Die Bankenbranche im Allgemeinen und auch das heterogene Teilsegment der Privatbanken waren in den vergangenen Jahren – bereits vor dem Krieg in der Ukraine – in einem volatilen Marktumfeld tätig. Das ist herausfordernd. Unverändert haben Banken mit laufend hohen regulatorischen Anforderungen wie Verbraucher- und Datenschutz zu kämpfen. Deren Umsetzung ist für kleinere Institute mit großem operativem Aufwand und hohen Kosten verbunden.
Privatbanken: Neue Wettbewerber und Rückenwind
Die über viele Jahre niedrige und flache Zinsstrukturkurve hat es erschwert, Zinsüberschüsse zu generieren. Seit dem Jahr 2022 stellen steigende Zinsen die Branche plötzlich vor neue Herausforderungen. Das zeigen die Ereignisse rund um die Silicon Valley Bank und die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Nicht zuletzt muss die Branche auf neue Wettbewerber wie Fintechs reagieren, dazu verändern sich wegen Pandemie und Kundenerwartungen die Produkt- und Beratungsangebote sowie die Kundeninteraktion.
Gleichzeitig verspürte die Branche aber auch einigen Rückenwind. Die Kapitalmarktbewertungen erreichten trotz pandemiebedingter Volatilität vor dem Ukraine-Krieg Höchststände, was geschäftsmodellbedingt automatisch die Provisionserlöse erhöht. Zudem verstärkt sich seit einigen Jahren in der gesamten Bevölkerung – aber auch unter den wohlhabenderen Privatpersonen – das Interesse an Wertpapieranlagen. Das liegt nicht nur am Aufkommen von Neo-Brokern, sondern auch an der inzwischen verbreiteten Erkenntnis, dass vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der Inflation international gestreute Aktienanlagen zur Vermögenssicherung alternativlos sind. Die Wertpapierlücke gepaart mit dem rekordverdächtig hohen Geldvermögen privater Haushalte in Deutschland von über 7.500 Milliarden Euro versprechen Wachstumspotenziale.
Aufbauend auf unseren jährlichen Bilanz-Checks sowie einer Querschnittsanalyse im Jahr 2019 haben wir mittels Jahresabschlussdaten aus der Evaluerate-Datenbank von Creditreform insgesamt zehn deutsche Privatbanken hinsichtlich ihrer Performance und ihrer Erfolgstreiber über den Zeitraum von 2019 bis 2021 miteinander verglichen. Die Frage war: Lassen sich daraus und aus den untersuchten Geschäftsmodellen mögliche strategische Erfolgsfaktoren ableiten
und gibt es systematische Erklärungsansätze für die Geschäftsentwicklung?
Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den ausgewählten Instituten um eine heterogene Gruppe handelt: familiengeführte Banken wie Metzler, Berenberg, die Fürstlich Castell‘sche oder die Warburg-Gruppe, Teile von Finanzgruppen wie Fürst Fugger Privatbank, Bethmann Bank, Weberbank und Donner & Reuschel, mit Hauck Aufhäuser Lampe ein Institut im Besitz eines Finanzinvestors und ein börsennotiertes Institut wie die Quirin Privatbank.
Trotz aller Unterschiede: Die Eigenkapitalrendite als aus Eigentümersicht wichtigster betriebswirtschaftlicher Erfolgsindikator hat sich zwischen 2019 und 2021 insgesamt positiv entwickelt. Im Durchschnitt des Jahres 2021 beträgt sie über alle Institute hinweg 10,4 Prozent, nachdem es 4,4 Prozent im Jahr 2019 und 7,2 Prozent in 2020 waren. Die meisten der Institute haben sich im Laufe der drei Jahre verbessert, und nur ein einziges Institut – die M.M. Warburg & CO – weist in den ersten beiden Jahren eine negative Eigenkapitalrendite aus. Das ist auf den Sondereffekt der Cum-Ex-Nachwehen zurückzuführen. Allerdings wird der gute Durchschnitt stark beeinflusst von den herausragenden Zahlen von Berenberg. Eine Reihe von Instituten weist über den gesamten Zeitraum Werte aus, die unter 8 Prozent liegen. Diese Benchmark fußt auf der durchschnittlichen mehrjährigen Aktienmarkt-Performance.
Das Erlöswachstum als zentrales zentrales Performance-Maß
Als zweites zentrales Performance-Maß eignet sich das Erlöswachstum, berechnet als prozentuale Wachstumsrate der Summe aus Zins- und Provisionsüberschuss. Sie zeigt an, ob ein Institut seine Geschäftsbasis ausweiten oder wenigstens halten kann. Im langjährigen Durchschnitt – zumindest bei einer „normalen“ Inflationsrate – müssen Banken ein Erlöswachstum von mindestens 3 Prozent pro Jahr erwirtschaften, um inflationsbedingt steigende Personal- und Sachkosten decken zu können. Mit Werten von im Durchschnitt 7,3 Prozent in 2019, 2,6 Prozent in 2020 und 18,7 Prozent in 2021 erfüllt die Branche insgesamt diese Anforderung, kann die Geschäftsbasis im Lauf der Zeit gar ausweiten.
Gleichzeitig lässt sich erkennen, dass das Erlöswachstum sehr stark von der Entwicklung des Kapitalmarkts in den einzelnen Jahren abhängt. In den jährlichen Wachstumsraten spiegeln sich die guten Börsenjahre 2019 und 2021 und das schwächere Jahr 2020. Zwischen den einzelnen Banken gibt es zudem große Unterschiede. Der gute Durchschnittswert für das Jahr 2021 wird von einzelnen Ausreißern wie Quirin mit 54,3 Prozent oder der Fugger mit 29,3 Prozent getrieben.
Das Zusammenspiel zwischen Eigenkapitalrendite und Erlöswachstum
Einzelne Institute weisen gar ein geringes oder sogar negatives Erlöswachstum auf: Metzler, die Fürstlich Castell‘sche oder die Bethmann Bank. Im Idealfall gelingt es, sowohl Erlöse zu steigern als auch eine gute Eigenkapitalrendite zu erwirtschaften. Wer nur eine gute Eigenkapitalrendite erwirtschaftet, ohne Erlöse zu steigern, legt möglicherweise einen zu großen Fokus auf aktuelle Performance, vernachlässigt aber die zukünftige. Wer ein hohes Erlöswachstum bei geringer Eigenkapitalrendite erzielt, dem fehlt es möglicherweise an operativer Exzellenz.
Die Kombination beider Kennzahlen zeigt sich in der Grafik oben: Möglichst weit rechts oben in der Matrix sind Berenberg, Hauck Aufhäuser Lampe und Quirin – mit Ausnahme des Erlösrückgangs im Jahr 2020. Alle anderen Institute bewegen sich näher am Ursprung der Matrix. Ausnahmen sind Warburg mit in zwei Jahren negativer Eigenkapitalrendite und die Castell-Bank mit zwar positiver Eigenkapitalrendite, aber zweifach negativem Erlöswachstum.
Konsolidierung und Rolle der Filialen
Wegen der steigenden Einlagenzinsen und dem zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Abschwung dürfte auch der Wettbewerb um Einlagen härter werden. Damit rückt die Frage des Kostenmanagements im Allgemeinen und der Filialstruktur im Speziellen in den Fokus. Besonders das bisherige Filialkonzept von Universalbanken scheint in der Breite ausgedient zu haben. Viele klassische Geschäftsbanken haben bereits begonnen, ihre Filialstrategie neu auszurichten. Nach der Pandemie ist die Akzeptanz von digitalen Angeboten gestiegen, die Nutzung der Filialen in der Breite eher rückläufig. Darin könnten schnell erzielbare Einsparpotenziale schlummern. Wenn eine werthaltige Präsenz vor Ort intelligent mit effizienten Online-Aktivitäten verbunden wird, könnte das eine Antwort auf das Spannungsfeld zwischen Kostenreduktion, Kundenbindung und Ertragswachstum sein.
Interessant ist, dass zwei von den in der Grafik sich im oberen Quadranten befindlichen Instituten, die hinsichtlich Eigenkapitalrendite und Erlöswachstum outperformen, eine hohe Filialdichte haben. Teilweise haben sie diese in 2021 sogar noch ausgeweitet. So hatte Quirin mit 15 Standorten in Deutschland erstaunlicherweise eines der breitesten Filialnetze der betrachteten Banken. Am stärksten gewachsen ist Hauck Aufhäuser Lampe, die vor allem bedingt durch die Übernahme des Bankhauses Lampe ihre Präsenz in Deutschland in 2021 im Vergleich zum Vorjahr auf elf Standorte mehr als verdoppelte. Zudem ist das Filialnetz von Donner & Reuschel um zwei auf ebenfalls sechs Filialen gewachsen, während Warburg auf zehn und die Fugger-Bank auf sechs Standorten verharrten. Die Castell-Bank konsolidierte von sieben auf fünf Filialen.
Eine ausgeweitete Filialstrategie scheint nicht zwingend mit einer sinkenden Profitabilität einherzugehen. Denn trotz vergleichsweise umfangreicher Präsenz hat Quirin seine Cost Income Ratio von 2020 auf 2021 von 88,2 auf 75,3 Prozent deutlich drücken können. Die Fürst Fugger konnte sogar den bereits sehr guten Wert des Effizienzindikators aus 2020 von 67,2 auf ausgezeichnete 58,2 Prozent senken. Im Gegensatz dazu ging das ausgeweitete Filialnetz sowie die Integration des Bankhauses Lampe bei Hauck Aufhäuser Lampe mit einem Anstieg der Rate von 73,8 aus 2020 auf 78,8 Prozent in 2021 einher. Bei Donner & Reuschel stieg sie währenddessen von 85,0 auf 87,7 Prozent. Bei Warburg verharrte sie sogar trotz der Filial-Konsolidierung auf überdurchschnittlich hohem Niveau von 95,1 in 2020 und 95,4 Prozent in 2021. Erklärbar ist das durch eine schwache Erlös- im Vergleich zur Kostenentwicklung.
Insgesamt zeigt sich, dass die bei Erlösen und verwaltetem Vermögen expansiven Institute ihre Flächenpräsenz ausweiten (Quirin, Hauck Aufhäuser Lampe) oder konstant halten (Berenberg), während Institute unter Erlösdruck eher konsolidieren (Warburg, Castell-Bank). Von außen betrachtet bleibt unklar, was dabei die Ursache und was die Wirkung ist. Fakt ist: Alle Institute halten an physischen Standorten fest. Besonders für die eher anspruchsvolle Kundenklientel der deutschen Privatkunden scheint es geboten, wertstiftende, direkte Kundenkontakte beizubehalten.
In der Vergangenheit war das im Vergleich zu Universalbanken schwache Filialnetz ein strategischer Nachteil bei der flächendeckenden Kundenansprache. Mit digitalen und hybriden Betreuungsansätzen bietet sich für Privatbanken nun die Möglichkeit, stärker zu expandieren, ohne überall selbst Filialen eröffnen zu müssen.
Fokusfindung und Digitalhebel
So verzahnt etwa Quirin den Robo Advisor mit stationären Beratungsangeboten. Zukünftig könnten digitale Ökosysteme für deutsche Privatbanken ein Hebel sein, um die Kundenbindung zu verbessern und zusätzliche Provisionen zu generieren. Künstliche Intelligenz hat einen technologischen Reifegrad erreicht, der selbst die anfänglich belächelten Chatbots und intelligenten Sprachportale für Banken attraktiv macht, allerdings immer in Kombination mit dem persönlichen Kontakt. Zudem zahlen sich anscheinend fokussierte Geschäftsmodelle aus: Quirin setzt auf die Philosophie der Honorarberatung und bietet Vermögensverwaltungslösungen an, die auf passiven Anlageansätzen basieren. Sie werden nur wenig durch individuelle Marktmeinungen und Spezialwissen in engen Marktsegmenten ergänzt. Das Bankhaus Berenberg wiederum steht klar für das aktive Management von Aktienportfolios.
Über die Autoren:
Stefanie Hehn ist Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für
Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen und ist auf Corporate Finance und Kapitalmarkttheorie spezialisiert. Bis 2018 war sie für die Deutsche Bank tätig.
Gösta Jamin lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen als Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre. Zudem begleitet er als Berater Banken und Finanz-
dienstleister bei der digitalen Transformation.
Carsten Pohl ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen
und lehrt und forscht zu quantitativen Daten und SAP-S/4HANA-Anwendungen im Finanzwesen. Zuvor war er bei SAP, Schering und Bayer beschäftigt.