Die Offenlegungsverordnung sorgt in der Finanzbranche gehörig für Aufregung: Mit ihrer Regulierung hat die EU erstmals den Versuch gestartet, einen Standard für die Einstufung von Finanzprodukten zu schaffen. Seit März 2021 müssen Asset Manager daher beispielsweise offenlegen, wie ihre Produkte sich im Kontext ESG (Environmental, Social, Governmental) positionieren. Dabei werden die Produkte in verschiedene Kategorien eingeteilt, für die unterschiedliche Anforderungen gelten – im Markt spricht man von Artikel 6-, 8- und 9- Produkten.
Übersetzt heißt das: Fonds gelten nach Artikel 6 als nicht nachhaltige Produkte. Unter Artikel 8 fasst die EU sogenannte ESG-Strategieprodukte zusammen, für die ökologische und soziale Merkmale berücksichtigt bzw. beworben werden. Der „Goldstandard“ der Nachhaltigkeit sind demnach Produkte nach Artikel 9, die oftmals als „ESG-Impact-Produkte" bezeichnet werden. Diese Fonds müssen klare ökologische und soziale Ziele verfolgen und dürfen zugleich durch keine ihrer Investitionen signifikanten Schaden in Bezug auf E-, S- oder G-Aspekte anrichten.
Die Umsetzung dieser umfänglichen Regularien hält die Finanzbranche derzeit in Atem, zumal die zweite Stufe der Verordnung erst Mitte 2022 in Kraft treten wird. Allerdings müssen sich Asset Manager in Deutschland nun schon wieder auf Änderungen und Verschärfungen vor allem bei Publikumsfonds gefasst machen: So steht im Rahmen von Mifid II eine Verschärfung der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage auf EU-Ebene an. Die dazugehörigen Auslegungen der deutschen Verbände im sogenannten „Verbändekonzept“ sollen zusätzlich helfen, Mifid mit der Offenlegungsverordnung zusammenzubringen, bringen aber neue Probleme für den deutschen Markt mit sich.
Was sich mit Mifid II ändert
Worum geht es dabei genau? Die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage greift, sobald ein Kunde die Bank betritt und einen Fonds kaufen möchte. Der Berater ist dann angehalten zu fragen, ob der Betreffende ein nachhaltiges Produkt erwerben möchte. Entscheidet er sich dafür, ist künftig neu geregelt, was ihm angeboten werden kann. Die Einstufung nach der Offenlegungsverordnung in Artikel 8 oder 9 Produkte spielt in der Frage, ob einem Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenz ein Produkt angeboten werden darf, nur noch eine Nebenrolle.
Vielmehr wird eine neue Kategorisierung eingeführt: Produkte, die als nachhaltig vertrieben werden dürfen, und solche, bei denen das nicht mehr möglich ist. Produkte der Kategorie 8 oder 9 dürfen nur dann an Kunden mit nachhaltiger Präferenz vertrieben werden, wenn sie eine der folgenden Säulen erfüllen:
- Das Produkt verfolgt eines der sechs Ziele der Taxonomie, die auf den Umwelt-Aspekt einzahlen.
- Das Produkt verfolgt ein Ziel nach Artikel 2 (17) der Offenlegungsverordnung, das auf die Aspekte Umwelt oder Soziales einzahlt.
- Das Produkt berücksichtigt die „Principal Adverse Impacts“ auf Fondsebene zur Vermeidung negativer Auswirkungen eines Investments auf die Nachhaltigkeitsfaktoren.
Nur wenn eine dieser Optionen erfüllt wird, darf ein Finanzinstitut das Produkt als nachhaltig vertreiben – unabhängig davon, ob es ein Produkt nach Artikel 6, 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung ist. Philanthropische Anleger, die Gutes bewirken wollen, werden demnach daran interessiert sein, in Fonds zu investieren, auf die die beiden erstgenannten Säulen zutreffen. Wer hingegen lediglich dafür sorgen will, dass die nachteiligen Auswirkungen eines Investments möglichst gering sind, wird eher an der Erfüllung der dritten Säule interessiert sein.
Allerdings stellt sich bei der Umsetzung häufig ein praktisches Problem: Derzeit ist die Datenbasis im Bereich ESG häufig so dünn, dass vornehmlich zu den „Principal Adverse Impacts“ valide Aussagen getroffen werden können. Gerade bei der Wirkungsmessung bestehen beim Reporting allerdings noch große Lücken und Unsicherheiten, auch weil vielerorts schlicht nicht genug Daten produziert werden, auf die zurückgegriffen werden könnte.
Große Regulierungsoffensive
Asset Manager stellt dies vor allem kommunikativ vor enorme Schwierigkeiten: Publikums-Retail-Investoren sind diese Neuerungen nur sehr schwer vermittelbar. Zumal für den erfolgreichen Vertrieb unabdingbar sein wird, dass Berater selbst die Tiefe der Regulatorik verstehen und kommunikativ zu vermitteln wissen. Welches Produkt erfüllt die Anforderungen? Was sind die Merkmale, auf die man achten muss? Wie nachhaltig ist ein nachhaltiges Produkt in Deutschland? Wie unterscheidet es sich von einem Angebot aus dem EU-Ausland, das ebenfalls dieses Label trägt? Hier ist die Branche bereits dabei, Beraterinnen und Berater intensiv zu schulen, damit sie die Materie durchdringen. Dennoch werden einige im Verkauf unweigerlich an ihre Grenzen kommen.
Erschwerend kommt hinzu: Die Offenlegungsverordnung und Verschärfungen von Mifid II sind nur ein Teil einer großen Regulierungsoffensive für die Finanzbranche. So hat die EU-Kommission bereits angedeutet, dass sie eine Mindestquote für nachhaltige Investitionen definieren möchte – zunächst war die Rede von 97,5 Prozent für nachhaltige „Impact-Produkte". Nun heißt es, Investments sollen „nahezu ausschließlich“ in nachhaltige Investitionen fließen.
Nicht nur bei den Fondsverbänden regt sich dagegen massiver Widerstand – aus Sicht der Branche ist diese Vorgabe von der Liquiditätsbereitstellung nicht darstellbar. Die Diversifizierung des Portfolios müsste extrem verringert werden, wodurch Risikostreuung praktisch nicht mehr möglich wäre. Ob die Verschärfung tatsächlich kommt, ist noch offen, bisher liegt noch nichts Verbindliches vor.