Investmentchef der Deutschen Bank „Langweilig dürfte die Legislaturperiode für Anleger nicht werden“

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Das klingt kompliziert. Ein Blick in die Zeitgeschichte zeigt aber, wie wichtig ein klarer Blick auf die tatsächlichen Hürden für Wahlprognosen zum Bundestag ist. In 2013 verpassten die Unionsparteien nur knapp die absolute Mehrheit im Bundestag mit 311 von 631 Mandaten bzw. 49,3 Prozent der Sitze. Dabei hatten CDU und CSU gemeinsam gerade einmal 41,5 Prozent der Zweitstimmen erzielt. Das lag daran, dass 15,7 Prozent der Zweitstimmen für die Mandatsverteilung nicht berücksichtigt wurden, mehr als je zuvor. Diese Zweitstimmen gingen nämlich an Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten und sich auch keine Direktmandate sichern konnten, unter anderen FDP und AfD.

Ganz anders lief es bei den Bundestagswahlen 1994. Damals erreichten die Unionsparteien einen ähnlichen Zweitstimmenanteil, nämlich 41,4 Prozent. Das reichte allerdings nur für 43,8 Prozent der Bundestagsmandate (damals 294 von 672). Wahlentscheidend waren 1994 zu einem erheblichen Teil einige wenige Wahlkreise in Ost-Berlin. Dort konnte die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) vier Direktmandate gewinnen, teilweise nur mit wenigen Tausend Erststimmen Vorsprung.

Als unmittelbare Nachfolgerin der kommunistischen Einheitspartei Ostdeutschlands hatte es die PDS damals im Westen deutlich schwerer als heute Die Linke. Bundesweit reichte es 1994 gerade einmal für 4,4 Prozent der Zweitstimmen. Dank der vier Direktmandate in Ostberlin konnte die PDS trotzdem mit insgesamt 30 Abgeordneten eine Fraktion im Bundestag bilden. Die parlamentarische Mehrheit der damaligen schwarz-gelben Regierungskoalition unter Kanzler Helmut Kohl schrumpfte entsprechend und konnte in der folgenden Legislaturperiode nur wenig durchsetzen.

Das alles ist auch für die Gegenwart wichtig. Denn für Wahlprognosen gibt es eine interessante Asymmetrie bei den vier sogenannten Kleinparteien. Auch derzeit hat wohl nur Die Linke eine realistische Chance auf mehr als drei Direktmandate. Denn in einigen ostdeutschen Wahlkreisen ist sie nach wie vor besonders stark. Natürlich ist das kein Erfolgsgarant. Im Jahr 2002 zum Beispiel, erzielte die damals noch als PDS antretende Partei nur zwei Direktmandate. Damit verpasste sie knapp die Chance, weitere Abgeordnete über die Aufschlüsselung ihres nationalen Zweitstimmenanteils von 4 Prozent zu erhalten.

So knapp sieht es diesmal natürlich nicht aus, Die Linke ist derzeit bei Umfragewerten von fast 10 Prozent. Aber anders als die anderen drei Kleinparteien könnte Die Linke noch am ehesten einen Wählerwechsel in letzter Sekunde verkraften. Ein etwaiges Scheitern an der bundesweiten Fünf-Prozent-Hürde bei den Zweitstimmen heißt eben für die Linke nicht unbedingt, dass es auch bei den Erststimmen in einer Handvoll ostdeutschen Hochburgen schief geht.

Dagegen ist die Wählerschaft der FDP zu gleichmäßig über das Bundesgebiet verstreut, um den Freien Demokraten irgendwo Aussichten auf ein Direktmandat zu bieten. Da für die AfD bislang nur wenige Daten vorliegen, ist es mit Prognosen schon schwieriger. Vermutlich wird es aber auch bei der AfD für kein einziges Direktmandat reichen, nicht einmal in Sachsen und Brandenburg, wo die beiden prominentesten Figuren der Partei, Frauke Petry und Alexander Gauland, antreten.