Alternative Investments Das sind die wichtigsten Trends und Entwicklungen am Venture-Capital-Markt

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Der Markt für Venture Capital: Ausblick und Trends

Die Lage des Wagniskapital-Sektors hat sich eingetrübt. Doch bei all den negativen Nachrichten zeichnen sich eine Reihe von Trends ab, die die Lage aufhellen.

Technologiesektor: Die VC-Branche zeichnet sich seit jeher durch ihre besondere Nähe zu technologie-basierten, innovativen und disruptiven Geschäftsmodellen aus. Einige der erfolgreichsten Tech-Unternehmen haben ihren Erfolg nicht zuletzt der Unterstützung durch VC-Fonds zu verdanken. Diese Symbiose von Technologiesektor und Venture Capital wird auch in Zukunft Bestand haben. Angesichts aktueller Makrotrends wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und demografischem Wandel und des hierfür benötigten Kapitals versprechen unter anderem die Bereiche Green Tech/Clean Tech, Blockchain, künstliche Intelligenz und Biotechnologie/Gesundheitswesen besondere Dynamik.

Corporate Venture Capital: Die transformative Kraft, die die Kombination der Marktpräsenz traditioneller Unternehmen auf der einen Seite mit der Dynamik und Innovationskraft von Wachstumsunternehmen auf der anderen Seite verspricht, ist etablierten Unternehmen nicht verborgen geblieben. Unter diesem Eindruck bauen bestehende Unternehmen zunehmend eigene VC-Einheiten auf (Corporate Venture Capital). Die Beteiligung von Corporate-Venture-Capital-Einheiten an Finanzierungsrunden von Wachstumsunternehmen ist zuletzt gegen den Trend gewachsen – dieser Trend dürfte sich auch in Zukunft fortsetzen.

Due Diligence: Die sorgfältige Untersuchung des Zielunternehmens aus betriebswirtschaftlicher, rechtlicher, steuerlicher und anderer Perspektive (Due Diligence) wurde in den letzten Jahren eher stiefmütterlich behandelt. Infolgedessen wurden bei zahlreichen VC-Investments bestehende Risiken nicht entdeckt und/oder nicht sorgfältig analysiert und „bepreist“. Inzwischen spielt die Due-Diligence bei VC-Investments wieder eine größere Rolle. Dies dürfte wiederum Wachstumsunternehmen zu größerer (Selbst-)Disziplin anhalten.

 

Prozess und Timelines: In den vergangenen Jahren waren es häufig die Wachstumsunternehmen und ihre Gründer, die bei Finanzierungsrunden den Takt vorgaben – mit regelmäßig kurzen Fristen und schnellen Schritten zum Abschluss der Finanzierungsrunden. Inzwischen können häufig die VC-Fonds die Meilensteine des Transaktionsprozesses festlegen. Sie werden die Interessen des jeweiligen Wachstumsunternehmens hierbei erfahrungsgemäß berücksichtigen, sich aber weniger als in der Vergangenheit von (manchmal künstlich) kurzen Fristen leiten lassen. Auch die größere Sorgfalt im Due-Diligence-Prozess wird Auswirkungen auf die Timeline haben. All dies könnte dazu führen, dass Wachstumsunternehmen häufiger auf Zwischen- und Brückenfinanzierungen – etwa durch Wandeldarlehen oder die Ausweitung bestehender Finanzierungsrunden auf zusätzliche Investoren – angewiesen sein werden.

Deal Terms: Das hinzugewonnene Gewicht der VC-Fonds zeigt sich auch in Form größerer Verhandlungsmacht gegenüber den Wachstumsunternehmen und ihren Gründern bei der Transaktionsdokumentation. Zwar hatte das gesellschaftsrechtliche Vertragswerk eines Wachstumsunternehmens mit VC-Beteiligung schon in der Vergangenheit den Interessen der Investoren Rechnung getragen, etwa indem ihnen in der Gesellschaftervereinbarung bestimmte (Sonder-)Rechte eingeräumt wurden. Hier sind aber nunmehr stärkere Ausprägungen zugunsten der VC-Fonds zu erkennen: Zum einen sieht man wieder häufiger VC-Fonds-freundliche Regelungen bei der Liquidationspräferenz (das heißt der Erlösverteilung im Falle einer Liquidation oder eines Exit). Zum anderen sind die Gestaltungsrechte (wie zum Beispiel Mitverkaufspflicht, Erzwingung eines Exit) und die Verhinderungsrechte (Quora, Schwellenwerte und Vetorechte) häufig wieder stärker zugunsten der VC-Fonds ausgeprägt als in der jüngeren Vergangenheit. Insofern dürfen Gründer ganz praktisch zukünftig mit engmaschigerer Begleitung und mehr Einmischung seitens ihrer VC-Fonds rechnen.

Venture Debt: Der Markt für als Fremdkapital investiertes Wagniskapital (sogenanntes Venture Debt) ist schon in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen und verspricht weiteres Potenzial. Gerade in Zeiten erhöhter Volatilität, gesunkener Bewertungen und gestiegener Ansprüche von VC-Investoren kann für Wachstumsunternehmen die Aufnahme von Venture Debt eine echte Alternative darstellen. Der Ausfall der im Bereich Venture Debt besonders aktiven Silicon Valley Bank dürfte von anderen Venture Debt-Gebern kurz- bis mittelfristig kompensiert werden.

Licht am Ende des Tunnels für den Wagniskapitalsektor

Die Korrekturen im Bereich des Wagniskapitalsektors haben auch ihr Gutes: Unrentable und wenig nachhaltig finanzierte Unternehmen haben den Markt verlassen oder mussten ihr Geschäftsmodell anpassen, während Wachstumsunternehmen mit überzeugendem Geschäftsmodell und starkem Gründer- und Management-Team weiterhin mit Produktivkapital zur Entwicklung ihres Geschäfts rechnen können. So lassen sich die Entwicklungen der letzten Monate auch als überfällige Korrektur begreifen, nach der das VC-Geschäft schon bald mit neuer Dynamik und Fokus auf profitablen Geschäftsmodellen wieder in Schwung kommen könnte.


Über den Autor:

Valentin Pfisterer ist Counsel bei Ashurst im Bereich Corporate Transactions in Frankfurt am Main. Er berät nationale und internationale Unternehmen, Finanzinstitutionen und Investoren im Rahmen von M&A-Transaktionen, Joint Ventures und Eigenkapitalmarkt-Transaktionen sowie in allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten. Er hat besondere Erfahrung bei der Beratung von Investoren und Wachstumsunternehmen bei VC-Finanzierungen, bei der Beratung von Emittenten und Konsortialbanken im Zusammenhang mit Börsengängen und Kapitalerhöhungen sowie bei der Beratung von Investmentbanken in ihrer Rolle als Finanzberater bei privaten M&A-Transaktionen und öffentlichen Übernahmen.

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