Thomas Kallenbrunnen zu Immobilienportfolios „Unsichtbare Streuung ist beim hohen Preisniveau unverzichtbar”

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Investoren sollten ihre Analyse also vom Markt- hin zum Investment- und unternehmerischen Risiko verschieben. Noch ist der Branchenstandard aber ein anderer. Wie gehen Sie damit um?

Kallenbrunnen: Natürlich spielt der Branchenstandard, also die sichtbare Streuung, die in keinem Reporting fehlen darf, auch bei uns nach wie vor eine große Rolle bei der Strategiefindung. Welches Rendite-Risiko-Profil will ich für das Portfolio haben, welche regionalen und sektoralen Allokationen, welche strategischen Bandbreiten und welche taktische Positionierung. Das kann ich messen, das ist sichtbar.

Hinzu kommt aber eine zweite Ebene, die wir unsichtbare Diversifikation nennen, weil sie viel schwieriger zu messen ist. Das ist die Streuung über Vertrags- und Cashflow-Strukturen. Sie ist aber gerade bei dem aktuell recht hohen Preisniveau unverzichtbar.

Mit anderen Worten: Die Mietverträge sollten nicht alle zum selben Zeitpunkt auslaufen.

Kallenbrunnen: Genau. Investoren sollten auf eine sehr gute Verteilung der Mietvertragsausläufe auf der Zeitschiene achten. Außerdem ist bei der Auswahl unserer Investments die Kleinteiligkeit des Cashflows ein dominantes Entscheidungskriterium. Im besten Fall ist eine so große Zahl von Mietverträgen im Portfolio, dass es im Cashflow überhaupt keine Klumpenrisiken mehr gibt.

Das heißt, jeder einzelne Bestandteil macht deutlich weniger als ein Prozent des Portfolio-Cashflows aus. Wenn man das Investmentrisiko streuen will, ist das unserer Meinung nach das wichtigste Kriterium. Denn dann kann der Ausfall eines Cashflows nicht das Portfolio erschüttern und den Investor unter Druck setzen. Gute Investmententscheidungen werden schließlich nicht aus einer Position der Schwäche getroffen.

Wo hakt es bei den meisten Investoren?

Kallenbrunnen: Grundsätzlich ist die Umsetzung dieses Themas nicht sehr komplex. Das ist keine Frage von Intelligenz, sondern von einem hohen Maß an Disziplin und Konsequenz. Aber die Verlockungen sind groß und werden immer größer, je weiter wir im Marktzyklus kommen. Man sieht schon wieder Angebote à la 18-fach, Single-Tenant-Mietvertrag über zehn Jahre, irgendwo in der Peripherie. Mit 50 Prozent Fremdfinanzierung steht da unter dem Strich noch eine Ausschüttungs- rendite von 4,5 Prozent oder mehr. Klingt ja erst einmal toll. Man sollte aber trotz - dem lieber das Multi-Tenant-Büroportfolio nehmen. Das bringt etwas weniger Enthusiasmus, macht mehr Arbeit, steigert aber langfristig die Zufriedenheit.

 

Über den Interviewten:
Thomas Kallenbrunnen arbeitet seit April 2012 für die Helaba Invest, einen der größten institutionellen Asset Manager Deutschlands. Der 39-Jährige leitet den Bereich Immobilien & Alternative Investments und ist seit Oktober 2016 Generalbevollmächtigter des Unternehmens.

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