Analyse von HQ Trust In welchen Ländern eine längere Laufzeit noch höhere Zinsen bringt

Je länger die Anlagedauer, desto höher die Zinssätze: Diese Grundregel gilt eigentlich bei verzinslichen Geldanlagen. Dadurch wird der Investor für die längere Kapitalbindung sowie das höhere Inflations- und Zinsänderungsrisiko entschädigt. Aktuell ist dies allerdings nur in den wenigsten Ländern der Fall und selbst in der Eurozone gibt es dabei deutliche Unterschiede, so Sebastian Dörr, Kapitalmarktanalyst bei HQ Trust.

Für seine Untersuchung hat Dörr eine Auswahl aus 35 Industrie- und Schwellenländer getroffen und hier den aktuellen Abstand zwischen den 10-Jahres- und den 1-Jahres-Zinsen berechnet. Eine positive Differenz, also eine steigende Zinskurve, galt hierbei über viele Jahre als Normalfall. Liegen die langfristigen Zinsen dagegen unter den kurzfristigen, spricht man von einer inversen oder invertierten Zinskurve. Überraschende Erkenntnis: Der Grundsatz, dass langlaufende Staatsanleihen mehr Zinsen bringen als kurzlaufende, gilt aktuell nur für 13 der untersuchten 35 Länder.

Hier ist die grafische Übersicht der Ergebnisse:

© HQ Trust

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Dörrs weitere Erkenntnisse im Überblick:

  • Der Großteil der Länder weist aktuell eine inverse Zinsstrukturkurve auf. Dazu zählen Deutschland, die USA und Neuseeland, aber auch Taiwan und Hongkong.
  • Trotz einer einheitlichen Zentralbank, der EZB, sind die Unterschiede zwischen den Ländern innerhalb der Eurozone beachtlich.
  • Während in den Niederlanden oder Deutschland die Kurzläufer rund einen Prozentpunkt mehr Rendite bringen, liegen in Italien die Langläufer rund 0,5 Prozentpunkte über den einjährigen Anleihen.
  • Die Gründe hierfür liegen insbesondere in der höheren Verschuldung sowie einer weniger stabilen Haushaltssituation Italiens. Die höhere Rendite ist daher angesichts der Unsicherheit als eine Art ‚Risikozuschlag‘ anzusehen.

Aktuelle Invertierung nicht unbedingt eine Überraschung

Vergangenen Rezessionen sei zwar häufig eine inversive Zinsstrukturkurve vorausgegangen. In der aktuellen Situation muss dies aber nicht der Fall sein, so der Analyst:

  • Grundsätzlich können sich niedrigere Zinsen ‚am langen Ende‘ am Kapitalmarkt entwickeln, wenn in der Zukunft mit sinkenden Zinssätzen gerechnet wird. Eine inverse Zinsstrukturkurve spiegelt daher oft die Befürchtung einer zukünftig schwächeren Wirtschaft wider.
  • Wenn Investoren erwarten, dass die Wirtschaft in der Zukunft schlechter performt als in der Gegenwart, suchen sie verstärkt nach langfristigen Anleihen, was die 10-jährigen Zinsen senkt.
  • Die umfangreichen Zinsanstiege der vergangenen Monate wurden angesichts außerordentlich hoher Inflationsraten beschlossen. Zukünftige Zinssenkungen wurden bereits kommuniziert, wobei der genaue Zeitpunkt noch unbekannt ist. Folglich ist die aktuelle Invertierung der Zinsstrukturkurve nicht unbedingt eine Überraschung.

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