Disruptive Geschäftsmodelle Warum alte Value-Kriterien nicht mehr greifen

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Dafür ein Beispiel: Zalando ist Europas führender Online-Bekleidungshändler, der Frauen, Männern und Kindern ein bequemes Einkaufserlebnis bietet, bei dem sie unter 1.500 Marken auswählen können. In diesem Segment ist Zalando ein direkter Wettbewerber von Amazon, das mittlerweile selbst Mode verkauft.

Ebenso wie der US-Konkurrent profitiert Zalando aber von einem „Plattform-Effekt“. Viele etablierte Marken sehen den Handelsplatz aufgrund der mittlerweile erreichten Größe als Erweiterung ihres eigenen Vertriebsnetzes an – quasi einen zusätzlichen elektronischen Shop, über den sie rund 20 Millionen aktive Nutzer in 15 europäischen Ländern erreichen können.

Vorteile der „First-Movers“

Mit Adidas etwa hat Zalando jüngst eine Partnerschaft begründet, durch die die eigenen Kunden Zugriff auf das gesamte Programm des Sportartikelherstellers bekommen. Auf diese Weise pflegt Zalando ein mächtiges Netzwerk, das aller Wahrscheinlichkeit nach in den kommenden drei bis fünf Jahren erheblich an Schlagkraft gewinnen wird. Bedenkt man, dass Zalando erst 2008 gegründet wurde, ist diese Entwicklung beeindruckend.

Wie konnte es die Firma schaffen, in so kurzer Zeit eine so starke Marke aufzubauen? Eine Antwort darauf ist: Zalando hat den Vorteil des „First-Movers“ genutzt und ist rechtzeitig in den boomenden Online-Handel eingestiegen. Ein zweiter Faktor ist, dass das Unternehmen über genug Kapital verfügt, um den Aufbau der Marke voranzutreiben und in die notwendige Infrastruktur zu investieren, um mit dem eigenen Wachstum Schritt zu halten.

Vor allem aber nutzt Zalando seine Geldbestände, um sich Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. So hat das Unternehmen einen Online-Shop für Mode aufgebaut, in dem sich die Nutzer komplett per Smartphone bewegen können.

Wettbewerber kommen zu spät

Die Chancen stehen gut, dass Zalando zu der Modeplattform schlechthin wird. Damit würde das Unternehmen über einen extrem starken Markenkern und gleichzeitig einen gut ausgebauten Schutzgraben verfügen, der die Konkurrenz auf Abstand hält.

Dazu kommt in diesem Zusammenhang, dass die etablierten Wettbewerber wie Zara, H&M & Co. zu spät oder gar nicht reagiert und mit ihren Ressourcen gegengehalten haben. Nur ein Fakt dazu: Der Aktienkurs von Zalando hat sich seit dem Börsengang im Jahr 2014 annähernd verdoppelt, der von H&M ist im gleichen Zeitraum um rund ein Drittel gesunken.

Investoren und Analysten diskutieren nun regelmäßig darüber, wie Zalando und andere ungewöhnliche disruptive Geschäftsmodelle zu bewerten sind. Die Kernfrage lautet: Welche Substanz ist darin jeweils vorhanden? Ist diese Substanz identifiziert und womöglich sogar quantifiziert worden, lautet das klassische Gegenargument, das dann häufig auf den Tisch kommt: Aber die Aktie wird mit dem 40- oder 50-fachen Jahresgewinn gehandelt. Bei Amazon liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) sogar bei 83!