Für Anlageberater und Vermögensverwalter Wo bei der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage Haftungsrisiken drohen

Jochen Eichhorn Barckhaus Rechtsanwälte

Jochen Eichhorn, Gründungspartner von Barckhaus Rechtsanwälte, beschreibt, wo bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen Haftungsgefahren für Anlageberater und Vermögensverwalter drohen. Foto: Barckhaus Rechtsanwälte

Bekanntlich kommt der sogenannten Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Beratung von Kunden zu Kapitalanlagen mittlerweile eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Seit dem 2. August 2022 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor einer Anlageberatung oder Portfolioverwaltung die Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden im Rahmen der Geeignetheitsprüfung erfragen und bei der Erbringung der jeweiligen Finanzdienstleistung auch beachten.

Es ist diesen Unternehmen dringend zu empfehlen, diese aufsichtsrechtliche Vorgabe einzuhalten, um Probleme im Rahmen der WpHG-Prüfung zu vermeiden. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verstoß gegen diese Vorgaben zivilrechtliche Haftungsansprüche des Kunden auslösen könnte. Man mag sich in diesem Zusammenhang an die Rechtsprechung zur Aufklärung über Zuwendungen erinnern. Damals haben Kunden im großen Umfang die Rückabwicklung von Wertpapiergeschäften erwirken können, wenn sie nicht richtig über Zuwendungen aufgeklärt worden waren.

Zwar haben sich in der Zwischenzeit zahlreiche Verbraucherschutzanwälte von den Finanzdienstleistungsbranche abgewendet und sich mit „Dieselgate“- Fällen beschäftigt. Es muss allerdings befürchtet werden, dass sie wieder zurückkommen, wenn sie Ansatzpunkte für eine Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sehen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn bei den Kunden Kursverluste eingetreten sind, die durch eine Rückabwicklung ausgeglichen werden können.

Aufsichtsrechtliche Pflicht zur Erfragung der Nachhaltigkeitspräferenzen

Es besteht nunmehr die aufsichtsrechtliche Pflicht der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die (potenziellen) Kunden über ihre Kundeberater zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen und diese dann bei der Erbringung der jeweiligen Wertpapierdienstleistung auch zu berücksichtigten. Die Nachhaltigkeitspräferenzen ergänzen somit die bislang zu berücksichtigenden Punkte, nämlich die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, seine Risikobereitschaft, seine Verlusttragfähigkeit und seine Anlagedauer. Abgefragt werden muss folgendes:

  • Welcher Mindestanteil soll in ein ökologisches Investment gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung investiert werden?
  • Welcher Mindestanteil soll in eine nachhaltige Investition nach der EU-Offenlegungsverordnung investiert werden?
  • Welche nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (sog. Principal Adverse Impacts, PAI) sollen berücksichtigt werden?

Unterlässt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese Abfrage, verstößt es gegen das Aufsichtsrecht. Dies allein führt nicht unbedingt zu einer zivilrechtlichen Haftung. Grundsätzlich gilt weiterhin, dass Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorgaben des WpHG nicht ohne Weiteres zivilrechtliche Haftungsansprüche begründen. Allerdings hatte das oberste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof (BGH), schon bei Verstößen gegen die früheren aufsichtsrechtlichen Wohlverhaltenspflichten der §§ 63 ff. WpHG einen zivilrechtlichen Anspruch anerkannt, wenn hinsichtlich die jeweilige aufsichtsrechtliche Vorgabe „als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsprinzips“ gesehen werden konnte. Dies wurde damit begründet, der Kunde könne dann davon ausgehen, dass der Vertragspartner (hier das Wertpapierdienstleistungsunternehmen) die tragenden Grundprinzipien des Aufsichtsrechts beachtet.

 

Hier wird sich deshalb die Frage stellen, ob die Erfragung der Nachhaltigkeitspräferenzen als ein solches allgemeines Rechtsprinzip angesehen werden kann. Dies mag derzeit noch nicht der Fall sein. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass der BGH ein solches allgemeines Rechtsprinzip zukünftig auch hier annehmen wird – insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Nachhaltigkeit. Um Probleme mit der Aufsicht zu vermeiden und um Haftungsansprüchen aus dem Wege zu gehen, sollte man den Kunden deshalb unbedingt nach seinen Nachhaltigkeitspräferenzen fragen.