Vergessene Nebenwerte „Die geringe Korrelation liegt in den Geschäftsmodellen“

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Die Gegenwart

Was ist in Zukunft von Nebenwerten zu erwarten? Ein Blick auf die aktuelle Bewertung bringt ein mögliches Risiko zum Vorschein: den Home Bias. Ganz natürlich ist der menschliche Fokus auf das, was man kennt. So diskutieren wir Deutschen meist über Dax, Bunds & Co. Einzelwertdiskussionen beschränken sich ebenfalls auf heimische Firmen. Wenn es dann mal über die Grenze geht, fallen oft nur die großen Unternehmensnamen wie Apple oder Nestlé.

Dieser zu enge Fokus kann recht kostspielig sein. So gab und gibt es immer wieder Phasen, in denen deutsche Titel trotz solider Geschäftsmodelle und starker Exportorientierung über die Gebühr hoch bewertet sind. Am aktuellen Rand liest es sich so, vereinfacht auf Basis eines Kurs-Gewinn-Verhältnisses:

Euro Stoxx Small (europäische Nebenwerte): 16,7x
Dax (deutsche Blue Chips): 14,1x
M-Dax (deutsche Mid Caps): 18,5x
S-Dax (deutsche Small Caps): 23,6x
Tex-Dax (deutsche Technologieaktien): knapp 30x

Was man direkt sieht: Deutsche Nebenwerte sind erheblich teurer sind als die europäischen Pendants. Allein die Rechtfertigung dieser Prämie über länderspezifische Ungleichheiten reicht nicht aus. Denkt man hier nur an italienische Nebenwerte, die im Rahmen der Sippenhaft trotz vielfach exzellentem Geschäftsmodell zu Unrecht abgestraft wurden. In den vergangenen Monaten setzten sie zu einer starken Erholung an.

Die Aufholjagd zu deutschen Titeln dürfte sich auch bei einem Blick auf andere europäische Nebenwerte weiter fortsetzen, sind die Aussichten für viele dieser Nischenunternehmen exzellent. Die Bewertungsabschläge sind einfach zu hoch, eine willkommene „Margin of Safety“.

Nebenwerte versus Blue Chips (seit Ausbruch der Finanzkrise)

 

Roger Ibbotson, Professor an der Yale School of Management, liefert den unumstößlichen historischen Beweis: Allein ein passives Investment in Nebenwerte (Index/ETF) hätte seit 1926 bis heute eine Mehrrendite pro Jahr von etwa 2 Prozent gegenüber Blue Chips erzielt. Angesichts des weiter bestehenden Anlagenotstandes sind jährlich 2 Prozent doch ein starkes Argument.

Auch seit dem Ausbruch der Finanzkrise sieht das Bild gut aus, siehe der Chart oben. Und für all diejenigen, die nicht so sehr mit dem Fokus-Investment oder Value Investing von Warren Buffett & Co. verheiratet sind, hier eine gute Nachricht: Nach einer klassischen Markowitz-Optimierung der Anlageklassen Blue Chips und Small Caps müsste jeder Anleger etwa 50 Prozent seiner Aktienquote in Nebenwerte investieren. Während Investoren ihr Portfoliorisiko minimieren, erhöhen sie gleichzeitig sogar ihre Ertragserwartung.



Über den Autor:
Marc Siebel ist Portfoliomanager und Gründer von Peacock Capital, einem bankenunabhängigen Asset Manager. Seine berufliche Karriere begann er 2000 im institutionellen Asset Management bei der damaligen West LB. Später wechselte er zum Bankhaus Lampe ins Asset Management und baute dort seine Spezialisierung auf europäische Nebenwerte aus.

Im Oktober 2012 gründete der 42-Jährige dann Peacock Capital. Siebel wurde in den vergangenen Jahren mehrfach im Rahmen des Thomson Reuters Extel Survey als einer der 30 besten Fondsmanager Europas ausgezeichnet.

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