Commerzbank-Fondsselekteur im Gespräch „Morningstar-Sterne sind lange nicht alles“

Jan Krämer ist Leiter Anlageprodukte und verantwortet den Fondsauswahlprozess für die Vermögensverwaltung der Commerzbank

Jan Krämer ist Leiter Anlageprodukte und verantwortet den Fondsauswahlprozess für die Vermögensverwaltung der Commerzbank: „Wir wollen verstehen, ob eine Risikoprämie systematisch wiederholbar oder nur eine verschwindende Anomalie ist.”

private banking magazin: Herr Krämer, wenn Sie sich das perfekte Produkt für Ihre Vermögensverwaltung bauen könnten, wie würde es aussehen?

Jan Krämer: Diese Frage bekomme ich wirklich häufig gestellt, und ich muss immer wieder lachen. Denn das ist wie die Frage nach der Weltformel in der Physik, weil sie so allumfassend ist und viele offene Fragen beantworten würde. Nur: In der Physik versuchen sehr intelligente Menschen seit Jahrzehnten eine Art Weltformel zu finden und schaffen es nicht. Selbst wenn es irgendwann eine Weltformel in der Physik oder den Naturwissenschaften geben wird, wird es diese Antworten in der Ökonomie oder an den Finanzmärkten niemals geben.

Warum nicht?

Krämer: Weil Finanzmärkte einen wesentlichen Unterschied haben. Wir bedienen uns gerade in der Ökonometrie und der quantitativen Ökonomie zwar ähnlicher statistischer Methoden, haben aber zusätzlich den Preisausgleich. An Finanzmärkten sind also, anders als in der Naturwissenschaft, keine langfristigen und beständigen Laborversuche möglich. Wenn Opportunitäten erkannt werden und man sich dementsprechend positioniert, führt man über seine Position und den angestoßenen Preisausgleich diese Opportunität schon wieder zurück. Ein immer perfektes Produkt gibt es also nicht.

Welche Strategien braucht es in der Vermögensverwaltung stattdessen?

Krämer: Wir müssen uns anstrengen, in zeitlich begrenzter Form die richtigen Vehikel zu finden, um Opportunitäten nutzen zu können. Das machen wir mit Liquid Alternatives, die wir in sogenannte Baskets sortieren. Das sind Substrategien mit verschiedenen Schwerpunkten, die die große Asset Allocation aussteuern. Jede standardisierte Vermögensverwaltungslinie wird über ihr Risikoprofil gewissermaßen zu einem recht individuellen Multi-Asset-Mandat.

Wie finden Sie diese Substrategien?

Krämer: Wir haben uns angewöhnt, systematisch nachweisbare Risikoprämien zu bewirtschaften. Ein Stockpicker-Guru, der in der Vergangenheit fünf Morningstar-Sterne oder andere Bewertungen erreicht hat, macht es in der Regel anders. Aber Morningstar-Sterne sind lange nicht alles, auch in unserem normalen Fondsauswahlprozess. Spannender und sinnvoller ist doch, wenn wir verstehen, ob eine Risikoprämie systematisch wiederholbar oder nur eine verschwindende Anomalie ist. Denn am Ende ist mir die gezielte Steuerung eines Risikoprofils wichtig, das wir im Vorhinein ja mit den Kunden verabredet haben. Und daran ist auch die Asset Allocation geknüpft, die sich dann teilweise nur mit maßgeschneiderten Liquid Alternatives steuern lässt.