Der Weg geht weg vom reinen Produkt hin zu einem nachhaltigen Lösungsansatz?
Blanqué: Richtig. Diesen Weg müssen wir aus der Asset-Management-Industrie gehen. Natürlich verstehe ich Kunden, die sich aus Zeitgründen nicht mit einzelnen Bestandteilen ihres Portfolios auseinandersetzen wollen. Die wollen eine Bewertung des Gesamtportfolios. Das ist auch ihr gutes Recht. Daher muss es unsere Aufgabe sein, unsere Experten zu schulen und zu positionieren. Experten fürs Risikomanagement und die Asset-Allokation, die sich der Bewertung der Portfolios annehmen. Wir sind zu stark auf Produkte fokussiert. Dabei ist künftig nicht der Solist wichtig, sondern das gesamte Orchester.
Ist die Industrie auf einem guten Weg?
Blanqué: Ich denke schon. Wir etwa bezeichnen uns als Risikomanager. Wir sehen erst das Risiko und denken dann in Lösungen, und erst am Ende steht das Produkt. Nochmal als Beispiel das CO2 Thema. Ein zu hoher Ausstoß ist ein Risiko. Vielleicht ist es noch nicht richtig eingepreist, was im Übrigen für viele ESG-Kriterien, wie zum Beispiel auch Wasser, gilt. Dieses Risiko haben wir erkannt, wir haben Analysen durchgeführt und eliminieren Unternehmen mit einem zu hohen Ausstoß aus unserem Universum. Basierend auf diesen Analysen entwickeln wir unser ESG-Angebot und entsprechende Produkte stetig weiter. Investoren realisieren heute, dass es keinen Tradeoff zwischen philosophischen ESG-Zielen und finanziellen Aspekten gibt. Neben klassischen Ausschlusskriterien verfolgen heute viele Investoren einen Risikoansatz, der etwa Low Carbon als Investmentrisiko beurteilt.
Streichen wir mal das Wort Risiko. Wird grundsätzlich bewusster investiert?
Blanqué: Wir werden die philosophische Seite nicht beleuchten können. Aber dennoch: Wer heute langfristig investieren will, fällt eine bewusste Entscheidung – und er will Risiken minimieren. Mit anderen Worten: Langfristiges Investieren und ein nachhaltiger Erfolg brauchen mehr denn je einen soliden Prozess, gerade seitens des Risikomanagements.
Asset Manager arbeiten mit annualisierten Erträgen. Ist das der richtige Weg?
Blanqué: So haben wir es in der Schule gelernt. Wir extrapolieren aus der Vergangenheit, und selbst, wenn wir uns Gedanken über die Zukunft machen, fassen wir das in Zahlen. Aber das ist nicht der richtige Weg. Annualisierte Renditen sind irreführend. Was ist denn die Aufgabe eines Investmentmanagers? Ein Vermögen langfristig und nachhaltig zu erhalten. Das erfordert viel mehr Dynamik, als an Zahlen festzuhalten. Wichtig ist, mit Blick auf den effektiven Anlagehorizont die Ergebnisse zu erwirtschaften. Nehmen Sie einen Pensionsfonds: Hier besteht natürlich ein Unterschied zwischen der Kapitalbildungs und der Auszahlungsphase.
Ist auch mehr Dynamik gefragt im Zusammenspiel von vermeintlich riskanten Anlagen, wie Aktien, gegenüber Bonds?
Blanqué: Natürlich. Es muss alles neu gedacht werden. Zumal traditionelle Korrelationen kaum noch Aussagekraft haben. Sie müssen sich heute bewegen. Wenn Sie wie ich glauben, dass Zinsen für eine lange Zeit niedrig bleiben werden, brauchen Sie Alternativen. Sie brauchen die sogenannten Bond-Proxies, also Aktien, die einen rentenähnlichen Ertrag haben, und Sie brauchen Alternative Investments aus den Bereichen Infrastruktur oder Immobilien. Da sind wir wieder bei meinem Faktoransatz.
Können wir psychologisch werden? Was bedeutet es für Investoren, wenn sie in Anlagen getrieben werden, die sie nicht kennen oder in den vergangenen 30 Jahren nicht brauchten, um ihre Ziele zu erreichen?
Blanqué: Nun, zunächst einmal ist das ein Fehler. Man sollte nicht in etwas investieren, was man nicht kennt. Daher ist ein besseres Verständnis zwingend notwendig. Betreiben Sie Research, suchen Sie Analysen oder gehen Sie Partnerschaften ein mit Experten, die sich auskennen. Ich warne jedoch: Es ist schwierig und komplex, diese neue Welt zu verstehen. Sich auf unbekanntes Terrain vorzuwagen ist eine Notwendigkeit im aktuellen Niedrigzinsumfeld. Das illiquide Anlageuniversum bringt viele Diversifikationschancen, stellt Anleger aber auch vor große Herausforderungen, wie den Aufbau einer Wertschöpfungskette aus Kreditanalyse, Dokumentation, Strukturierung, Investment etcetera. Es ist ein großer Vorteil, wenn man wie wir im gesamten liquiden und illiquiden Spektrum aktiv ist, um Kunden die passenden Lösungen anbieten zu können.
Über den Interviewten:
Pascal Blanqué ist Investmentchef und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der französischen Fondsgesellschaft Amundi. Der Volkswirt und Finanzhistoriker ist zudem Autor zahlreicher Fachpublikationen und gilt als einer der profiliertesten Kapitalmarktexperten. Er studierte an der École Normale Supérieure und der Sciences Po in Paris und promovierte an der Université Paris-Dauphine.