Gespräch mit Mohamed El-Erian „Investoren sollten jede einzelne Position ihres Portfolios prüfen“

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Wie sind Sie im Kreditmarkt engagiert?

El-Erian: Ich bin bestrebt, mehr Geld in strukturierte oder notleidende Kredite umzuschichten. Ich bin in ein paar Startups investiert und nutze Opportunitäten, um direkt in der Realwirtschaft engagiert zu sein. Auch wenn ich mein Geld global anlege, ist das Gros meines Vermögens im amerikanischen Kapitalmarkt investiert. Verglichen mit den anderen Regionen der Welt sind die USA in dieser Phase des Zyklus die sicherere Wette.

Nach all den Jahren, in denen Sie für das Vermögen Dritter verantwortlich waren, und angesichts des anspruchsvollen Marktumfeldes: Fühlen Sie eine gewisse Erleichterung, dass Sie nur noch für Ihr eigenes Vermögen Verantwortung übernehmen müssen?

El-Erian: Ja, sicher. Ich habe das Privileg, dass ich keinen Kunden habe, der von mir eine Rendite von vier bis fünf Prozent erwartet. Ich kann mit den institutionellen Investoren mitfühlen. In diesem Marktumfeld Investitionsentscheidungen zu treffen, ist eine sehr, sehr schwierige Aufgabe. Große Unternehmen fahren nur auf Sicht und geben keine Gewinnprognosen mehr ab. Zahlreiche Unternehmen haben sich vorsorglich noch schnell mehr Geld gesichert, indem sie teilweise mehr Anleihen ausgegeben haben. Und das, während sich die Ertragssituation verschlechtert und die Bonitätsherabstufungen durch Rating-Agenturen einer Lawine gleicht.

Was bedeutet das für Investoren?

El-Erian: Investoren müssen mit einer stark verringerten Sichtweite umgehen. Ihr Reiseziel steht nicht mehr fest. Es bestimmt sich abhängig von Dauer und Art ihrer Reise. Zusammengefasst resultieren daraus erhebliche Unsicherheiten an den Finanzmärkten, was erwartete Renditen, Korrelationen und Volatilität angeht.

Wie sollten sich Investoren auf die Welt nach der Corona-Krise vorbereiten?

El-Erian: Vor allem sollten sich Investoren bei der amerikanischen Zentralbank für deren Hilfe bedanken und die daraus resultierende Erholung an den Märkten dafür nutzen, mehr Qualität in ihr Portfolio zu bringen. Sie sollten das auf drei Arten tun: Erstens sollten sie Unternehmen und Staaten mit schwachen Bilanzen gegen solche austauschen, die über ein dickes Cash-Polster verfügen, deren kurzfristige Verschuldung überschaubar ist und die, sofern möglich, einen positiven Cashflow haben. Zweitens sollten sie Unternehmen verkaufen, die sich in einer Nach-Krisen-Welt nicht voll erholen werden, und stattdessen solche kaufen, die von voraussichtlich dauerhaften Trends profitieren werden. Drittens sollten sie Kapital verfügbar haben, um Opportunitäten zu nutzen, die sich möglicherweise verstärkt in den Kreditmärkten aufgrund eines großen, aber reversiblen Marktversagens auftun werden. Ich denke hier an strukturierte sowie notleidende Kredite.