Investmentchef von Amundi „Dann müssen die meisten Anlagen auf den Prüfstand“

Pascal Blanqué ist Investmentchef und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der französischen Fondsgesellschaft Amundi.

Pascal Blanqué ist Investmentchef und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der französischen Fondsgesellschaft Amundi.

private banking magazin: Sie zählen zu den weltweit größten Asset Managern. Vor welchen Herausforderungen stehen Investoren heute?

Pascal Blanqué: Wir befinden uns in ei­ner Zeitenwende. Kein Investor kann heute die Erträge der vergangenen Jahrzehnte extrapolieren und in die Zukunft fortschreiben. Dazu ein ganz einfaches Rechenbeispiel. Ein Portfolio aus jeweils 50 Prozent Renten und Aktien dürfte über die kommenden Jahre im Schnitt etwa nominell 4,5 Prozent Ertrag abwerfen, vor Kosten und Steuern. Die Renditequellen sind dabei: 2 Prozent Dividendenrendte, 5 Prozent Gewinnwachstum bei einem unveränderten KGV und 2 Prozent Endfäl­ligkeitsrendite auf der Bondseite. Das ist etwa die Hälfte dessen, was Investoren die vergangenen Jahre erwarten konnten. Aus diesem Umstand heraus ergeben sich Fra­gen und Aufgaben für Investoren und für uns als Asset Manager.

Neue Ertragsquellen einzuschätzen und die Risiken entsprechend zu bewerten.

Blanqué: Richtig. Wenn Sie so wollen, befinden wir uns in einer Evolution der Asset-Klassen und Risikoquellen. Ein Bei­spiel ist das Faktor Investing, bei dem Sie sich auf bestimmte Parameter festlegen. Dazu zählen eine niedrige Volatilität oder ein möglichst geringer Drawdown. Eine vergleichbare Entwicklung erkennen wir auch im Nachhaltigkeitssegment. Die Kri­terien für SRI sind sehr viel wichtiger ge­worden als noch vor einigen Jahren. Investoren selektieren ganz bewusst, etwa um Investments mit einem hohen CO2 Verbrauch auszuschließen. Sind das alles nur Gutmenschen, die an eine bessere Welt glauben? Nicht nur. Vielmehr wollen Anleger die Risiken, die Unternehmen mit einem hohen CO2 Ausstoß künftig haben könnten, von vornherein vermeiden.

Worauf führen Sie dieses Risikobewusstsein zurück?

Blanqué: Das ist zu einem großen Teil den Erfahrungen aus der Finanzkrise zu­ zuschreiben. Die Formel, ein Vermögen über Standard-­Asset-Klassen zu diversi­fizieren, hat nicht gegriffen. Fast alle As­set-Klassen haben gleichzeitig verloren. Was passiert zudem mit dem typischen Al­pha-­Universum, dem klassischen Aktions­feld von aktiven Fondsmanagern? Es wird herausgefordert. Herausgefordert durch faktorbasierte Anlagen und natürlich in großem Stil durch passive Investmentlö­sungen. Dieser Entwicklung müssen sich Anleger und Asset Manager stellen. Eine vergleichbare Herausforderung besteht in der Wahl zwischen liquiden und illiquiden Assets. Es gab Zeiten, da waren liquide Assets nicht mehr handelbar. Diese Zeiten können wiederkommen. Es gibt in einer so dynamischen Welt keine Kapitalmarktgesetzmäßigkeiten mehr. Sie sind ledig eine Unterstützung oder eine Anregung, denn das Risiko hat viele Gesichter. Neben dem klassischen Marktrisiko beispielsweise auch Kredit und Liquiditätsrisiken, aus de­nen sich auch Chancen ergeben können – aber auch Reputationsrisiken.

Welche Konsequenzen sollten Investoren aus diesen Erfahrungen ziehen?

Blanqué: Verstehen Sie mich nicht falsch. Diversifikation ist schon sehr sinnvoll und eine Pflicht. Die Frage ist nur, wie profes­sionelle Anleger konkret eine Diversifika­tion über das gesamte Anlageuniversum, also beispielsweise inklusive Investment Grade­gerateten Unternehmensanleihen, High Yield und illiquiden Assets aus dem Private­-Debt-Bereich hinbekommen. Dies ist vor allem wichtig, wenn die Zinsen für eine sehr lange Zeit niedrig blieben. Dann müssen nämlich die meisten Anlagen auf den Prüfstand gestellt werden. Das lernen wir gerade. Sind alle auf ein solches Sze­nario vorbereitet gewesen? Nein. Das war ein Fehler. Investoren und Asset Manager müssen heute die gesamte Klaviatur be­herrschen. Neben klassischen gelisteten Papieren also auch illiquide Real­-Assets wie Infrastruktur, Private Debt und Im­mobilien. Folglich sind auch die alten Si­lo-­Ansätze infrage zu stellen. Wir müssen vielmehr die Risiko­-Rendite­-Profile des gesamten Anlagespektrums abseits der traditionellen Grenzen, Asset-Klassen und der Unterscheidung zwischen liquide und illiquide neu erfassen.