Stilprämien nutzen Was Investoren beim Factor Investing beachten müssen

Antti Ilmanen, globaler Co-Leiter der Portfolio Solutions Group bei AQR Capital Management, beschreibt die Möglichkeiten des Factor Investings.

Antti Ilmanen, globaler Co-Leiter der Portfolio Solutions Group bei AQR Capital Management, beschreibt die Möglichkeiten des Factor Investings. Foto: AQR Capital

Faktoren können systematisch erfasst werden und die Portfoliorenditen steigern sowie diversifizieren. Am weitesten verbreitet sind Ableitungen bekannter traditioneller Anlagestile, zum Beispiel von Value-Investing oder Carry-Investing, die oft als Stilprämien bezeichnet. Der Unterschied zwischen traditionellen und faktorbasierten Ansätzen ist: Letztere sind stärker diversifiziert und analysieren ein größeres Universum von Vermögenswerten, anstatt ein relativ konzentriertes und auf einem Stil basierendes Portfolio zu halten.

In der Wissenschaft und der Praxis wurden eine Vielzahl von Faktoren mit möglichem positivem Einfluss auf die langfristigen Erträge eines Portfolios untersucht. Dabei wurden vier Stilprämien identifiziert, die sich bei der Aktienauswahl in vielen Ländern sowie in den meisten untersuchten Anlageklassen bewährt haben:

  • Value: Bevorzugung günstiger Vermögenswerte gegenüber hoch bewerteten Assets
  • Momentum: Bevorzugung der jüngsten Outperformer gegenüber den Nachzüglern
  • Carry: Bevorzugung von hoch verzinsten gegenüber niedrig verzinsten Papieren
  • Defensive: Bevorzugung von risikoarmen und qualitativ hochwertigen Vermögenswerten gegenüber spekulativen Assets

Zu den klassischen Merkmalen dieser vier Stile gehören für Einzelaktien oder ganze Aktienmärkte ein niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis (Value), eine starke Rendite im vergangenen Jahr (Momentum), eine hohe Dividendenrendite (Carry) und ein niedriges Beta (Defensiv). Vergleichbare Merkmale für Staatsanleihen könnten eine hohe Realrendite, eine hohe Rendite im vergangenen Quartal, eine steile Renditekurve und eine geringe Volatilität sein.

 

Investoren können alle Vermögenswerte innerhalb eines bestimmten Anlageuniversums anhand eines beliebigen Stils bewerten und aus den diesbezüglich stärksten Papieren ein diversifiziertes Portfolio kaufen sowie aus den schwächsten Werten verkaufen. Bei einem Multi-Style-Portfolio lassen sich auch viele Stile – und mehrere Indikatoren pro Stil – berücksichtigen. Die jeweiligen Charakteristika der Vermögenswerte können sich im Laufe der Zeit ändern, was zu Umschichtungen innerhalb eines Stilprämienportfolios führen kann.  

Warum Faktorprämien existieren

Die meisten Anleger interessieren sich für Factor Investing aufgrund der langfristigen empirischen Belege. Es hilft jedoch zu verstehen, warum diese Faktorprämien existieren. Die Wissenschaft hat sowohl risikobasierte als auch weniger rationale verhaltensbedingte Erklärungen für jeden Faktor geliefert.

Dazu einige Beispiele: Günstige Value-Aktien können sich langfristig besser entwickeln als teure Growth-Aktien, wenn die Anleger basierend auf deren historischen unternehmensspezifischen Wachstum die künftige Entwicklung zu optimistisch einschätzen und zu viel dafür bezahlen. Momentum funktioniert, wenn Anleger auf öffentliche Nachrichten unterreagieren und/oder den jüngsten Kurstrends hinterherlaufen. Carry-Gewinne können auf ein unzureichend gemessenes Risiko oder naive Erwartungen der Anleger zurückzuführen sein. Defensive Aktien schneiden in der Regel besser ab, weil Leverage-averse oder risikofreudige Anleger oft zu viel für ihre spekulativeren Pendants zahlen.

Long/Short-Strategien mit geringem Marktrisiko

Die reinste Form des Factor Investing sind Long/Short-Strategien („liquid Alternatives“ oder „alternative Risikoprämien“) mit geringem Marktrisiko. Eine gängigere Methode ist, die Long/Short-Positionen in Über- und Untergewichtungen in ein Long-only-Portfolio zu übersetzen („Smart Beta“). Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die zwischen Ein-Faktor- und Multi-Faktor-Ansätzen. Darüber hinaus können viele weitere Nuancen bei der Portfoliokonstruktion dazu führen, dass zwei in einen bestimmten Stil investierende Manager ganz verschiedene Portfolios und eine unterschiedliche Performance haben können, obwohl sie tendenziell positiv korreliert sind.

Die vier Stile können auch für das Market-Timing eingesetzt werden. Die erfolgreichste marktgerichtete (direktionale) Strategie ist die „Cousine“ der Momentum-Strategie, die Trendfolge. Diese kann über viele Vermögenswerte hinweg nach einer „Risk-on“-Periode auf steigende Kurse und nach einer „Risk-off“-Phase auf fallende Kurse setzen. Die letztgenannte Eigenschaft kann die Trendfolge zu einer überraschend zuverlässigen Risikomitigierungsstrategie während langwieriger Bärenmärkte machen. Im Gegensatz zur optionsbasierten Tail-Hedging-Strategie hat sie auch langfristig positive Ergebnisse erzielt.