Umfrage Institutionelle misstrauen Unternehmen und wollen aktiv Greenwashing verhindern

Stefanie Henn von Edelman

Stefanie Henn von Edelman: „Insbesondere in Deutschland herrscht zunehmend große Skepsis, ob auch wirklich alles so grün ist, wie es aussieht.“ Foto: Edelman Smithfield

Das Thema Nachhaltigkeit hat auch im vergangenen Jahr seinen Siegeszug an den Finanzmärkten fortgesetzt. Laut dem Finanzdiensleistungsunternehmens Refinitiv Lipper floss bis Ende November 2021 eine Rekordsumme von 649 Milliarden US-Dollar in ESG-Produkte weltweit. Im Vergleich: 2020 waren es 542 Milliarden US-Dollar und 2019 285 Milliarden US-Dollar. Aktuell machen ESG-Produkte 10 Prozent des global verwalteten Vermögens aus – Tendenz steigend.

Für 2025 sagt Bloomberg eine Gesamtsumme an nachhaltig angelegten Geldern von 53 Billionen US-Dollar voraus. Das entspräche einem Drittel aller weltweiten Assets under Management. Der Wunsch der Regulatoren, große Geldströme in nachhaltige Anlagen zu lenken, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu finanzieren, scheint somit aufzugehen.

Zweifel an ESG-Angaben bei institutionellen Investoren

Doch die guten Nachrichten über den warmen Geldregen für die ESG-Sparte werden ein wenig getrübt: Zwar fließen immer mehr Gelder in ESG-Produkte, doch unter den institutionellen Investoren, insbesondere in Deutschland, herrscht zunehmend große Skepsis, ob auch wirklich alles so grün ist, wie es aussieht. Weltweit geht die überwiegende Mehrheit aller institutionellen Investoren davon aus, dass Unternehmen ihre Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit aufbauschen.


Dies belegt das Edelman Trust Barometer – Special Report: Institutional Investors, für das 700 internationale institutionelle Investoren befragt wurden. Das größte Misstrauen herrscht dabei in Deutschland – hier liegt die Quote derer, die glauben, dass Unternehmen häufig bei ihrem ESG-Engagement übertreiben und Erreichtes besser darstellen, als es in Wirklichkeit ist, bei 87 Prozent, global bei 82 Prozent. Darüber hinaus erwarten 79 Prozent der institutionellen Investoren in Deutschland, dass Unternehmen ihre gesteckten ESG-Ziele gar nicht erreichen werden.

Insbesondere am Erreichen der Net-Zero-Ziele haben 81 Prozent ihre Zweifel. Aber auch das Management von Klimarisiken macht 61 Prozent der Investoren Sorgen, während 60 Prozent die ausgerufenen Ziele im Bereich Diversität und Inklusion für nicht erreichbar halten. So ist es kaum erstaunlich, dass hierzulande 90 Prozent der Investoren eine Klagewelle auf Unternehmen zurollen sehen, die auf Fehlverhalten und Fehlkommunikation im Bereich ESG zurückgeht.

92 Prozent der befragten deutschen institutionellen Investoren wollen über ihre Anteile Einfluss auf Unternehmen und Strategie nehmen

Unternehmen, die ihr ESG-Engagement beschönigen, können jedoch nicht davon ausgehen, mit diesem Verhalten ungestraft davon zu kommen. 95 Prozent der deutschen Investoren geben in der Edelman-Trust-Barometer Umfrage an, ESG-Daten der Unternehmen genauso streng zu prüfen und bei ihren Entscheidungen einzubeziehen wie die Finanzdaten oder Kennzahlen zum operativen Geschäft. Fällt ihre Analyse negativ aus, sind Investoren heute mehr denn je gewillt, aktiv zu werden.

92 Prozent der befragten deutschen institutionellen Investoren planen, stärker aktivistisch zu handeln – also über ihre Anteile Einfluss auf das jeweilige Unternehmen und seine Strategie zu nehmen. Unternehmen, die ins Visier der Investoren geraten, müssen sich auf Widerstand einstellen – der kollaborative Ansatz, bei dem Gespräche mit dem Management und dem Board gesucht werden, wird zwar weiterverfolgt.