-Writing, also gedeckte Stillhaltergeschäfte betreiben, und dadurch im vergangenen Jahr rund 1 Prozent Zusatzertrag erwirtschaftet haben, der auch für den Stiftungszweck verwendet werden kann. Eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen werden wir daher mutmaßlich nicht sehen, nicht destotrotz sehen wir jetzt wieder eine höhere Gewichtung zugunsten von Anleihen in der Asset Allocation.
Und wenn wir auf die Aktienseite blicken? Es gibt viele Stiftungsmanager, die bemängeln, dass Aktien in der Asset Allocation nach wie vor untergewichtet sind.
Fojuth: Die Entwicklung, die wir in den letzten Jahren erlebt haben ist bemerkenswert. Vor 20 Jahren gab es noch ein Landesstiftungsgesetz, in dem die mündelsichere Geldanlage als Vorgabe stand. Und wenn Sie mich vor 15 Jahren nach der durchschnittlichen Aktienquote bei Stiftungen gefragt hätten, hätte ich die wohl auf 20 Prozent geschätzt. Heute gibt es Stiftungen mit einer Aktienquote von 100 Prozent. Ich bin selbst Vorstandsmitglied in einer Stiftung und wir machen uns im Gremium selbstverständlich Gedanken um die gestiegene Inflation. Deshalb ist die Aktienquote bei dieser Stiftung im liquiden Bereich bei weit über 50 Prozent, weil es sinnvoll ist und der Stifter dies explizit in der Satzung festgelegt hat. Vor dem Hintergrund der Leistungskraft einer Stiftung, muss ich mir in erster Linie Gedanken um den realen Kapitalerhalt machen – und das ist im Rentenbereich zumindest in der Eurozone nach wie vor schwierig. Deshalb gehören Aktien grundsätzlich in ein Stiftungsportfolio. Die genaue Größenordnung ist wiederum individuell und hängt von der Risikotragfähigkeit der Stiftung und – ganz wichtig – auch der Risikotragfähigkeit der Stiftungsorgane ab.
„Für eine Ewigkeitsstiftung ist dieser Zeitraum fast ein Wimpernschlag“
Die Sachwertequote hat sich in Stiftungsportfolios erhöht, nicht nur weil die Aktienquote gestiegen ist, sondern auch weil die Bedeutung von Immobilien in der Kapitalanlage gewachsen ist. Was bedeutet die Lage am Immobilienmarkt für Stiftungen?
Fojuth: Neben der Ertragskomponente ist der große Vorteil einer Immobilie, dass sie nicht täglich bewertet wird. Sprich: Ich spüre gar nicht die Bewegungen der vergangenen 18 Monate. Für eine Ewigkeitsstiftung ist dieser Zeitraum fast ein Wimpernschlag. Für die meisten Stiftungen sind Immobilien eine langfristige Anlage. Die Ertragskomponente ist gut und hilft, den Stiftungszweck sicher zu verwirklichen. Ich kenne kaum eine Stiftung, die mit Immobilien Handel betreibt. Von daher ist es in der Regel so, dass Bewegungen in den Bewertungen gar nicht aufgedeckt werden. Im Gegenteil: Bilanziell wird die Immobilie oftmals abgeschrieben. Aber natürlich ist der Zugang zu dem Immobilienmarkt, gerade wenn wir von Direktinvestments sprechen, für viele Stiftungen schwieriger geworden. Insofern sind Stiftungen schon davon betroffen.
Das dürfte umso stärker auf kleinere Stiftungen zutreffen, die in Ihrer Kapitalanlage – beinahe zwangsläufig aufgrund ihres geringen Volumens – auf Stiftungsfonds zurückgreifen. Was halten Sie von solchen Produkten?
Fojuth: Stiftungsfonds sind insbesondere für kleinere Stiftungen von großer Bedeutung. Zur Einordnung: 25.000 Stiftungen gab es Ende 2022 in Deutschland, knapp zwei Drittel hatten ein Stiftungskapital von weniger als einer Million Euro. Wir sprechen also nicht immer über Vermögen von 15 oder 20 Millionen Euro. Für eine kleinere Stiftung bleibt dennoch die Maßgabe, Risiken zu diversifizieren. Es braucht eine schlanke Verwaltungsstruktur. Von daher ist für viele Stiftungen die Möglichkeit, in einen Stiftungsfonds zu investieren ein opportuner Gedanke.
Lassen Sie deshalb seit einigen Jahren für Ihre Fonds-ummantelten Vermögensverwaltungsstrategien einen Transparenzbericht im Rahmen des Transparenten Bullen erstellen?
Fojuth: Wir sind sehr glücklich, dass es den Transparenten Bullen gibt. Unsere Vermögensanlagen werden von Reportify Analytics als unabhängigen Prüfer dokumentiert und in einem Transparenzbericht verständlich erklärt. Als Vorstand einer Stiftung möchte ich aber noch tiefer einsteigen. Dann möchte ich zur Vorstandssitzung einen tagesaktuellen Report haben, wie das Stiftungsportfolio aufgestellt ist – Aktien- und Rentenquote, die Höhe anderer Anlagen. Das ist bei der Masse der Fonds in der Regel nicht im Detail möglich, aber gleichzeitig im engeren Sinne Aufgabe eines Vorstandes.
Und bei Ihren Produkten ist diese Transparenz gegeben?
Fojuth: Ja, wir bieten eine Fonds-ummantelte Vermögensverwaltung an. Hier können die Organe bei täglicher Transparenz über ein Vermögensportal Einblick in die Vermögensverwaltung nehmen, auch steuerbefreite Lösungen zählen zu unserem Leistungsangebot. Insbesondere Kunden, die den Buchungsaufwand reduzieren möchten, erhalten hier eine professionelle Vermögensverwaltung in einem schlanken Gewand. Selbstverständlich bieten wir auch individuelle Lösungen an, die wir passgenau an die Anlagerichtlinie einer Stiftungsorganisation anpassen können.
„Manchmal habe ich das Gefühl, dass das neue Recht noch nicht bei jedem Ansprechpartner angekommen ist“
Eben haben Sie schon einmal das Stichwort gegeben. Zum 1. Juli ist die Stiftungsrechtsreform in Deutschland in Kraft getreten: Wie hat sich Ihre tägliche Arbeit seitdem verändert?
Fojuth: Ich bin tatsächlich im Tagesgeschäft bundesweit unterwegs. Von daher bin ich grundsätzlich sehr dankbar, dass es keinen zerfledderten Teppich aus verschiedenen Landesstiftungsgesetzen in Deutschland mehr gibt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das neue Recht noch nicht bei jedem Ansprechpartner angekommen ist. Da hatten wir in den letzten Wochen manch herausforderndes Gespräch. Aber mir macht die bundeseinheitliche Regelung die Arbeit natürlich einfacher. Meine Hoffnung ist, dass wir auch in der Praxis jetzt so etwas wie bundesweite Präzedenzfälle ableiten können, auch für Fälle, die im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht ausformuliert sind.
Welches Zeugnis würden Sie der Reform nach einigen Monaten Erprobung in der Praxis ausstellen?
Fojuth: Es ist eine gute Reform. Ich hätte mir aber noch ein paar Punkte mehr gewünscht. Drei positive Aspekte: Wir haben endlich einen haftungsfreien Ermessensspielraum, der im Bürgerlichen Gesetzbuch steht, auf den sich ein Stiftungsorgan verlassen kann – Stichwort Business Judgement Rule. Wir haben das Thema Umschichtungsgewinne. Wenn eine Stiftung eine Aktie mit einem Kursgewinn verkauft, war es bis zum 30. Juni je nach Bundesland strittig, was ich mit diesem Gewinn machen kann. Eine Stiftung trennt Vermögen und Ertrag. In einigen Bundesländern war es zum Beispiel oftmals nicht möglich, diesen Kursgewinn für den Stiftungszweck einzusetzen. Da ist in der letzten Minute bei der Rechtsreform das Pendel in die meiner Meinung nach in eine richtige Richtung umgeschlagen, so dass dieser Kursgewinn jetzt entweder für das Vermögen oder für den Zweck vorgesehen werden kann. Das erhöht die Flexibilität. Letzter Punkt: Das sonstige Vermögen. Das Stiftungsvermögen ist jetzt so definiert, dass es den Block Ewigkeitsvermögen und das „Sonstige Vermögen“ gibt.
Warum ist das so wichtig?
Fojuth: Wir kennen seit 2013 die Verbrauchsstiftung in Deutschland. Im Bürgerlichen Gesetzbuch war nur geregelt: Erst nach mindestens zehn Jahren darf das Vermögen verbraucht sein. Das führte dazu, dass in den Gründungsgesprächen mit Aufsichtsbehörden die Vertreter nach einem Plan gefragt haben, wie das Vermögen verbraucht werden soll. Das gab das Gesetz im Grunde nicht her. Hier wurde die Flexibilität erhöht. Es gibt neben dem Grundstockvermögen auch das „sonstige Vermögen“. Ein Begriff, den wir vorher zumindest im Recht nicht kannten. Das Vermögen einer Verbrauchsstiftung besteht ausschließlich aus sonstigem Vermögen, das eben nicht dauerhaft und ungeschmälert erhalten bleiben muss.
Was hätten Sie sich noch gewünscht?
Fojuth: Die Debatte um die Stiftungsrechtsreform waberte schon seit zehn Jahren durch den Raum. Eine Idee war, dass ein Stiftungsgründer auch nach Gründung der Stiftung noch für einen gewissen Zeitraum Änderungen in der Satzung vornehmen darf. Jetzt sind nach Stiftungsgründung in der Regel keine fundamentalen Änderungen mehr möglich. Mehrfach gibt es Fälle wie diese: Ein Stiftungsgründer geht allein auf die Behörde zu, ohne steuerliche Rechtsberatung oder einen Stiftungsexperten, und stellt nach einem Jahr fest, dass er den eigentlich angedachten Stiftungszweck so gar nicht verfolgen kann, weil er das Steuerrecht nicht beachtet hat. Auch Vorstandstätigkeiten, Nachbesetzungen sind Themen, die sich erst in der Praxis ergeben.
Hier hätten Sie sich eine längere Übergangsfrist erhofft?
Fojuth: Im Gespräch waren einmal fünf Jahre, in denen fundamentale Änderungen in der Satzung noch möglich sind. Dazu ist es nicht gekommen. Manche Stifter kommen auf uns zu, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, also wenn die Stiftung existiert. Dann sind sie abhängig vom Sachbearbeiter bei der Aufsichtsbehörde, ob der ihren Argumenten folgt.
Über den Interviewten:
Chris Fojuth ist bei der DZ Privatbank Leiter Stiftungen, öffentliche Investoren und NPOs in der Region Nord und Bayern. Seit 2012 ist er für die Privatbank der Genossenschaftsgruppe tätig. Frühere berufliche Stationen waren die Bank J. Safra Sarasin und die Hypovereinsbank.