Pensionskassen in Deutschland Europäischer Gerichtshof stellt Insolvenzschutz auf den Prüfstand

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Im Jahr 2008 hat jedoch die EU-Richtlinie 2008/94/EG den europäischen Rahmen für die Sicherung betrieblicher Altersversorgung (bAV) auch für Deutschland neu gesetzt. Eine mangelnde Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht kann damit die unmittelbare Anwendung der Richtlinie in Deutschland zur Folge haben. Nach Artikel 8 der Richtlinie „vergewissern sich die Mitgliedstaaten“, dass „die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen [von Betriebsrentnern] […] getroffen werden.“

Wurde im vorliegenden Fall die Richtlinie verletzt? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst wichtig, welchen Rechtscharakter eine im Wege der Einstandspflicht vom ehemaligen Arbeitgeber erbrachte Differenzleistung zu einer ursprünglichen Pensionskassenleistung hat. Das BAG gibt zu erkennen, dass es weiterhin von einer Pensionskassenzusage ausgeht, auch wenn der ehemalige Arbeitgeber im Rahmen der Einstandspflicht die Leistung an den ehemaligen Arbeitnehmer erbringt. Das kann man mit guten Gründen und bei entsprechender Gestaltung dieser „Differenzleistung“ auch durchaus anders sehen.

Eintrittspflicht aufgrund von EU-Richtlinie?

Das Bundesarbeitsgericht hatte daher vor dem Hintergrund der EU-Richtlinie mehrere Fragen an den EuGH gestellt. Dabei ging es um folgende Themenkomplexe:

  • Ist die Richtlinie auf den oben beschriebenen Sachverhalt überhaupt anwendbar?
  • Unter welchen Umständen können die Verluste des ehemaligen Arbeitnehmers als offensichtlich unverhältnismäßig angesehen werden und damit die Mitgliedstaaten verpflichten, dagegen einen Mindestschutz zu gewährleisten – auch wenn der ehemalige Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der Leistungen erhält, die sich aus den erworbenen Rechtsansprüchen ergeben?
  • Gilt die Richtlinie unmittelbar, wenn ein Mitgliedstaat die Richtlinie nicht oder nur unzulänglich in nationales Recht umgesetzt haben sollte?
  • Gilt eine privatrechtlich organisierte Einrichtung mit dem strukturellen Zuschnitt wie der PSV als eine öffentliche Stelle des Mitgliedstaates, die gegebenenfalls unmittelbar aus der Richtlinie vom ehemaligen Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden kann?

Schlussanträge des Generalanwalts: EU-Richtlinie anwendbar

Generalanwalt Hogan hat in seinen Schlussanträgen vom 8. Mai 2019 bereits einige Fragen knapp und klar beantwortet. Klar sei, dass diese Konstellation in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/94/EG falle. Zudem sei jede Kürzung einer bAV-Leistung, die entweder nicht geringfügig sei oder das Wesen der bAV in sonstiger Weise beeinträchtige, ausreichend, die Nichtumsetzung der Richtlinie festzustellen.

Der Generalanwalt sieht grundsätzlich ein vollständiges Absicherungserfordernis. Die Mindestabsicherungsgrenze in Höhe der Hälfte der Leistung, die in der EuGH-Rechtssache Robins (C-278/05) statuiert wurde, teilt er nicht. Weiterhin entfalte die Richtlinie auch unmittelbare Wirkung mit der Folge, dass der Einzelne Rechte habe, die er vor nationalen Gerichten gegen den Mitgliedstaat geltend machen könne.