Scheinbare Stabilität Das unheimliche Schuldenwachstum der Welt

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Das Schuldenwachstum ist kein Problem – noch nicht…

Die Welt erstickt nicht an ihren Schulden – solange die Zinsen niedrig bleiben. Für Anleger, die entweder direkt oder indirekt in Verschuldungsinstrumente investieren, ist dies keine gute Nachricht, ganz im Gegenteil: Sie erzielen auf jeden Fall unbefriedigende Anlageergebnisse: Entweder sie akzeptieren sehr niedrige Zinsen für einigermaßen sichere festverzinsliche Wertpapiere. Oder sie nehmen auf der Suche nach Rendite versteckte und unkalkulierbare Risiken in Kauf.

Die Aktie als Alternative zur Anleihe kann ebenfalls trügerisch sein, da immer mehr Unternehmen ihr Business-Modell auf niedrigen Zinsen basieren. Zum einen, weil sie aufgrund niedriger Finanzierungskosten ihre Gewinndynamik durch ansteigende Verschuldung künstlich aufhübschen können. Zum andern aber auch – und dies kann langfristig viel gefährlicher werden – basiert Vertrieb zunehmend auf Verkaufsanreizen durch günstige Absatzfinanzierung. So resultiert der Verkaufsboom deutscher Premium-Autos in Asien und anderswo nicht zuletzt auf einer rapiden Expansion von Autofinanzierungen durch die Hersteller.

Als besonders tückisch erweisen sich in der Vergangenheit immer wieder Anlagen in Immobilien, weil bei „Betongold“ traditionell in allen Ländern besonders leichtfertig mit Schulden umgegangen wird. Denn mit kreditfinanzierten Immobilieninvestments ist eine Risikokonzentration verbunden, die den meisten Schuldnern nicht bewusst ist.

Zudem finden sich immer wieder Finanzinstitute (und inzwischen mehr und mehr Schattenbanken), die durch aggressive Expansion ihrer Kreditportfolios schnellen Gewinnen den Vorrang vor langfristiger Risikokontrolle geben. Enttäuschungen bei der Miet- oder Wertentwicklung führten in der Folge oft zum Kollaps der Finanzierung; mit entsprechenden Folgewirkungen für die gesamte Wirtschaft.

Die im Dunkeln sieht man nicht…

Eine neue Finanzkrise ist vermeidlich, wird aber wohl kommen, wenn die Zinsen global wieder ansteigen. Und sie wird ihren Ausgangspunkt nicht da haben, wo ihn derzeit Viele befürchten: beim vorherigen Krisenverursacher, dem regulierten Finanzsektor der entwickelten Volkswirtschaften. Denn dieser ist 1) durch gestiegene Kapitalanforderungen viel sicherer gemacht worden; und 2) ist hier die Verschuldung nur sehr moderat angestiegen.

Meiner Einschätzung nach ist es sehr gut möglich, dass der Schattenbanksektor in den Schwellenländern der nächste Krisenauslöser sein wird. Dies ist jedoch nur eine unpräzise Vermutung, denn weder ich noch sonst irgendjemand kann derzeit erkennen, was sich in diesem Bereich in seiner Gesamtheit zusammenbraut. Deswegen wird auch bis zur letzten Minute völlig unklar bleiben, wo und in welcher Form die nächste Bombe platzt. Weiterhin wird nicht zu prognostizieren sein, durch welche Mechanismen ein Krisenimpuls im Weltwirtschaftssystem weitergegeben wird.

Möglicherweise wird die nächste Krise insgesamt nicht so schlimm, weil der regulierte Finanzsektor inzwischen gut abgeschirmt ist. Die Intransparenz des Schattenbanksektors dürfte aber dazu führen, dass Krisenerscheinungen ohne Vorwarnzeit auftreten sowie Betroffene hart und schnell treffen.

Anleger können sich nur schützen, in dem sie bei all ihren Investments – egal ob in Renten, Aktien oder Immobilien – auf geringe Verschuldungsrisiken achten; und zwar nicht nur, was die sichtbare Verbindlichkeiten in der Bilanz angeht. Vor allem gut versteckte Schulden oder Abhängigkeiten von Krediten werden zu Risikofaktoren. Viele eigentlich produzierende Firmen wurden in den vergangenen Jahren durch Expansion in der Absatzfinanzierung zur Schattenbank. Ihre Verkaufserfolge in der Gegenwart können schnell zu unangenehmen Überraschungen in der Zukunft führen.


Zum Autor:
Karl-Heinz Thielmann ist der Vorstand von Long-Term Investing Research - Institut für die langfristige Kapitalanlage.

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