Mid-Market Bonds Der Finanzierungsmarkt braucht die Mittelstandsanleihe 2.0

Dieter Kaiser ist seit 2011 als Geschäftsführer bei Robus Capital in Frankfurt tätig.

Dieter Kaiser, Geschäftsführer bei Robus Capital in Frankfurt. Foto: Robus Capital

Die hartnäckigen Inflationsraten haben im einen straffen Kurs der Europäischen Zentralbank gefordert. Und auch 2024 lasten hohe Zinsen auf europäischen Mittelstandsunternehmen, bis die geldpolitischen Zügel möglicherweise im zweiten Halbjahr gelockert werden können. Bis dahin sind weitere konjunkturelle Bremsspuren kaum zu vermeiden und nicht alle Unternehmen werden den Belastungen standhalten können.

Viele Unternehmen operieren nicht erst seit der Corona-Pandemie im Krisenmodus, auch wenn das in Zeiten des billigen Geldes weniger ersichtlich war. Nach Lockdowns, den Lieferkettenproblemen sowie dem Angriffskrieg auf die Ukraine, der neben der menschlichen Tragödie zusätzliche Inflations- und Energiesorgen in Europa befeuert hat, zeichnet sich noch immer kaum Entspannung ab.

Kleinere Unternehmen haben selten Chancen auf Bankkredit

In diesem Umfeld an eine Unternehmensfinanzierung zu kommen, ist komplizierter denn je. Kleinere und mittelständische Unternehmen, die nicht über die höchste Bonitätseinstufung verfügen, können selten auf einen Bankkredit hoffen. Auch starken Unternehmen mit innovativen Geschäftsmodellen droht, die finanzielle Puste auszugehen. Kreditbewilligungen beispielsweise für Investitionen scheitern an grundsätzlichen Faktoren wie dem falschen Sektor, in dem das Unternehmen tätig ist, oder dem falschen Zeitpunkt, zu dem der Kapitalbedarf angemeldet wird. In den Banken fehlt es an Anreizen und Experten, um die zeitintensive und fachkundige Darlehensprüfung gewährleisten zu können.

 

Diese Erfahrung hat im Herbst 2022 auch ein deutscher Hersteller von Photovoltaik-Montagesystemen aus Aluminium und Stahl gemacht. Als traditionelle Kreditgespräche scheiterten, weil das Unternehmen in der vermeintlich falschen Branche gelistet war, wurde nach einer schnellen Alternative zum Bankkredit gesucht. Die Emission einer kleinen Unternehmensanleihe ist zwar mit Aufwand verbunden, vor allem dann, wenn man den Prozess zum ersten Mal durchläuft. Aber mit viel Transparenz und ohne Prospektpflicht ist es in weniger als zwei Monaten möglich.

Statt eines bankinternen Kreditkomitees haben 20 bis 30 unabhängige institutionelle Investoren auf der Prüfungsgrundlage einer Emissionsbank entschieden. Im konkreten Beispiel wurden trotz eines schwierigen Kapitalmarktumfelds zwei Anleihe-Varianten begeben: eine vorrangig besicherte Anleihe über 50 Millionen Euro mit einer Zinsmarge von 6,75 Prozent sowie eine zweitrangige Anleihe über 15 Millionen Euro mit einer höheren Verzinsung. Die variabel-verzinslichen Anleihen kamen mit Laufzeiten von 3 und 3,5 Jahren. Beide Anleihen handeln im aktuellen Kapitalmarktumfeld deutlich über dem Ausgabekurs, das heißt die Firma könnte diese Anleihen aktuell bereits zu einer deutlich niedrigeren Zinsmarge am Markt refinanzieren.

„Nordic Bonds“ überzeugen mit Sicherungskonzepten

Die Idee mit den niedrigvolumigen Anleihen ist nicht neu. Unter dem Begriff „Mittelstandsanleihe“ entstand zwischen 2010 und 2014 ein Hype, der nach einer beispiellosen Ausfallwelle zwischen 2015 und 2018 endete und aufgrund sehr niedriger Recovery-Werte traurige Berühmtheit erlangte. Allerdings handelte es sich bei der ursprünglichen Mittelstandsanleihe überwiegend um erstrangige, aber unbesicherte Anleihen von sehr kleinen und leider oft auch unprofitablen Unternehmen mit einem Volumen zwischen 25 bis 100 Millionen Euro, die ungeachtet ihres Risikos mit einem Standard-Kupon von 7 Prozent begeben wurden.

Durch handwerkliche Fehler wie der fehlenden Bepreisung der Anleihen auf Grundlage einer seriösen Risikobewertung oder einem professionellen Bookbuilding sind die letzten Mittelstandsanleihen 2019 in Deutschland verschwunden. Geblieben ist ein immenser Reputationsschaden, der eine sachliche Aufarbeitung in Zeiten, in denen vielen Unternehmen Alternativen fehlen, erschwert.

Solche Fehler wurden in Skandinavien vermieden, wo sich seit Mitte der 2010er Jahre unter strengen regulatorischen Auflagen ein sehr erfolgreicher Anleihemarkt für mittelgroße Emittenten entwickelt. Nach Angaben von Pareto Securities sind insgesamt über 52 Milliarden Euro in sogenannte „Nordic Bonds“ investiert. Davon entfallen ungefähr 1,5 Milliarden Euro auf etwa ein Dutzend deutscher Emittenten, die, wie der erwähnte Hersteller von PV Montagesystemen, Anleihen in diesem Hochzinssegment nach skandinavischem Recht platziert haben.

Neben der angemessenen Besicherung der Anleihen begründet sich der Erfolg der Nordic Bonds auf umfassende Dokumentationspflichten der Unternehmen, die sich im Interesse des Anlegerschutzes an den im Darlehensmarkt üblichen Standard der Loans Market Association („LMA-Standard“) anlehnen. Mittelgroße Emittenten müssen danach gegebenenfalls noch weiterreichende Anleihebedingungen („Covenants“) erfüllen, wonach sie beispielsweise einen maximalen Verschuldungsgrad nicht übersteigen dürfen oder spezielle Auflagen im Investoren-Reporting umsetzen müssen.

„Mid-Market Bonds“ für mehr Innovation und Diversifikation

Gerade in Zeiten, in denen kleinere und mittelständische Unternehmen alle Möglichkeiten der effizienten Fremdfinanzierung ausschöpfen müssen, wäre die Emission von Anleihen nach skandinavischem Vorbild und juristischem Recht des jeweiligen europäischen Heimatmarktes eine wichtige Alternative. Bei Schuldscheindarlehen und Konsortialkrediten, die ausschließlich für konservativ finanzierte Unternehmen infrage kommen, fallen sie oft aus dem Raster und etablierte Direct-Lending-Fonds konzentrieren sich hauptsächlich auf größere Standard-Unternehmen. Für kleinere und mittlere Unternehmen, die solide aufgestellt und positioniert sind, könnten sich solche europäischen „Mid-Market Bonds“ zu einem wertvollen Fremdfinanzierungsbaustein entwickeln.

Die Renditen im Hochzinssegment haben für Investoren ein Niveau erreicht, auf dem sie in einer diversifizierten Allokation wieder als interessante Alternative für Aktien sind. Aber die Sorge angesichts steigender Ausfallraten im derzeitigen Zinsumfeld bleibt und sie ist berechtigt, wie die jüngsten Insolvenzen bestätigen.

Deswegen ist die verantwortungsbewusste Risikobewertung von Non-Investmentgrade-Unternehmen mit einem professionellen Blick auf die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle und die Besicherung der Anleihen neben allen regulatorischen Verbesserungen die wichtigste Erfolgskomponente. Auf dieser Grundlage sind neben allen Risiken auch Chancen in diesem unwegsamen wirtschaftlichen Umfeld verbunden: für ausgewählte und sorgfältig analysierte mittelständische Unternehmen in Europa sowie für Investoren.


Über den Autor: 

Dieter Kaiser ist seit 2011 als Geschäftsführer bei Robus Capital in Frankfurt tätig. Insgesamt verfügt er über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Vermögensmanagement und hat sich dabei schon früh auf das Management und die Entwicklung alternativer Investment Strategien konzentriert, worüber er auch promoviert hat. Vor seiner Tätigkeit für Robus hat er bei Feri Distressed Debt-Fonds analysiert und Dach-Hedgefonds gemanagt.

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