Der Abbau sicherer Anlagen Krisen kommen und gehen, Schulden bleiben und wachsen

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Steuererhöhungen sind politisch besonders problematisch: Höhere Ertragssteuern schaden den Leistungsträgern der Wirtschaft und sind in einer durch hohen globalen Steuerwettbewerb gekennzeichneten Ökonomie kaum noch durchsetzbar. Steigende Verbrauchssteuern und Abgaben hingegen belasten vor allem sozial Schwächere und sind daher bei breiten Wählergruppen unpopulär. Sie können sogar radikale und gewalttätige Proteste provozieren. Hierfür sind zahlreiche Beispiele dokumentiert, zum Beispiel seit 2018 die Bewegung der Gelbwesten in Frankreich.

Mit Ausnahme von Angela Merkel in Deutschland und David Cameron in Großbritannien ist es in den vergangenen Jahrzehnten keinem sparsamen Regierungschef in einem größeren entwickelten Industrieland gelungen, wiedergewählt zu werden. Und bei David Cameron war der Erfolg nur vorläufig: Die Frustration der Bürger über Austerität richtete sich vor allem gegen die EU und machte sich im Brexit-Referendum Luft. Er trat 2016 zurück und leitete damit eine Periode hoher Instabilität ein.

Abbildungen 2 und 3: Antizyklische Fiskalpolitik in Deutschland im Vergleich mit der Schulden-Expansion in den USA

Quelle: IMF Data-Mapper
Quelle: IMF Data-Mapper

Donald Trump hingegen gewann mit dem Versprechen von Steuersenkungen die Wahl zum US-Präsidenten in 2016. Seine Steuerreform von 2017 trieb zwar die Staatsverschuldung auf neue Rekordwerte, brachte aber auch vielen US-Bürgern spürbare Entlastungen waren deshalb bis Mitte 2020 trotz all der sonstigen Fehltritte sehr hoch. Ohne sein Missmanagement der Corona-Krise wäre er deshalb sehr wahrscheinlich sogar wiedergewählt worden.

Die Sparsamkeit der jeweiligen Bundesregierungen in Deutschland in Erholungsphasen hatte einen Preis. Diesen zahlten in den vergangenen Jahren vor allem die Zahler von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Noch 2005, im ersten Amtsjahr von Angela Merkel, lag die Abgabenquote (Steuer- und Sozialbeitragseinnahmen des Staates in Relation zum BIP) bei 38,8 Prozent, stieg dann aber bis 2019 auf 41,3 Prozent an.

Damit war sie vor Ausbruch der Corona-Krise fast auf dem Niveau der alten Höchststände aus den 90er Jahren. Dies ist insofern bemerkenswert, weil der Wirtschaftsaufschwung nach der Finanzkrise durchaus einen Spielraum für Entlastungen eröffnet hätte. Stattdessen wurden die Steuerbelastungen noch weiter erhöht, um Schulden abzubauen.

Abbildung 4: Abgabenquote in Deutschland 1992-2019

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Für die Politik außerhalb von Deutschland hingegen ist die Lehre aus der Zeit nach der Finanzkrise: Austerität führt nicht zu zufriedenen Bürgern. Im Gegenteil gilt: Mit jedweder Sparmaßnahme verärgert man entweder eine wichtige Interessengruppe oder riskiert Zukunftsfähigkeit. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass – von wenigen Ausnahmen wie Deutschland abgesehen – Staatsschulden in guten Zeiten kaum zurückgeführt werden, in schlechten Zeiten jedoch stark zunehmen.

Das Niedrigzinsen haben die Finanzierungskosten öffentlicher Schulden dramatisch gesenkt. Die globale Niedrigzinspolitik hat die Finanzierungskosten von Staatsschulden in den vergangenen zwanzig Jahren weltweit nach unten gedrückt.

Hiervon haben insbesondere die öffentlichen Finanzen in Deutschland profitiert, da hier gleichzeitig die Verschuldung begrenzt wurde: Lagen die jährlichen Zinszahlungen im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre noch bei etwa 300 Milliarden Euro jährlich, sind sie inzwischen auf rund 50 Milliarden Euro gefallen.

Abbildungen 5 und 6: Umlaufsrendite Deutschland und jährliche Zinszahlungen auf Staatsschulden (abs. Betrachtung) seit 1996

Quelle: Deutsche Bundesbank
Quelle:  Bundesministerium der Finanzen

Aufgrund der vielfach sehr langen Laufzeiten von Schuldinstrumenten schlägt sich der Senkungseffekt der niedrigen Kapitalmarktzinsen erst mit einer mehrjährigen Verzögerung in den Finanzierungskosten nieder, wenn hochverzinsliche Anleihen getilgt und durch niedrig-verzinsliche Wertpapiere ersetzt werden. Insofern muss damit gerechnet werden, dass sich Zinskosten für die staatlichen Haushalte in Deutschland weiter vermindern und sogar in einigen Jahren negativ werden: Der Bund kann dann mit der Schuldenaufnahme sogar Geld verdienen.