Gesetzesnovelle Eine nicht ganz harmlose Stiftungsreform

Seite 2 / 4

Der zweite Halbsatz zielt hingegen eher auf die Vermögenssphäre. In Paragraf 83c Absatz 1 BGB-neu wird die Pflicht zum ungeschmälerten Erhalt des Grundstockvermögens erstmals bundesrechtlich geregelt. Im Kommentar hierzu gibt es Klarstellungen und auch deutliche Neu-Interpretationen.

Die dickste Katze im Sack ist sicherlich die Erlaubnis zur Verwendung von Umschichtungsgewinnen zur Zweckerfüllung (2021, Bundesrepublik Deutschland Koalitionsentwurf Stiftungsrecht Neureglung / Kommentar S. 61ff), aber die Spannung ergibt sich meist erst mit einem genaueren Blick auf die Details.

Weiter heißt es nämlich: „Die Erhaltungspflicht nach Paragraf 83c Absatz 1 Satz 1 BGB-neu bezieht sich grundsätzlich auf das Grundstockvermögen als Ganzes, nicht auf die einzelnen Vermögensgegenstände, die das Grundstockvermögen bilden.“, und weiter: „Deshalb kann auch nicht einfach geregelt werden, dass das Grundstockvermögen zu seinem nominalen oder realen Wert zu erhalten ist. Hierbei ist schon fraglich was unter 'Wert' gemeint ist.“

Wer aber hier schon gehofft hatte, Negativwirkungen der prekären Zinssituation aushebeln zu können, wird enttäuscht. Denn das BGB macht nunmehr eindeutig klar, dass es einen untrennbaren Zusammenhang zwischen Grundstockvermögen und Zweckerfüllung gibt, und betont daabei einen neuen Begriff, den alle Stiftungsverantwortlichen künftig verinnerlichen müssen: den sogenannten „Gebrauchswert“ des Stiftungsvermögens. Ein neuer Begriff, der uns noch viel Freude machen dürfte.

Darüber hinaus gibt es aber auch erfreuliche, weil realitätsnahe Auslegungen, welche ein diversifiziertes Stiftungsvermögen und dessen marktübliche Handhabung (Asset Management) erlauben. So heisst es im Kommentar: „Bloße Schwankungen beim Marktwert solcher Vermögensgegenstände beeinflussen hingegen regelmäßig ihren Wert für die Stiftung nicht, solange diese Schwankungen beim Marktwert den Gebrauchswert für die Stiftung nicht beeinträchtigen.“ Einfacher formuliert: Kursschwankungen bei gleichbleibender Dividendenausschüttung sind nicht (mehr) zu beanstanden!

Dass dieser Satz so alleine nicht stehen bleiben darf, war den Verfassern der Gesetzgebungskommentare freilich klar. Deswegen fügten sie folgende Konkretisierung hinzu: „Eine Anlage von Grundstockvermögen, die hohe Wertzuwächse oder Erträge für die Stiftung verspricht, entspricht zwar dem Gebot, das Grundstockvermögen in seiner Ertragskraft zu erhalten. Wenn eine solche Anlage aber mit einem erheblichen Verlustrisiko verbunden ist, kann eine solche Anlageentscheidung gegen das Verbot verstoßen, Grundstockvermögen zu verbrauchen.“

Will heißen: Der Gebrauchswert, also die Funktion des Vermögens als Instrument zur Zweckverwirklichung darf durch das Wesen der Kapitalanlage-Instrumente (einzeln und in toto) zu keinem Zeitpunkt gefährdet werden. Das wiederum lässt die Haftungs-Warnsirenen aller Stiftungsvorstände und Vermögensverwalter sofort und sehr laut schrillen.

Für Vermögensverwalter wird es daher jetzt sicher eine noch größere Herausforderung werden, ein stets adäquates Risikomonitoring, im Dialog mit den Organen der Stiftung, in „regelmässige Übung“ zu bringen. Denn es ist durchaus denkbar, dass über den Anlagehorizont der Stiftung hinweg aus veränderten Rahmenbedingungen erhebliche Verlustrisiken eintreten.

Bei einer „eingetragenen Verbrauchsstiftung“ hingegen ist noch zusätzlich sicherzustellen, dass das Vermögen weder zu früh noch zu spät gänzlich verbraucht wird. Es muss die kontinuierliche Stiftungszweckerfüllung garantiert sein – und zwar getaktet über die gesamte Laufzeit der Verbrauchsstiftung ("e.VS.") hinweg.