Risikoanalyse von Anleihen Die Zerlegung von Portfolios nach Risikoprämien

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Risikoaufschlag oder Risikoprämie

Die Risikoprämie bezeichnet die Mehrrendite eines beliebigen nicht-risikolosen Wertpapiers gegenüber der Rendite eines risikolosen Wertpapiers, beispielsweise der oben erwähnten deutschen Bundesanleihe. Diese Risikoprämie ist allerdings deutlich vielschichtiger als der risikolose Zinssatz, denn sie muss den Investor gleich für mehrere weitere Risiken kompensieren. Diese sind:

  1. Ausfallrisiko – Credit Spread
    Staaten und Unternehmen können in Zahlungsschwierigkeiten geraten und die Besicherung gedeckter Anleihen kann sich verschlechtern. Ein Investor möchte für das Risiko, dass vereinbarte Kupon- und Tilgungszahlungen nicht geleistet werden (Default-Risiko) mit einer Verlustprämie kompensiert werden, die wir als Credit-Spread bezeichnen. Die Prämienhöhe orientiert sich dabei an der Ausfallwahrscheinlichkeit (Default-Wahrscheinlichkeit) und damit an der Bonität (Rating) des Anleihe-Schuldners.
  1. Emissionsspezifische Risiken – Feature Spread
    Die Emissionsbedingungen einiger Wertpapiere enthalten Vertragsvereinbarungen, die für einen Investor vor- oder nachteilig sein können. So kann beispielsweise eine Anleihe mit einer Call-Option vom Emittent vorzeitig gekündigt werden, wenn für ihn die Marktbedingungen günstig und daher für den Anleihe-Investor ungünstig sind. Währungsanleihen wiederum beinhalten Wechselkursrisiken, strukturierte Anleihen sind oft mit einer Hebelwirkung ausgestattet. Auch diese Risiken müssen sich in dezidierten Risikoprämien der Anleihen widerspiegeln, die wir als Feature Spread bezeichnen.
  1. Liquiditätsrisiko – Liquiditäts-Spread
    Deutsche Bundesanleihen oder US-Treasury-Bonds sind in der Regel sehr gut handelbar, also sehr liquide. Alle anderen Anleihen und Kredite weisen aber mitunter eine deutlich höhere Komplexität und ein niedrigeres Emissionsvolumen aus oder werden an keinem organisierten Marktplatz gehandelt. Investoren können solche Wertpapiere und Kredite, falls überhaupt, oft nur mit größeren Abschlägen (Geld-Brief-Spannen) handeln, speziell in schwierigen Marktphasen. Investoren wollen für dieses Liquiditätsrisiko mit einer Liquiditätsprämie kompensiert werden.

Die Rendite eines beliebigen festverzinslichen Wertpapiers setzt sich nach unserer bisherigen Analyse aus folgenden Komponenten zusammen:

Rendite festverzinslicher Wertpapiere = Risikoloser Geldzinssatz + Laufzeitenprämie + Credit Spread + Feature Spread + Liquiditäts-Spread

Zerlegung in Risikoprämien

Im ersten Schritt unserer Analyse zerlegen wir die Renditen aller festverzinslichen Wertpapiere eines Kundenportfolios nach diesen eben definierten Komponenten. Dabei nehmen wir uns jede einzelne der traditionellen Sub-Anlageklassen nacheinander vor.

Generell können alle festverzinslichen Wertpapiere diese Risikoprämien enthalten und jede Anleihe (oder jeder Kredit) muss dahingehend auch einzeln untersucht werden. Wir wollen hier aber nur die wesentlichen und typischen Risikoprämien für die jeweilige Sub-Anlageklasse aufzeigen.

Staatsanleihen

Zunächst gilt es den risikolosen Zinssatz zu definieren. Für Investoren im Euroraum gelten deutsche Bundesanleihen in Bezug auf das Liquiditäts- und Ausfallrisiko als äußerst risikoarm. Die Rendite deutscher Bundesanleihen definieren wir daher als vermeintlich risikolosen Zinssatz, der sich aus einem Geldzinssatz und einer Laufzeitenprämie zusammensetzt.

Die Rendite von Staatsanleihen anderer Länder aus dem Euroraum setzt sich dann aus diesem risikolosen Zinssatz und dem Risiko-Spread zusammen. Letzterer enthält insbesondere den Credit-Spread für Staatsanleihen, den wir mit GOV-Credit-Spread abkürzen und der für das Ausfallrisiko der Anleihe des emittierenden Staates kompensieren soll.

Die Rendite einer sehr liquiden zehnjährigen französischen Staatsanleihe (Obligations assimilables du Trésor, kurz OAT) von 0,85 Prozent beispielsweise setzt sich gegenwärtig somit aus einem risikolosen Zinssatz von etwa 0,55 Prozent (Bund-Rendite) und einem Credit-Spread von zirka 0,30 Prozent zusammen.