Mythen bei Bitcoin, Blockchain & Co. Warum der Bitcoin in jedes ESG-Portfolio gehört

Sven Hildebrandt von DLC Distributed Ledger Consulting

Sven Hildebrandt von DLC Distributed Ledger Consulting: Der Geschäftsführer berät Finanzmarktteilnehmer rund um alle Themen der Blockchain Foto: DLC Distributed Ledger Consulting

Bei kaum einem anderen Thema scheiden sich die Geister so stark wie beim Thema Bitcoin und anderen Krypto-Werten. Auf der einen Seite steht die Gruppe der Tech-Nerds, die mit Regulierung wenig anfangen können beziehungsweise konnten.

Auf der anderen Seite steht das klassische Finanzsystem, welches Bitcoins und die Blockchain-Technologie verständlicherweise lange kritisiert hat – ließ sich doch ganz gut von der Funktion als Intermediär leben, die durch den Einsatz der Blockchain an vielen Stellen obsolet wird. Aufgrund der deutlichen Vorteile der Technologie setzt sich in vielen Finanzinstitutionen mittlerweile nun aber doch die Erkenntnis durch, dass „dieses Blockchain“ nicht wieder weggehen werde und es daher Sinn ergeben könne, sich einmal verstärkt mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Im Zuge der Beratung, aber auch im Zuge meiner Beobachtung der Medienlandschaft stelle ich immer wieder fest, dass Menschen Neues augenscheinlich erstmal ablehnen. Das Sprichwort „wat de Buur nich kennt, dat frett he nich“ kommt augenscheinlich doch nicht von ungefähr. Beim Bitcoin kommt dann noch ein „aber er bewertet es, ohne sich vernünftig damit auseinanderzusetzen“ hinzu. Das war jetzt zwar kein Platt, aber ein doch augenscheinlich häufig verbreitetes Muster, was sich eigentlich bei jeder fundamentalen Fehlaussage zu einem Thema findet – und beim Bitcoin aus welchen Gründen auch immer ganz besonders häufig.

Zweifelsohne ist richtig, dass der Konsensmechanismus im Bitcoin-Netzwerk sowohl Strom als auch Rechenkapazitäten benötigt. Der Mechanismus ist das, was das Netzwerk sicher macht. Regelmäßig falsch berichtet wird, dass „komplexe mathematische Rätsel“ gelöst werden müssten. Das ist Quatsch, vielmehr wird geraten. Aber das erregt einfach weniger Aufmerksamkeit und da die Medien stets auf der Suche nach aufmerksamkeitsheischenden Überschriften sind, wird aus diesem Sachverhalt dann „Bitcoin verbraucht mehr Strom als Norwegen.“

Vor dem Hintergrund der ESG-Debatte könnte man jetzt versuchen, die einzelnen Themen mal sinnhaft herunterzubrechen. Denn meist hinken die Vergleiche. Da wird dann beispielsweise der Verbrauch einer Transaktion vom Bitcoin mit einer Transaktion im Rahmen eines zentralisierten Geldsystems wie beispielsweise Visa verglichen, was vor dem Hintergrund der fundamentalen Einbettung von Visa in die globale Finanzmarktinfrastruktur mit entsprechendem CO2-Ausstoß natürlich sinnfrei ist.

Darüber hinaus wird selten gefragt, woher denn der Strom eigentlich kommt. So haben Bitcoin-Miner eigentlich nur zwei große Kostenpositionen, die Hardware und den Strom – Personalkosten sind vernachlässigbar. In Kombination mit der guten Transportabilität der notwendigen Rechen-Power, den sogenannten Mining-Rigs, können Bitcoin-Miner ihre Produktion überall auf der Welt aufstellen. Das führt dazu, dass der Strompreis zu einem sehr entscheidenden Faktor wird. Und dieser ist dort am günstigsten, wo Strom im Überangebot vorhanden ist.

Und wo ist Strom im Überfluss? Dort, wo dieser aus erneuerbaren Energien geschaffen wird, die schwer planbar sind. So wird in einer Studie der Universität Cambridge etwa darauf hingewiesen, dass knappe 40 Prozent der Stromzufuhr von Bitcoin-Minern komplett aus erneuerbaren Energien kommen.


Ist das immer noch Energieverbrauch? Sicherlich ja. Aber ist dieser umweltschädlicher, beispielsweise im Vergleich mit der Energie, die für die Prozessierung von Gold genutzt wird? Wie viel Prozent dieser Energie stammt aus erneuerbaren Energien? Ich vermute deutlich weniger – denn die Goldverarbeitung benötigt Maschinerie, die sich eben nicht mal eben auf LKWs laden und durchs Land fahren lässt, um pünktlich zur Regenzeit an einem anderen Ort wieder aufgebaut zu werden.

Ein weiterer Aspekt ist die vollkommene Ausblendung von Opportunitätskosten im Hinblick auf den Environmental-Aspekt, das „E“ aus ESG. Was ist mit den Umweltschäden durch Minenaktivitäten bei Gold, Fracking bei der Gewinnung von Öl, was ist mit der Farbe und den Textilien, die es für die Herstellung von Papiergeld braucht, was ist mit den ganzen Kosten, die mit dem Drucken von Münzen einhergehen? Wer berechnet die Aufwände, die da versteckt sind? Denn für die Herstellung der Münzpresse benötigt man auch eine Menge an Strom, ein Mensch muss diese bauen, ich brauche Geldtransporte, die das Bargeld hin- und herfahren und so weiter.