Nordea-Chefvolkswirt Europa „Bundestagswahl ist kein Grund, sichere Häfen aufzusuchen“

Holger Sandte ist Chefvolkswirt Europa bei Nordea.

Holger Sandte ist Chefvolkswirt Europa bei Nordea.

Wenige Wochen vor dem Urnengang zum 19. Deutschen Bundestag plätschert der Wahlkampf dahin. Angela Merkel als Kanzlerin scheint gesetzt, fraglich ist nur, in welcher politischen Konstellation sie weiterregiert. So sehr manche nach zwölf Jahren auf einen Wechsel hoffen mögen, weit verbreitet ist die Wechselstimmung laut Umfragen nicht.

Stattdessen deuten diese auf ein „Weiter so“ hin. Für Holger Sandte von Nordea kein Wunder: „Was denn sonst in einer Situation, in der die Wirtschaft boomt und laut einer Umfrage 81 Prozent der Deutschen die eigene wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut einschätzt“.

Der Europa-Chefvolkswirt beobachtet die Geschehnisse in Deutschland vom dänischen Kopenhagen aus und erwartet auch im europäischen Zusammenhang kaum Veränderungen: „Anders als bei der französischen Wahl oder nächstes Jahr in Italien steht für Europa nicht viel auf dem Spiel, weil beide Spitzenkandidaten die EU und den Euroraum nicht in Frage stellen und die AfD in der Opposition landen wird“, so Sandte weiter. 

Welche Koalition auch immer am Ende herauskomme, auch sie werde sich mit Kritik an hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüssen auseinandersetzen müssen. Mehr Schwung bei öffentlichen Investitionen – falls er denn komme – werde am deutschen Überschuss nicht viel ändern. Das Problem des schwachen deutschen Lohnwachstums könnte sich laut Sandten sogar noch verstärken. 

„Denn wenn im nächsten Jahr Einkommensteuersenkungen kommen, warum sollten dann die Gewerkschaften aggressiv in die Lohnverhandlungen gehen? Wahrscheinlich wird es also bei Lohnabschlüssen von rund 2,5 Prozent per anno bleiben, trotz der zunehmenden Enge am Arbeitsmarkt.“

Auch bei Anleiherenditen, Aktien und Wechselkursen dürfte die Wahl aus Sandtes Sicht nur geringe Spuren hinterlassen. Die kommende Wahl sei daher kein Grund für Investoren, sichere Häfen zu suchen. Insgesamt hält Sandte graduelle politische Veränderungen für wahrscheinlicher als große Würfe. Keine Experimente eben, sofern sie sich vermeiden lassen.

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