Interview zur Wahl in Frankreich „Diese Wahl ist nicht einfach die Wiederholung von 2017“

Mabrouk Chetouane, Leiter der globalen Marktstrategie bei Natixis Investment Managers, und Frédéric Dujardin, Portfoliomanager bei Natixis Solutions

Mabrouk Chetouane, Leiter der globalen Marktstrategie bei Natixis Investment Managers, und Frédéric Dujardin, Portfoliomanager bei Natixis Solutions: „Die zunehmende Isolation der russischen Wirtschaft und ein zunehmend kritischer Blick auf China stellen die Weichen für einen neuen Kalten Krieg.“ Foto: Natixis Investment Managers

private banking magazin: Eigentlich heißt es doch, dass politische Börsen kurze Beine haben. Wie wird sich das französische Wahlergebnis auf die Kapitalmärkte auswirken?

Mabrouk Chetouane: Welche Auswirkungen die französische Präsidentschaftswahl auf die Kapitalmärkte haben wird, hängt natürlich sehr stark davon ab, wer die Stichwahl am 24. April gewinnt. Wird die rechtsextreme Partei gewählt, würden sich die Spreads der französischen Staatsanleihen gegenüber den Bundesanleihen vermutlich ausweiten, da Investoren wahrscheinlich anfangen würden, das Risiko direkter Konfrontationen und Streitigkeiten mit europäischen Institutionen einzupreisen. Die fehlende Sichtbarkeit infolge des politischen und wirtschaftlichen Programms würde sich ebenso auf die Aktienmärkte auswirken. Bleibt der amtierende Präsident an der Macht, würden die Aktienmärkte hingegen wahrscheinlich weiter steigen, da Macron die Fortführung der aktuellen strukturellen Reformen garantieren und weiter einen starken Euroraum unterstützen würde.


Das Rennen um die Präsidentschaft scheint einigermaßen offen zu sein. Wie kam es zu diesem Kopf-an-Kopf-Rennen, Herr Dujardin?

Frédéric Dujardin: Der Ausgang der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl entsprach den Erwartungen des Marktes. Wir beobachten zwei zentrale Entwicklungen: Erstens haben Emmanuel Macron und Marine Le Pen beide ihre Ergebnisse gegenüber der letzten Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren verbessert. Zweitens haben die etablierten Parteien mit dem Aufstreben extremer Parteien in der politischen Landschaft deutlich an Boden verloren. Emmanuel Macron gewann die Stichwahl 2017 mit 66 Prozent der Stimmen. Erste Umfragen zeigen jedoch, dass das Ergebnis dieses Mal wirklich knapper sein wird. Während die meisten unterlegenen Politiker dazu aufgerufen haben, für Emmanuel Macron zu stimmen, sagt der französische Präsident, dass noch nichts entschieden sei. Der Abstand zwischen den beiden Kandidaten im zweiten Wahlgang wird nach Umfragen von Ipsos und Sopra Steria auf sechs Prozentpunkte geschätzt.

Welche direkten Auswirkungen wird das Wahlergebnis auf Ihr Portfoliomanagement haben?

Chetouane: Vor der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl haben wir eine neutrale Haltung bei Aktien eingenommen und unsere Zurückhaltung im Kapitalmarkt, sowohl bei Investment Grade als auch bei High Yield, aufrechterhalten. Wird Marine Le Pen gewählt, müssen Vermögensverwalter ihre Portfolios vor unsicheren Entwicklungen schützen. Der Anleihenmarkt könnte deutlich reagieren, wenn internationale Anleger einen höheren Risikoaufschlag für französische Anleihen verlangen. In diesem Zusammenhang kann es für Portfolios hilfreich sein, das Engagement bei Safe-Haven-Vermögenswerten wie Bundesanleihen oder dem US-Dollar zu erhöhen.

Diese Wahl ist nicht einfach die Wiederholung von 2017, da damals dieses Ergebnis erwartet wurde.

Ist die Situation vergleichbar zu der Wahl von 2017? Auch damals hieß es Macron gegen Le Pen.

Dujardin: Diese Wahl ist nicht einfach die Wiederholung von 2017, da damals dieses Ergebnis erwartet wurde. Auch wenn der französische Spread gegenüber der deutschen Rendite in den Tagen vor dem ersten Wahldurchgang am 10. April 2022 leicht gestiegen ist, lag er doch unterhalb der Vergleichswerte von 2017. Im Vorfeld des zweiten Wahlgangs am kommenden Sonntag, also den 24. April, werden die OATs und damit die französischen Staatsanleihen jedoch wahrscheinlich weiter unter Druck stehen und der Spread gegenüber den deutschen Bundesanleihen dürfte sich ausweiten. Mit Blick auf die Zukunft bleibt abzuwarten, wie viel Gestaltungsspielraum – das heißt Fähigkeit zur Umsetzung politischer Programme – der künftige Präsident erlangen kann. Unabhängig vom Ausgang der Wahl ist auch das noch völlig offen.

Lässt sich mit Blick auf die einzelnen Branchen schon eine Aussage über Auswirkungen treffen?

Chetouane: Eine Regierung der extremen Rechten wäre wohl einem stärker autoritären Arbeitsstil zugeneigt. Eine Präsidentin des „Rassemblement National“ würde vermutlich alle verfügbaren Mittel nutzen, um die Kontrolle des Staats über strategische Branchen wie Bankwesen, Energie, Verkehr und Verteidigung zu erhöhen; das dürfte die Bewertung dieser Branchen belasten. Bei einer Wiederwahl von Emmanuel Macron würden hingegen Hightech-Branchen profitieren, die eine zentrale Rolle bei strukturellen Veränderungen wie Klima, Sicherheit, Grundlagenforschung und anderen spielen.