Digitale Zukunft im Wealth Management „Erfolgsfaktor Nr. 1 wird nicht der Preis oder die Performance sein“

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Welche Bereiche im Wealth Management lassen sich nicht oder kaufmännisch nur schwer digitalisieren?

Moulliet: Je weniger Technologie im Spiel ist, desto eher nimmt die Bedeutung von Digitalisierung ab. Auch ist davon auszugehen, dass mit zunehmenden Individualisierungsansprüchen der Kunden und Komplexität der Produkte, die Bedeutung von Digitalisierung abnimmt. Grenzen gibt es aber per se nicht. Wohl ist es aber so, dass gewisse Bereiche mehr Optimierungspotenziale bieten als andere und gerade aus kaufmännischer Sicht werden häufig die Bereiche Back und Front Office genauer betrachtet. Aber auch in den Bereichen Produktmanagement und Vertrieb bieten sich Möglichkeiten die Zeit für die Auflegung eines neuen Produktes durch digitalisierte Prozesse zu verkürzen. Es kommt dabei aber auf die übergeordnete Unternehmensstrategie an. Ein „One approach fits all“ gibt es nicht.

Ist bei alldem eine Segmentierung der Kunden nach Vermögensgröße noch zeitgemäß?

Moulliet: Kunden denken nicht in Assets under Management, aber in Bedürfnissen. Daher sollte sich auch eine Organisation überlegen, welche Kunden man anspricht und welche Bedürfnisse die eigenen Produkte und Dienstleistungen beim Kunden bedienen. Dieser muss als individuelles Ökosystem verstanden werden.

Entsprechend greift eine Segmentierung lediglich nach Vermögen deutlich zu kurz, da es in der Mehrheit der Fälle falsche Zusammenhänge impliziert. Vielmehr bieten sich im Zeitalter der Digitalisierung erstmals Möglichkeiten sowohl analytisch als auch in der Umsetzung theoretisch beliebig viele, feingliedrige Kundensegmente zu definieren und zu betreuen. 

Die Kundensegmentierung hatte immer eine Steuerungsfunktion. Wie kann da die Zukunft aussehen?

Moulliet: Man hat heute grundsätzlich alle Möglichkeiten Kunden besser zu verstehen und mit den gewonnenen Erkenntnissen zu arbeiten. Jeder hat einen digitalen Fußabdruck und vermögende Kunden sind nicht weniger digital, nur weil sie vermögend sind.  Damit kann man Cluster bilden, die auf die Gemeinsamkeit der Individuen zurückgehen.

Im nächsten Schritt gilt es, Zusammenhänge herzustellen. Dabei kommt das Vermögen ins Spiel, sodass man qualitative mit quantitativen Merkmalen kombinieren kann. Damit wird es möglich, konkrete Erwartungen je Cluster zu ermitteln, nicht nur zu Kosten und Ertrag, sondern insbesondere auch zu segmentspezifische Kundenbedürfnisse. Mit diesem Wissen kann man dann kostenoptimiert Dienstleistungen individualisieren, jeweils für ein Kundencluster.

Man kann das Thema Kundensegmentierung aber noch weiter und dynamischer fassen: Moderner Analyseverfahren und Ansätzen aus Big Data können Datenpunkte aus dem Vermögen des Kunden und dessen persönliche Merkmale noch weiter mit Punkten der Investment-Präferenzen anreichern. Und schon ergibt sich ein bestimmtes Kundencluster mit ganz individuellen Bedürfnissen, Ertragsprofilen und Kosten.

Was hat ein Finanzdienstleister davon?

Moulliet: Weniger Streuverluste und eine erhöhte Conversion Rate – also beispielsweise Produktabschlüsse oder bezahlte Serviceleistungen. Kunden werden besser verstanden, das Management erhält eine segmentspezifische Kosten- und Ertragssicht und man kann die komplette Kundenkommunikation – Stichwort Multi Channel – mit dem Kunden individualisieren. Manche Kunden stehen nur offline und persönlich zur Verfügung, andere wollen über Smartphone-App und Website ereignis-bezogen interagieren.