Lasst die Zahlen sprechen Wie es um Europas Unternehmensgewinne und Aktienbewertungen steht

 Marc Siebel von der Fondsboutique Peacock Capital: Der Portfoliomanager mit einer nüchternen Betrachtung Europas Unternehmensgewinnen und Aktienbewertungen.

Marc Siebel von der Fondsboutique Peacock Capital: Der Portfoliomanager mit einer nüchternen Betrachtung Europas Unternehmensgewinnen und Aktienbewertungen.

Im siebten Jahr der Aktienmarkthausse stellt sich  – gerade nach dem Kursrutsch Anfang Februar – die Frage, wie weit die Aktienmärkte noch Luft nach oben haben.

Wie immer äußert sich eine ganze Heerschar von Volkswirten zum aktuellen makroökonomischen Weltbild. Anhänger von Untergangsszenarien pochen dabei weiterhin auf einem Auseinanderbrechen der Eurozone. Nationalistische Tendenzen in Europa und den USA sind da ein Argument. Die Prognosen der Volkswirte liefern dagegen das Fundament für die „Bullen“, ist doch von einem soliden globalen Wirtschaftswachstum auszugehen. Der jüngste Kursrutsch zeigt allerdings, wie empfindlich Aktien auf steigende Zinsen reagieren.

Wenngleich die Fundamental-Prognose nicht unrealistisch erscheint, ist es mehrfach belegt, dass Volkswirte zu der Gruppe der „Blind Mice“ (blinden Mäuse) gehören, wie es James Montier von der renommierten Investmentfirma GMO über einen Zeitraum von 40 Jahren belegt hat. Regelmäßig verfehlten Volkswirte die tatsächlichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes, gerade wenn starke Verwerfungen zu Beginn oder am Ende eines Konjunkturzyklus entstehen.

Zeiten der Übertreibung

Viele Investoren sind derart euphorisch – wie üblich am Ende eines Bullenmarktes –, dass selbst vertikale Aktienkursverläufe keinen Grund zur Besorgnis geben. Aktien mit neuen Technologien, die natürlich alle disruptiv sind, werden abenteuerliche Wachstumsraten zugesprochen. Die Frage, ob jemals Gewinne erwirtschaftet werden und ob den Unternehmen das nötige Bargeld ausgeht, tritt in den Hintergrund. „This time is different“ hört man auch von vielen Seiten.

Gerne begründet mit der expansiven Geldpolitik der Notenbanken würden Konjunkturzyklen nahezu außer Kraft gesetzt, „irrational exuberance“ wie es der ehemalige Fed-Präsident Alan Greenspan einmal völlig passend zur Zeit der Dotcom-Blase sagte. Unternehmen diverser Branchen stünden durch die Digitalisierung dauerhaft hohe Wachstumsraten bevor.

Um es vorwegzunehmen: Nein, auch dieser Bullenmarkt ist nicht anders als jeder andere. Zwar dauert er wegen der Geldschwemme bereits länger als üblich an, doch es wird auch Korrekturphasen geben. Dies dürfte dann insbesondere sehr teure Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf treffen. Wie auch in dieser Hausse sind Investoren oft gefangen in ihrem Blickwinkel („in the box“). Die Versuchung, die Wertentwicklung der Aktien der vergangenen Jahre einfach fortzuschreiben, ist groß.

Lasst die Zahlen sprechen

Deshalb möchten wir einen Blick auf die Gewinnsituation der Unternehmen und deren Bewertung werfen. Nur so ist es aus unserer Sicht möglich, „out of the box“ zu denken und sich frühzeitig auf Korrekturen vorzubereiten.

Starten wir mit dem Gewinnwachstum in Europa. Die folgende Grafik zeigt das Gewinnwachstum in Europa der vergangenen 10 Jahre.

In Vergessenheit geraten ist die Tatsache, dass zu Zeiten der Finanzkrise die Gewinne um fast 50 Prozent über alle Sektoren hinweg einbrachen. Es erfolgte eine deutliche Erholung im Jahr 2010. Allerdings schwächelten die Gewinne in den Folgejahren. Von 2012 bis 2016 gab es kein wesentliches Gewinnwachstum.

Erst das vergangene Jahr brachte wieder zweistellige Wachstumsraten. Auf dem Gewinnniveau des Jahres 2008 sind wir in Europa noch nicht angekommen. Insofern sollte die Gewinndynamik der Unternehmen den Aktienmarkt unterstützen. Für das Jahr 2018 schätzen Analysten das Wachstum auf zirka 8 bis 10 Prozent. Durchaus realistisch, betrachtet man das Aufholpotential und die Aussagen der Unternehmensvorstände.