Faros-Experten zur Faktorrotation „Mit klassischen Faktorstrategien muss man Underperformance aushalten können“

Uwe Rieken (l.) und Marc Rohloff von Faros Consulting: Das Investment-Consulting-Unternehmen hat ein eigenes Faktorrotationsmodell entwickelt.

Uwe Rieken (l.) und Marc Rohloff von Faros Consulting: Das Investment-Consulting-Unternehmen hat ein eigenes Faktorrotationsmodell entwickelt. Foto: Faros Consulting

Faktorprämien gelten als zusätzliche Risikoprämien zur Markt-Performance. Die verschiedenen Faktoren ergeben kein Nullsummenspiel über einen Marktzyklus. Warum jetzt noch das Markt-Timing wagen?

Uwe Rieken: Faktor- und Markt-Timing unterscheiden sich erheblich. Mit unserem Faktor-Timing-Modell nutzen wir das Momentum von Anlagefaktoren und versuchen, eine möglichst stabile Outperformance gegenüber dem Markt in allen Phasen des Zyklus zu erzielen. Mit einem Beta von eins werden Bewegungen des Markts von unserer Strategie vollständig nachvollzogen. Der Mehrwert des Faktor-Timings liegt darin, dass das Renditepotenzial im Vergleich zum zusätzlichen Risiko vergleichsweise hoch ist.

Inwiefern hebt sich das Faros Multi-Faktor-Modell von anderen Faktorrotationsmodellen ab?

Rieken: Faktorrotationsstrategien von Wettbewerbern verfolgen meist einen sogenannten Tilting-Ansatz. Damit wird die Allokation in einzelne Faktoren um einen Mittelwert herum adjustiert oder sogar ganz statisch gehalten. Da diese Strategien die deutlichen Trends von Faktoren nicht berücksichtigen, nimmt man in Zeiten einer Underperformance diese stets mit. Durch unsere Timing-Strategie setzen wir einerseits auf erwartungsgemäß kurzfristig gut laufende Faktoren und steigen andererseits streckenweise aus Faktoren mit einer schlechten Perspektive komplett aus. So lässt sich auch in Zeiten einer zyklisch schlechten Faktor-Performance noch eine Outperformance erzielen.

Marc Rohloff: Technisch formuliert haben wir mit einem Beta von eins zunächst einmal ein ähnliches Risiko wie der Markt. Das Risiko, von der Benchmark abzuweichen, halten wir mit einem Tracking Error von 2 Prozent auf sehr niedrigem Niveau. Absolut betrachtet würde man kein erhöhtes Risiko feststellen, wobei wir mit der Volatilität auf Benchmark-Niveau liegen. Zusätzlich bietet das Modell eine gute Outperformance, nämlich rund 2 Prozent nach Kosten.

Was heißt das für die Volatilität, die man aushalten können muss?

Rieken: Faktorprämien sind langfristige Prämien, die wissenschaftlich über viele Jahre empirisch nachgewiesen sind. Über eine kürzere Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren kann dies aber durchaus anders aussehen. Man denke nur an die Entwicklung des Value-Faktors während der letzten Jahre. Ein anderes Beispiel ist der Momentum-Faktor in der Dotcom-Blase. Auch hier wurden über einige Jahre deutlich negative Ergebnisse im Vergleich zur Benchmark erzielt. Investoren, die Faktorprämien in einer klassischen Buy-and-Hold-Strategie nutzen wollen, müssten also über mehrere Jahre eine deutliche Underperformance hinnehmen.

Was ist die Schwierigkeit an der Rotation von Faktoren? Den üblichen ungewissen Blick nach vorn haben doch alle.

Rohloff: Der Blick nach vorne ist zwar ungewiss, allerdings kann man durch stochastische Verfahren durchaus signifikante Aussage treffen. So sind Faktoren für sich selbst betrachtet volatil und somit nur als langfristige Investments geeignet. Die Faktorkombination auf Grundlage unseres Timing-Modells ist jedoch nur mit geringen Unsicherheiten im Vergleich zur Benchmark verbunden. Die größte Schwierigkeit ist psychologischer Natur. Viele Investoren scheuen Faktor-Investments, da sie davon überzeugt sind, dass man die Benchmark nicht schlagen kann. Durch Faktor-Investments lässt sich dies zwar nicht garantiert erreichen, jedoch steht man mit hoher Wahrscheinlichkeit besser da als durch ein Benchmark-Investment.

Sie setzen mit Ihrem Multi-Faktor-Modell auf die Behäbigkeit von Indizes: Zeigen diese über drei Monate einen Trend, gehen Sie davon aus, dass Laufrichtung auch im vierten Monat anhält. Spricht da nicht die Mean Reversion gegen?

Rohloff: Nein. Das Phänomen, das wir uns zunutze machen, wird auch „Time Series Momentum“ genannt. Die Frage, wie sich die zukünftige Entwicklung einer Zeitreihe durch die Vergangenheit vorhersagen lässt, unterliegt einer Schwankung, je nachdem welchen Zeitraum man betrachtet. Sehr kurzfristig, also während einiger Minuten oder Stunden, lässt sich eher eine Mean Reversion beobachten. Mittelfristig, also über Wochen und Monate, liegt eine positive Autokorrelation vor, das heißt wir sprechen von Time-Series-Momentum. Diese verschwindet, je länger der betrachtete Zeitraum ist.

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Der Trendzeitraum ist also nicht beliebig und kein Kompromiss an die steigenden Handelskosten bei kürzeren Zeitabschnitten?

Rohloff: Der Zeitraum ist keineswegs beliebig. Agiert man sehr kurzfristig, existiert kein Trend mehr, sondern vielmehr besagte Mean Reversion. Und natürlich darf man nicht die Handelskosten außer Acht lassen.  Unsere Analyse zeigt, dass die Outperformance vor Kosten bei einer wöchentlichen im Vergleich zur monatlichen Neujustierung besser, nach Kosten allerdings schlechter ist. Bei quartalsweiser Neujustierung wäre die Outperformance ohne Kosten auf Grund des geringeren Trendeffekts geringer. Es würde sich also nicht lohnen, den Zeitraum auszudehnen.

Modell-Rechnungen und Backtesting haben so ihre Tücken. Welche Annahmen haben Sie getroffen?

Rohloff: Die am meisten verbreitete Form des Backtesting passt freie Variablen algorithmisch in einem festgelegten Zeitraum so an, dass das Ergebnis in diesem möglichst optimal wird. Anschließend wird die Strategie in einer späteren davon unabhängigen Periode analysiert. Dies führt jedoch dazu, dass man keine Erklärung dafür hat, warum welche Parameter einen bestimmten Wert haben. Es bleibt also die Frage, ob das Ergebnis wegen der Vielzahl möglicher Kalibrierungen nur Zufall war. Unser Modell hat keine freien Parameter, deren Kalibrierung in einem Backtest nötig wäre. So müssen wir lediglich den Tracking Error festlegen, um das Risiko relativ zur Benchmark festzulegen.