Das Investieren in Aktienfaktoren hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen, um so die mit bestimmten Firmenmerkmalen verbundenen Faktorprämien zu vereinnahmen. Die Renditen der verschiedenen Faktorportfolios weisen jedoch bestimmte Zyklen auf, was dazu verleiten kann, die Faktorallokation dynamisch anzupassen. Im Lichte der Vorzüge, aber auch der Fallstricke des Faktor-Timings, ist ein dynamischer 1/N-Multifaktor-Ansatz ein umsichtiger Weg zu einem effektiven Aktienfaktor-Timing: Er verknüpft eine angemessene Faktor-Diversifikation mit dem bekannten Faktor-Momentum-Effekt und weist gleichzeitig einen geringen Portfolioumschlag auf.
Die Vorzüge und Fallstricke des Faktor-Timings
Die Investition in Aktienfaktoren erfolgt nach bestimmten Firmenmerkmalen wie Value, Qualität, Low Risk oder Momentum. Es gibt umfangreiche Literatur, die die Relevanz dieser Faktoren in verschiedenen Regionen und über lange Zeiträume hinweg belegt.1 Aufgrund ihrer geringen gegenseitigen Korrelationen eignen sich Faktoren als natürliche Bausteine für die Konstruktion von Aktienportfolios. Während es naheliegend erscheint, strategisch eine diversifizierte Faktorallokation zu verfolgen, stellt sich zugleich die Frage, ob auch taktische Abweichungen sinnvoll sein können. Tatsächlich können Einzelfaktorstrategien über eine gewisse Zeit hinweg eine unterdurchschnittliche Performance aufweisen—siehe etwa die Performance des Value-Faktors in den 2010er Jahren—, was Anleger zum taktischen Faktor-Timing verleiten kann, um solche Faktorzyklen besser zu meistern.
Einerseits verspricht das richtige Timing der Faktoren eine bessere risikoadjustierte Rendite. Andererseits kann das Faktor-Timing den Portfolioumschlag und damit die Transaktionskosten erhöhen, was sich negativ auf die Gesamtrendite auswirkt. Letztendlich geht es darum, diesen Zielkonflikt zwischen der Genauigkeit des Faktor-Timing-Signals und den damit verbundenen Kosten zu steuern. Dabei gibt es zum einen explizite Transaktionskosten, die durch die Umschichtung des Aktienportfolios entstehen, um die angestrebte dynamische Faktorallokation widerzuspiegeln. Zum anderen gibt es aber auch implizite Kosten, die sich aus dem teilweisen Verzicht auf eine optimale Faktordiversifikation ergeben, welche einer strategischen, risikobalancierten Faktorallokation innewohnt.
In früheren Arbeiten haben wir gezeigt, dass man eine sehr hohe Prognosegenauigkeit bei den Faktorrenditen benötigt, um eine einfache 1/N-Faktorallokation nach Transaktionskosten zu übertreffen.2 Dichtl et al. (2019) liefern Hinweise für die Vorhersagbarkeit von Faktorrenditen auf Basis von querschnittsbezogenen Faktormerkmalen wie Faktor-Momentum, -Crowding oder -Bewertung; die Autoren fanden zudem eine gewisse Evidenz, fundamentale Zeitreihenprognosen zu verwenden. Sie geben jedoch zu bedenken, dass eine solche Vorhersagbarkeit von Faktorrenditen unter Berücksichtigung realistischer Transaktionskosten in der tatsächlichen Portfolioimplementierung nur schwer zu realisieren ist.3 In der Tat verspricht die Erfassung des kurzfristigen Trends der Faktorrenditen über ein Faktormomentumsignal zusätzliches Alpha, obwohl dieses nach Transaktionskosten deutlich reduziert wird.
Der Spielraum des Faktor-Timing in der Praxis
In unserer aktuellen Arbeit untersuchen wir den praktischen Nutzen von Faktor-Diversifikation und -Timing in einem globalen Aktienuniversum. Dabei untersuchen wir das Zusammenspiel der bewährten Faktoren Value, Momentum, Qualität und Low Risk, die jeweils in einem Einzelfaktorportfolio implementiert sind, das darauf abzielt, das jeweilige Faktorexposure zu maximieren und gleichzeitig die Portfoliorisiken und Transaktionskosten zu begrenzen. In diesem 4-Faktoruniversum gibt es tatsächlich reichlich Spielraum für Faktor-Timing. So zeigen wir, dass ein „hellsehender“ Faktorinvestor mit perfekter Prognose hinsichtlich der Faktoren-Performance im nächsten Monat eine klar verbesserte Performance vieler Portfoliomerkmale erreichen kann, einschließlich eines reduzierten maximalen Drawdowns.
Nur: In der Realität verfügt man allerdings über keine perfekte Prognose, sodass es schwieriger wird. Als realistische Timing-Signale analysieren wir das kurzfristige Faktormomentum, die Faktorbewertung und die Faktor-Saisonalität. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Faktormomentum tatsächlich ein aussagekräftiges Signal ist. Es überrascht nicht, dass Faktormomentum mit einem beträchtlichen Umschlag von 88 Prozent einhergeht, der wegen der Transaktionskosten einen Teil dieses Performancevorteils wieder aufzehrt. Auch das Bewertungs-Timing besitzt eine Vorhersagekraft für künftige Faktorrenditen; dieser relative Vorteil kann jedoch in der Praxis nicht genossen werden, da der Umschlag der Faktorbewertungsstrategie von 97 Prozent alle Bruttovorteile wieder zunichtemacht. Die Evidenz für die Faktorsaisonalität ist sogar noch schwächer.
Dynamic 1/N: Die umsichtige Umsetzung des Faktor-Timings
Der Schlüssel zum Erfolg beim Investieren in Aktienfaktoren ist eine diversifizierte Faktorallokation. Während die Möglichkeiten des Faktor-Timings verlockend sind, ist die tatsächliche Praxis der Faktorprognosen – wie bereits erklärt – verrauscht und mit einem kostspieligen Portfolioumschlag verbunden; dieser kann die grundsätzliche Güte eines gegebenen Faktor-Timing-Signals vollständig aushöhlen, wie im Falle der Faktorbewertung oder der Faktorsaisonalität. Daher empfiehlt sich eine umsichtige dynamische Faktorallokation, um (1) die Faktordiversifikation aus der Gleichgewichtung (1/N) zu nutzen, (2) von den Vorteilen des Faktormomentums zu profitieren und (3) die potenziellen Nachteile einer Allokation mit hohem Umschlag zu vermeiden. Eine dynamische 1/N-Faktorallokationsstrategie bringt diese drei Überlegungen miteinander in Einklang, kurz: Dynamic 1/N.