Investmentchef Kontora Family Office „Zum Bauchgefühl gibt es harte Kriterien“

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Warum überhaupt die Überarbeitung?

Maurenbrecher: In den Anfangsjahren bestand das Family Office aus etwa fünfzehn Mitarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt wurden Investmentempfehlungen an einem Tisch getroffen. Alle Hauptentscheider hatten damals ohnehin die gleiche Investmentdenke, bestehend aus der Überzeugung Ineffizienzen auszunutzen und möglichst gering korrelierten Portfolios über viele Asset-­Klassen zusammenzustellen. Man benötigt dann keinen allzu formalen Prozess. Heute besteht unsere Mannschaft aber aus 55 Köpfen, und deswegen war vergangenes Jahr die Frage, wie man die Qualität des Investmentprozesses auch in einer größeren Einheit sicherstellt. Haben alle das gleiche Verständnis von Chancen und Risiken oder auch von Wachstum? Letzteres ist nach unserem Dafürhalten nicht per se ein Erfolgskriterium, sondern nur dann, wenn es Mehrwert über den zusätzlichen Kapitaleinsatz erwirtschaftet. Solche Auffassungen haben wir im Prozess institutionalisiert.

Wie läuft der Prozess ab?

Maurenbrecher: Wir prüfen über alle illiquiden Anlageklassen etwa 300 Investments jedes Jahr. Die liquiden Themen sind noch mal separat. Die erste Entscheidung ist dann anschauen oder nicht an­schauen. Die meisten Investmentprojekte fliegen da sofort raus. Dann gibt es die interessanteren. Das sind die besagten 300 Investments. Wir schauen uns erste Unterlagen an und sprechen mit dem As­set Manager. Es wird weiter geprüft und verdichtet. Letztlich schlagen wir unseren Mandanten nur etwa zwanzig Investments pro Jahr vor.

Wie schließt man im fortgeschrittenen Prozess Investments aus, mit denen man sich bereits angefreundet hat?

Maurenbrecher: Ein wichtiger Punkt. Ist ein Kollege von einer Investmentidee überzeugt, bringt er sie ins zehnköpfige Investmentkomitee ein. Jeder hat sich dann intensiv mit dem vorgeschlagenen Investment beschäftigt. Was dann folgt, ist ein sogenanntes Pre­Mortem – ganz nach Nobelpreisträger Daniel Kahnemann. Jeder stellt sich vor, was nach Ablauf des Investments in beispielsweise fünf Jahren schiefgegangen sein könnte, und schreibt das Szenario in drei Minuten auf. Warum ist es schiefgegangen, was hätten wir tun können? Diese zehn Zettel bekommt unser Kollege dann für die Due­Diligence­Prüfung mitgegeben und muss diese ad­ressieren. Nur wenn dies überzeugend gelingt, fliegt das Investment nicht raus.

Letztlich spielt bei Ihnen jedes für gut befundene Investment in eines von drei Segmenten der Gesamtallokation hinein. Das Rententhema sucht man da vergebens.

Maurenbrecher: Unser Allokationsmodell spiegelt unsere Auffassung der Investmentprofile und Korrelationen wider und ist letztlich schon Jahrhunderte alt. Man findet ein ähnliches Allokationsmodell bereits in der jüdischen Thora. Für uns sind unternehmerische Beteiligungen, also Aktien, Private Equity oder auch Direktbeteiligung, das gleiche Risiko, nämlich Cashflows von Unternehmen. Daher sehen wir all diese Anlagetypen in der Gesamtallokation als eine Anlageklasse. Die zweite Asset­-Klasse ist alles, was mit Immobilien zu tun hat: Projektentwicklungen, Bestandsimmobilien, Wohnen, Gewerbliches, Hotels. Die dritte Anlageklasse nennen wir Alternative Investments. Das umfasst alle Themen, die nichts mit Real­Estate­ oder Corporate­Themen zu tun haben. Dort finden sich dann auch Darlehen, also Schulden, neudeutsch Private Debt. In Krisenphasen helfen diese Investmentthemen, ein Portfolio zu diversifizieren, während die Real­Estate­ und Corporate­Themen in der letzten Fi­nanzkrise 2008 schon eng miteinander korrelierten. Ein Investment in eine Kakaoplantage hingegen hat mit einer Finanzkrise recht wenig zu tun. Natürlich gibt es keine verlässliche Nullkorrelation, aber sie fallen deutlich geringer aus und stabilisieren damit die Gesamtportfolios der Mandanten.



Über den Interviewten:
Patrick Maurenbrecher ist seit 2017 geschäftsführender Partner und Investmentchef des Kontora Family Office. Vor seinem Wechsel zu den Hamburgern im Jahr 2013 war er für die DZ­Bank­Tochter VR Corporate in der M&A­Beratung tätig.

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