Kommentar von Teodoro Cocca Leichtsinnige Kryptoparty

Teodoro Cocca: Der Banking-Professor von der Universität Linz ist ein Experte für das Wealth und Asset Management, vor allem in der Schweiz und Österreich.

Teodoro Cocca: Der Banking-Professor von der Universität Linz ist ein Experte für das Wealth und Asset Management, vor allem in der Schweiz und Österreich. Foto: Teodoro Cocca

Nach fast 10-jährigem Börsenaufschwung, einer inzwischen ziemlich dynamischen Konjunkturlage und der Aussicht auf eine Anpassung der Geldpolitik, stellt sich manch einer die Frage, ob das Ende der Börsenparty naht. Gemessen an klassischen Indikatoren erscheint etwa die Bewertung einiger Aktienmärkte langsam aber sicher angespannt. Auch die Anleihenmärkte bergen viel positive Stimmung.

Verglichen mit der Stimmung kurz vor dem Platzen der Internet-Blase 2001 ist die aktuelle Euphorie weniger offensichtlich. Dennoch mehren sich die Anzeichen, dass die Investoren ihre Risikoaversion zunehmend leichtsinnig abbauen. Gerade an den besonders riskanten Enden der Finanzmärkte kommt es zur Emission „aggressiver“ Produkte, welche zunehmend die Aufnahmebereitschaft der Märkte ausreizen.

So hatte jede vergangene Blase ihre Produktkategorie, welche zumindest im Nachhinein als Sinnbild für die Kopflosigkeit der damaligen Epoche galt. Angefangen bei den Tulpenknollen während der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert, den milliardenschweren Börsengängen kleinster verlustschreibender Internet-Firmen während der Internetblase oder den verschachtelten Collateralized Debt Obligations (CDO) während der US-Subprime-Krise.

Welches Wertpapier ist es diesmal?

Sollte sich im Rückblick die aktuelle Phase als riesige Blase entpuppen, wäre die Frage zu stellen, welche Wertpapiere am Markt zurzeit die extremste Form der kollektiven Risikonegation darstellen. Einige Beispiele würden es in eine Endausscheidung dafür schaffen:

Die in diesem Sommer emittierte skurrile 100-jährige Anleihe Argentiniens dürfte als Beispiel dafür dienen, dass Investoren in ihrer Verzweiflung angesichts der extrem niedrigen Zinsen nach allem greifen, was höhere Renditen auf dem Papier hat. Ähnlich dürfte manch einer die Rückkehr Griechenlands an den Kapitalmarkt bewerten.

Auch die Risikospreads im High-Yield-Sektor haben Tiefen erreicht, welche einer angemessenen Risikobewertung spotten. Die größte Chance auf den Gewinn dieses zweifelhaften Wettbewerbs hätte aber wohl ein anderer Sektor. Wohin man auch zurzeit kommt, mit welchen Bankern man auch zurzeit spricht, die heftigsten Kopfschüttler lassen sich immer dann beobachten, wenn die Diskussion auf das Thema der Kryptowährungen kommt.

Die enorme Zahl an ICOs (Initial Coin Offerings) erinnert in frappierender Weise an die vielen Internet-IPOs vor rund 20 Jahren. Heute wie damals lässt sich feststellen, dass Investoren in bestimmten Phasen in besonders hohem Masse bereit sind, einen hohen Preis für eine sehr ungewisse Zukunftsvision zu zahlen.

Zudem wird heute wie damals nicht eingepreist, dass sich nur wenige dieser Neulinge durchsetzen werden. Es reicht, dass der Firmenname gewandelt wird und neu das Wort „Blockchain“ enthält – schon springt der Kurs um mehrere 100 Prozent.

Es kann wohl nur der aktuellen Stimmung geschuldet sein, dass sich solche Produkte zurzeit an den Mann und die Frau bringen lassen. Neulich musste sogar der Emittent eines inzwischen handelbaren Bitcoin-Zertifikates in der Schweiz überrascht feststellen, dass „noch nie solch ein Interesse an einem Zertifikat gesehen wurde“.

Krypto-Währungen wie Bitcoin bringen es bereits auf ein durchaus systemrelevantes Volumen im dreistelligen Milliarden-Euro-Bereich. Der Hype rund um Kryptowährungen kann als ultimativer Stimmungsindikator betrachtet werden. Die Alarmglocken sollten schon ziemlich kräftig läuten.


Über den Autor:
Teodoro D. Cocca ist Professor für Wealth und Asset Management an der Johannes Kepler Universität in Linz sowie assozierter Professor am renommierten Swiss Finance Institute. Davor war er einige Jahre bei der Citibank im Investment und Private Banking tätig und forschte an der Stern School of Business in New York.

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