Business Cases zu optimistisch kalkuliert
Banken ist dies bewusst. Ihre ambitionierten Wachstumsziele im Private Banking versuchen sie daher durch anorganisches Wachstum in Form von Übernahmen und das Anwerben von weiteren Senior-Kundenberatern zu erreichen. Die Erwartungshaltung ist, dass jeder neu eingestellte Kundenberater einen wesentlichen Teil seiner bisher betreuten Kunden vom alten Arbeitgeber zur neuen Bank transferiert.
In der Praxis besteht für eine Bank die Herausforderung zunächst darin, entsprechende Senior-Berater mit hochwertigem Kundenbuch zu finden und zu einem Wechsel zu motivieren. Soweit der Kundenberater keinen Veränderungsdruck hat, wird...
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Business Cases zu optimistisch kalkuliert
Banken ist dies bewusst. Ihre ambitionierten Wachstumsziele im Private Banking versuchen sie daher durch anorganisches Wachstum in Form von Übernahmen und das Anwerben von weiteren Senior-Kundenberatern zu erreichen. Die Erwartungshaltung ist, dass jeder neu eingestellte Kundenberater einen wesentlichen Teil seiner bisher betreuten Kunden vom alten Arbeitgeber zur neuen Bank transferiert.
In der Praxis besteht für eine Bank die Herausforderung zunächst darin, entsprechende Senior-Berater mit hochwertigem Kundenbuch zu finden und zu einem Wechsel zu motivieren. Soweit der Kundenberater keinen Veränderungsdruck hat, wird er aber kaum seinen Arbeitgeber wechseln. Ein höherer Lohn und Bonus sind nur in Ausnahmefällen das Motiv für einen Arbeitgeberwechsel. Dieser ist für einen Private-Banking-Berater mit einem Business Case verbunden, dessen Erfüllung ein Hochleistungssport ist, wie es Patrick Riske einst treffend in seinem Beitrag „Kundenbuch spielt die alle entscheidende Rolle” auf den Punkt brachte.
Selbst wenn die Anstellung eines neuen Kundenberaters erfolgreich war, zeigt sich leider häufig, dass der Business Case zu optimistisch kalkuliert wurde. Erfahrungsgemäß wechseln im optimalen Fall allenfalls 30 Prozent der Kunden mit einem Kundenberater zur neuen Bank. Ein Grund hierfür ist unter anderem das von zahlreichen Banken betriebene sogenannte Retention Management: Bis zum Ende der Kündigungsfrist bleibt der scheidende Kundenberater dabei weiterhin auf der Gehaltsliste der Bank, wird jedoch häufig freigestellt. In dieser Zeit, bis zum Antritt der neuen Stelle, ist er damit von seinen Kunden getrennt und darf diese nicht kontaktieren. Um diese Kunden kümmern sich dann seine Kollegen und versuchen sie an sich zu binden und zum Bleiben zu bewegen.
Ein weiterer Grund für den wirtschaftlichen Fehlschlag vieler Business Cases ist die Gewährung von Sonderkonditionen. Der neu eingestellte Berater versucht damit seine früheren Kunden zu einem Wechsel zum neuen Arbeitgeber zu animieren – häufig mit fatalen Folgen. Auf das ohnehin schon kleinere Kundenbuch beim neuen Arbeitgeber wird er wegen der gewährten Sonderkonditionen noch weniger Umsatz erzielen. Zur Veranschaulichung ein Beispiel:
Alter Arbeitgeber:
- Kundenbuch (Asset under Management) = 150 Millionen Euro
- Ertrag auf Kundenbuch (Return on Assets) = 80 Basispunkte
- Umsatz pro Jahr = 1,2 Millionen Euro
Neuer Arbeitgeber:
- Kundenbuch (AuM) = 50 Millionen Euro
- Ertrag auf Kundenbuch (RoA) = 60 Basispunkte
- Umsatz p.a. = 300.000 Euro
Setzt man nun die bei Privat- und Großbanken branchenüblichen Saläre für einen Kundenberater von mehr als 150.000 € jährlich zuzüglich Lohnneben- und Sachkosten in Relation zum jährlichen Ertrag des Kundenberaters, wird deutlich, dass viele Business Cases aus Sicht der Bank trotz neuer Kunden nicht den erhofften Sprung nach vorn bedeuten.
Marginalisierung des Private Banking
Ein weiterer Grund, was die Gewinnung neuer Kunden so schwierig macht, ist die Marginalisierung des Private Banking. Damit meine ich den Bedeutungsverlust des Private Banking aus Sicht des Kunden. Vermögende Kunden können sich heute in Echtzeit über aktuelle Börsenkurse informieren und in Sekundenschnelle über ihr Smartphone entsprechende Wertpapierorders platzieren. Auch stehen den Kunden heute außerhalb des Wertpapiersegments und abseits der herkömmlichen Angebote von Banken vielfältige Anlagemöglichkeiten für ihr Vermögen offen: Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Edelmetalle oder Kryptowährungen seien hier beispielhaft genannt.
Manch ein vermögender Kunde fragt sich daher, welchen Mehrwert ihm das Private Banking Angebot einer Bank überhaupt (noch) bietet.