Bilanz-Check Die Stabilitätsanker der Quirin Privatbank im Corona-Jahr

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Gelungenes Kosten-Management

Es spricht für die Performance-Kultur bei Quirin, wenn es gelingt, variable Gehaltsbestandteile in wirtschaftlich mageren Jahren zu reduzieren.
Der weitere Verwaltungsaufwand ist ebenfalls deutlich von 19 Millionen Euro im Vorjahr um 6,8 Prozent auf 17,7 Millionen Euro gesunken. Dies ist auf das Umstellen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zurückzuführen, während der die Arbeit überwiegend ins Home Office verlagert wurde. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich zumindest ein Teil des Erlösrückgangs durch Kostenreduktion auffangen ließ. Die Ebitda-Marge von Quirin schätzen wir mit 11,13 im Branchenvergleich als gut ein.

Zusammenfassend halten wir fest, dass das Ausnahmejahr 2020 deutlich sichtbare Spuren im Zahlenwerk hinterlassen hat. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass der Fonds für allgemeine Bankrisiken im Jahr 2019 noch weitere 5 Millionen Euro erhielt, während im Jahr 2020 kein Geld dorthin floss. Wirtschaftlich schloss das Privatkundengeschäft das Jahr 2020 erfolgreich ab. Die Provisionserträge sanken mit einem Rückgang von 5 Prozent gegenüber 2019 unterproportional im Vergleich zum Gesamtinstitut. Zudem steigerte die Bank ihre Cost-Income-Ratio auf 75 Prozent.

Tochter Quirion als Akquisitionsmaschine

Die Kundenzahl stieg um 78 Prozent auf 25.700. Zwar sind diese Kunden mit einem durchschnittlichen Anlagevermögen von 23.000 Euro ökonomisch weniger attraktiv als die Kunden des Mutterhauses mit durchschnittlich 417.000 Euro.

Allerdings kann Quirion diese Kunden im digitalen Betreuungsmodell zu geringen Grenzkosten betreuen. Zudem bietet das Tochterunternehmen ein niederschwelliges Einstiegsprodukt an, mit dem sie Kundenkontakte durch Vermögenszuwachs in ihrem Lebenszyklus sowie durch späteres Umschichten von anderen Konten weiterentwickeln kann. Damit besteht bereits heute die Grundlage für künftiges Wachstum.

Das Jahr 2020 und auch der bisherige Verlauf des Jahres 2021 waren im gesamten deutschen Markt gekennzeichnet von einem Boom im Wertpapiergeschäft. Gründe dafür liegen einerseits im Wunsch nach sinnstiftendem Zeitvertreib während der Lockdown-Phasen, andererseits aber auch in der bei vielen Menschen gereiften Erkenntnis, dass im dauerhaften Nullzinsumfeld kein Weg an Aktienanlagen vorbeiführt.

Spitze des Eisbergs dieses Prozesses ist der Börsenpreis des Neo-Brokers Trade Republic in Höhe von 5,3 Milliarden US-Dollar im Frühjahr dieses Jahres. Von diesem Prozess konnte Quirin noch nicht vollumfänglich profitieren, während die Anleger aktuell offenbar eine positive weitere Geschäftsentwicklung erwarten, was im zeitweise auf über 3 Euro gestiegenen Aktienkurs der Quirin Privatbank zum Ausdruck kommt. Mit einem per Ende 2020 ermittelten KGV von 16,40 und einem KBV von 1,17 erscheint die Aktie attraktiv.

Das Kapitalmarktgeschäft – bestehend aus Diensten in den Bereichen Corporate Finance, Institutionelle Kundenkontakte und Kapitalmarktservice – litt unter den herausfordernden Konstellationen des Jahres. Dies zeigt sich in einer im Vergleich zum Vorjahr deutlich verschlechterten Cost-Income-Ratio von 61 Prozent (Vorjahr 42 Prozent).

Gute Wachstumschancen

Insgesamt ist die Quirin Privatbank mit ihrem Geschäftsmodell, der einzigartigen Value Proposition im deutschen Markt und ihrer Performance-Kultur gut aufgestellt, um vom absehbaren weiteren Wachstum des Wertpapiergeschäfts im deutschen Markt zu profitieren. Kurzfristige Prognosen der Marktentwicklung sind schwierig. In einem Szenario steigender Inflationsraten und daraufhin wieder steigender Zinsen kann es zu Rückschlägen der Bewertungsniveaus an den Kapitalmärkten kommen, mit entsprechenden Folgen für die Provisionsergebnisse.

Langfristig bietet sich jedoch die Chance auf weiteres Wachstum in diesem Bereich, angesichts der immer noch vorhandenen Wertpapierlücke in der Asset Allocation deutscher Privatanleger und der wichtiger werdenden privaten Vorsorge im Lichte absehbarer, demografiebedingter Finanzierungsprobleme im gesetzlichen Rentensystem.





Über die Autoren:
Stefanie Hehn-Ginsbach lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Corporate Finance & Kapitalmarkttheorie. Sie war von 2005 bis 2018 bei der Deutschen Bank tätig und bekleidete dort mehrere Führungspositionen im In- und Ausland. Zudem berät sie privatwirtschaftliche wie auch öffentliche Unternehmen bei finanzwirtschaftlichen Themen.

Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken, Fintechs und andere Finanzdienstleister bei Projekten der digitalen Transformation.



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