Verlustabzug Warum Aktionäre jetzt Einspruch einlegen sollten

Sven Oberle (li.) und Meik Kranz von EY

Sven Oberle (li.) und Meik Kranz von EY: Die beiden Steuerexperten ordnen die Nutzung von Verlusten aus Aktiengeschäften ein. Foto: EY

Seit Einführung der sogenannte Abgeltungsteuer unterliegen Gewinne aus Kapitalvermögen bekanntermaßen einem gesonderten Steuersatz von 25 Prozent, der zudem durch einen Abzug direkt an der Quelle abgegolten ist. Ließe man zu, dass Verluste aus Kapitalvermögen uneingeschränkt mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden dürften, dann käme es im Vergleich zu anderen Einkunftsarten zu Ungleichheiten. Gewinne aus Kapitalvermögen unterlägen lediglich einer Steuer von 25 Prozent, während Verluste bis zu einem persönlichen Steuersatz von bis zu 45 Prozent steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Um dies zu vermeiden hat der Gesetzgeber in Paragraf 20 Absatz 6 Satz 1 EStG eine Ausgleichsregelung geschaffen wonach Verluste aus Kapitalvermögen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen verrechnet werden dürfen.

Die Erforderlichkeit dieser Ausgleichsreglung hat der Gesetzgeber allerdings auch immer wieder (aus-)genutzt, um den Verlustabzug im Zusammenhang mit Einkünften aus Kapitalvermögen zunehmend zulasten der Anleger einzuschränken. Dabei geht der Gesetzgeber teilweise über das Maß einer, durch die Besonderheiten der Abgeltungsteuer begründeten, verfassungsrechtlich ausgewogenen Ausgleichsregelung hinaus.

Verfassungswidrigkeit der Verlustabzugsbeschränkung bei Aktien

Insbesondere die in Paragraf 20 Absatz 6 Satz 4 EStG geregelte Nutzung von Verlusten aus Aktiengeschäften sieht sich verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, da der Gesetzgeber hier einen eigenen Verlustverrechnungskreis geschaffen hat, in dem ein Ausgleich von Verlusten aus Aktienverkäufen ausschließlich mit Gewinnen aus Aktienverkäufen zulässig ist. Als Begründung für diese speziell auf Aktiengeschäfte zugeschnittene Verlustverrechnungsbeschränkung wurde im Wesentlichen die Verhinderung von drohenden Haushaltsrisiken durch Spekulationsgeschäfte, insbesondere in Zeiten unruhiger Aktienmärkte, angeführt. In der öffentlichen Diskussion wurde dagegen kritisiert, dass es sich dabei um einen rein fiskalisch motivierten Begründungsansatz handelt, der auf rein abstrakte und (eher) untypische Konstellationen von extremen börslichen Kurseinbrüchen abstellt.

Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs

Mit Beschluss vom 17. Juni 2020 (Aktenzeichen VIII R 11/18) hat der Bundesfinanzhof die verfassungsrechtlichen Bedenken aufgegriffen und die in Paragraf 20 Absatz 6 Satz 5 EStG geregelte Beschränkungen für Verluste aus Aktienverkäufen dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

In der Begründung zum Beschluss nimmt der Bundesfinanzhof eine fundierte verfassungsrechtliche Analyse der Regelung vor und gelangt zu der Überzeugung, dass die Regelung zum Verlustabzug bei Aktienverkäufen nach Paragraf 20 Absatz 6 Satz 5 EStG einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhält.

Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes

Der Bundesfinanzhof sieht in der einschlägigen Regelung in erster Linie einen Verstoß gegen den in Artikel 3 Grundgesetz verfassungsrechtlich verankerten allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Dieser verpflichtet den Gesetzgeber grundsätzlich dazu Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Auch bei steuerlichen Entscheidungen muss der Gesetzgeber sich an diesem Prinzip orientieren und die von ihm getroffenen Regelungen am Grundsatz der Steuergerechtigkeit und der (individuellen) wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausrichten.

Diese Grundsätze werden nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in den einschlägigen Re-gelungen jedoch nicht hinreichend beachtet, da Steuerpflichtige, die Verluste aus Aktienverkäufen erzielen, anders behandelt werden als solche die Verluste aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielen, ohne dass Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zwischen beiden Gruppen erkennbar wären.