Asset Management Wie Reimann Investors KI im Risikomanagement nutzt

Alexander Spreer von Reimann Investors Asset Management.

Alexander Spreer von Reimann Investors Asset Management. Foto: Reimann Investors

private banking magazin: Herr Spreer, Sie setzen für Ihre Investments am liquiden Kapitalmarkt Künstliche Intelligenz ein. Wie kam es dazu?

Alexander Spreer: Bei Reimann Investors konzentrieren wir uns im Wesentlichen auf zwei Bereiche. Das sind liquide Investments am Kapitalmarkt und direkte Beteiligungen an Unternehmen. Im Bereich der liquiden Kapitalanlage ist unser Investmentprozess stark systematisch-quantitativ ausgerichtet. Das setzen wir hauptsächlich mit ETFs und Einzeltiteln um. Jedes Mitglied unseres Teams hat nicht nur ein tiefes Verständnis für die Finanzmärkte, sondern auch fundierte Kenntnisse im Programmieren. Das hilft uns bei der Automatisierung wiederkehrender Prozesse und ermöglicht uns fortschrittliche KI-Modelle, wie Maschinelles Lernen oder Large Language Modelle (LLM), maßgeschneidert in unsere Prozesse einzubinden.

Zudem möchte ich auch unsere andere Einheit hervorheben, die auf Direktinvestitionen in SaaS-, Fintech- und Ecotech-Startups von der Series A bis zur Wachstumsphase spezialisiert ist. Auch in diesem Bereich ist tiefes KI-Wissen entscheidend, da der Einsatz von Künstlicher Intelligenz immer mehr der Regelfall und nicht die Ausnahme ist.

Wie darf man sich den Einsatz der KI vorstellen?

Spreer: Unser Anwendungsbereich für Künstliche Intelligenz ist breit und wächst stetig. Zuerst braucht man eine Idee oder ein Problem, das mit KI lösbar ist, sowie die erforderlichen Daten. Anschließend folgen die Phasen der Entwicklung, des Testens und schließlich des Einsatzes im Live-Betrieb. Aktuell testen wir, wie sich maschinelles Lernen für die gezielte Selektion von Aktien und taktische Overlay-Strategien integrieren lässt. Das bedeutet, wir programmieren und passen KI-Modelle an, um spezifische Anforderungen und Funktionen im Investmentprozess zu erfüllen.
Jüngst haben wir die Testphase für unsere selbst entwickelte „News Alert Engine“ abgeschlossen. Die Idee ist einfach: Wir wollen bei schlechten Nachrichten zu Aktien, in die wir investiert sind, eine automatisierte Benachrichtigung bekommen.

Wie funktioniert das?

Wir extrahieren automatisch die relevanten Aktien aus unseren Portfoliobeständen. Über eine Datenschnittstelle fragen wir alle zwei Stunden neue Nachrichten zu diesen Titeln ab. Die Nachrichten werden dann über eine Schnittstelle von Open AI, mittels GPT-4, mit einem Score bewertet. Bei Unterschreitung eines festgelegten Schwellenwerts erhalten wir den Namen der betroffenen Aktien als Hinweis – zum Beispiel auf unser Mobiltelefon. Unsere Aktieninvestments sind grundsätzlich langfristig orientiert. Bei Hinweisen prüfen wir die Nachrichten manuell und treffen dann je nach Situation Entscheidungen über das weitere Vorgehen.

 

Haben Sie mal ein Praxisbeispiel, wann Sie einen Hinweis bekommen haben? 

Spreer: Im Herbst dieses Jahres kam es bei einem Grafikkartenhersteller, in den wir investiert waren, zu Verdachtsmomenten bezüglich eines Verstoßes gegen das EU-Wettbewerbsrecht. Dieser Verdacht wurde durch einen Bericht einer internationalen Tageszeitung ausgelöst. In den nächsten Tagen beobachteten wir die Kursentwicklung des Unternehmens genau, entschieden uns aber letztendlich, den Titel im Portfolio zu behalten.

Die Anwendung hört sich einfach an, wie ist die technische Umsetzung dahinter?

Spreer: Mit fortgeschritten Programmier- und IT-Kenntnissen lässt sich der Prozess einfach umsetzen. Wir verwenden Python, eine sehr vielseitige und beliebte Programmiersprache, wobei diverse Open-Source-Bibliotheken die Umsetzung vereinfachen. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, ob der Code über einen virtuellen Server oder einen lokalen Rechner ausgeführt werden soll. Die Nutzung eines virtuellen Servers in einem Cloud-Service bietet Zugriff von überall, minimiert den Wartungsaufwand und lässt sich flexibel an Bedürfnisse anpassen. Trotz der robusten Sicherheitsmaßnahmen namhafter Cloud-Anbieter sollte sorgfältig abgewogen werden, ob sensible Daten in die Cloud übertragen werden. Alternativ kann auch ein lokaler Rechner mit der richtigen technischen Infrastruktur eine effektive Lösung sein.

Chat GPT ist ja mittlerweile sehr bekannt, viele in der Finanzbranche nutzen es bereits, wie wird die API bedient?

Spreer: Ähnlich wie bei einer Webapplikation können über die API entsprechende Daten übergeben und Einstellungen des LLM-Modells automatisch per Code gesteuert werden. Ein Beispiel für eine Einstellung ist die Rollendefinition: Das Modell soll sich wie ein konservativer Aktienanalyst verhalten, der Nachrichten mit einem numerischen Score bewertet. Eine weitere wichtige Einstellung der API ist die sogenannte „Temperature“, die stabilere Scores gewährleistet und es uns ermöglicht, die Auswirkungen verschiedener Modell-Versionen zu testen, die regelmäßig aktualisiert werden. Um künftig auch andere LLM-Modelle nutzen zu können, haben wir den Prozess modular gestaltet und evaluieren derzeit Metas „Llama 2“ sowie das Open-Source-Projekt „Fin GPT“.

Was gab den Ausschlag für den Einsatz?

Spreer: Im Asset Management wollen wir Prozesse digitalisieren und standardisieren, wo es sinnvoll ist. Als kleines, spezialisiertes Team fokussieren wir uns auf das Wesentliche, strukturieren und bewerten die tägliche Flut an Nachrichten und Daten am Kapitalmarkt. Daher war es ein logischer Schritt, einen Prozess zu implementieren, mit dem negative Nachrichten überwacht werden können. Ehrlich gesagt, macht uns das auch richtig Spaß.

Verringert der Einsatz den Researchaufwand?

Spreer: Ja, der Aufwand für das Monitoring unserer Aktien hat sich wesentlich verringert. Die kontinuierliche Überwachung negativer Nachrichten ergänzt nicht nur unser Risikomanagement durch messbare Daten, sondern eröffnet auch neue Analysemöglichkeiten, mit der wir unsere Prozesse stetig optimieren können.

Welche Bereiche im privaten Leben würden Sie gern an die KI outsourcen?

Spreer: In meiner Freizeit gehe ich bei thermischem Wind gern an einem bestimmten bayrischen See dem Wassersport nach. Da herkömmliche meteorologische Modelle keine spezifischen Prognosen für diesen See bieten, stellt dies eine ideale Gelegenheit für den Einsatz von KI zur Analyse der Windverhältnisse dar. Ich nehme an, dass die Genauigkeit der KI höher ist als meine eigene Einschätzung. Allerdings besteht, wie so oft, die Herausforderung darin, die notwendigen Daten zu beschaffen.


Über den Interviewten:

Alexander Spreer verantwortet zusammen mit Christian Finke die Reimann Investors Asset Management. Spreer ist diplomierter Bankbetriebswirt (FSFM) und seit mehr als 20 Jahren in der Finanzbranche tätig, davon mehr als 10 Jahre im Asset Management bei unabhängigen Vermögensverwaltern als Portfoliomanager.

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