Häufige Anlegerfehler Nicht nur die Dividende zählt

Magnus Graf von Schlieffen

Magnus Graf von Schlieffen: „Per Definition kann eine Dividende nur ausgeschüttet werden, wenn sie auch erwirtschaftet wurde.“ Foto: Breidenbach von Schlieffen & Co.

Der Spruch „Dividende sind der neue Zins“ ist, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) am 18. Oktober 2020 in dem Artikel „Das Dividenden-Debakel“ richtigerweise schrieb, Humbug. Aktienkurse schwanken immer mal wieder stark. Nicht alle Investorennerven halten das aus. Außerdem wird die gezahlte Dividende am Tag der Zahlung vom Aktienkurs abgezogen, so dass man vor Steuern nicht mehr hat und nach Steuern sogar etwas weniger. Damit die Dividende nicht nur einen Preis, sondern auch einen Wert hat, muss sie über das folgende Geschäftsjahr erneut verdient werden, besser sogar mindestens verdient haben.

Wie in allen Dingen des täglichen Lebens kann man sich nur das leisten, was man verdient hat. Das gilt auch für die Dividende. Per Definition kann nur die Dividende ausgeschüttet werden, die vom Unternehmen erwirtschaftet wurde. Schüttet ein Unternehmen mehr aus als es verdient, stellt sich die simple Frage, wo das Geld herkommt. Die Antwort ist genauso einfach. Entweder wird es den Rücklagen entnommen oder es werden neue Schulden aufgenommen. Beides reduziert den Firmenwert, was für Aktienkurse Gift ist.

Wählt man die richtigen Unternehmen aus, sind Dividenden sehr wohl eine Art Zins. An dieser Stelle muss man verstehen, wie eine Dividendenzahlung technisch funktioniert. Bis zum Tag der Dividendenzahlung stellt der Aktienkurs den Wert des Unternehmens inklusive der Dividende dar. Am Tag nach der Dividendenzahlung stellt der Aktienkurs den Wert des Unternehmens ohne die gezahlte Dividende dar, denn diese wurde dem Unternehmen entnommen und den Aktionären ausgezahlt. Es kommt zum Dividendenabzug, in dem die Höhe der gezahlten Dividende vom letzten Aktienkurs abgezogen wird. Die Auswirkung auf die Entwicklung des Investorenvermögens wollen wir an zwei einfachen Beispielen darstellen.

1. Beispiel: (Negativ-) Musterunternehmen

Aktienkurs vor Zahlung der Dividende: 100,00 Euro

Dividende: 3,00 Euro

Dividendenrendite: 3 Prozent

Gewinn pro Aktie: 1,50 Euro

Aktienkurs ex Dividende: 97,00 Euro

Sofern das Unternehmen in der Folgeperiode weiterhin nur die Hälfte der gezahlten Dividende verdient, steht der Aktienkurs (in einem teilweise effizienten Markt) am Ende der Folgeperiode bei 98,50 Euro. Zahlt das Unternehmen wieder 3,00 Euro aus, steht der Kurs nach der Ausschüttung bei 95,50 Euro. Erfolgt das gleiche ein weiteres Jahr, steht der Kurs am Tag vor der Dividendenzahlung bei 97,00 Euro und nach Dividendenabzug bei 94,00 Euro. Sofern das Unternehmen die gezahlte Dividende weiterhin nicht verdient, geht das immer so weiter. In diesem Beispiel besitzt der Investor nach drei Jahren eine Aktie mit dem Kurs von 94,00 Euro zuzüglich 9 Euro gezahlter Dividende (vor Steuern), also in Summe 103,00 Euro. Über eine Periode von 3 Jahren ist das von einer jährlich erwarteten Rendite von 3 Prozent weit entfernt.

In einem wirklich effizienten Markt erkennt der Kapitalmarkt dieses Problem und lässt den Kurs schon vorher fallen. Investoren sichern also mit dem Verkauf den Firmenwert von heute anstelle des reduzierten Firmenwertes der Zukunft. Das ist für das im Beispiel genannten (Negativ-)Musterunternehmen ein rationales Investorenverhalten.

2. Beispiel: (Positiv-) Musterunternehmen

Aktienkurs vor Zahlung der Dividende: 100,00 Euro

Dividende: 3,00 Euro

Dividendenrendite: 3 Prozent

Gewinn pro Aktie: 6,00 Euro

Aktienkurs ex Dividende: 97,00 Euro

Sofern das Unternehmen in der Folgeperiode weiterhin das Doppelte der gezahlten Dividende verdient, steht der Aktienkurs (in einem teilweise effizienten Markt) am Ende der Folgeperiode bei 103,00 Euro. Zahlt das Unternehmen wieder 3,00 Euro aus, steht der Kurs nach der Ausschüttung bei 100,00 Euro. Erfolgt das gleiche ein weiteres Jahr, steht der Kurs am Tag vor der Dividendenzahlung bei 106,00 Euro und nach Dividendenabzug bei 103,00 Euro. Sofern das Unternehmen weiterhin das Doppelte der gezahlten Dividende verdient, geht das immer so weiter. In diesem Beispiel besitzt der Investor nach 3 Jahren eine Aktie mit dem Kurs von 103,00 Euro zuzüglich 9 Euro gezahlter Dividende (vor Steuern), also in Summe 112,00 Euro. Über eine Periode von 3 Jahren ist das sogar eine höhere jährliche Rendite als 3 Prozent.

In einem wirklich effizienten Markt erkennt der Kapitalmarkt diese Chance und lässt den Kurs schon vorher steigen. Investoren sichern mit dem Kauf den Firmenwert von heute anstelle des höheren Firmenwertes der Zukunft. Das scheint für das im Beispiel genannten (Positiv-)Musterunternehmen ein rationales Investorenverhalten. Da nicht alle Marktteilnehmer rechnen, gesellen sich den rationalen Investoren emotionale Investoren hinzu und verstärken den Trend der Aktienkurse.