Entscheidung des höchsten Gerichts Hongkongs Evergrande soll aufgelöst werden – aber es gibt Hürden

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Entscheidung des höchsten Gerichts Hongkongs
Evergrande soll aufgelöst werden – aber es gibt Hürden
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Niederlassung von Evergrande in Hongkong: Der Immobilienkonzern hat gut 300 Milliarden Euro Schulden.

Niederlassung von Evergrande in Hongkong: Der Immobilienkonzern hat gut 300 Milliarden Euro Schulden. Foto: Imago Images / Nurphoto

Gut 18 Monate dauerte der Prozess, nun hat Linda Chan, Richterin am Gericht von Hongkong die Auflösung von Evergrande angeordnet. „Das Unternehmen hat es noch immer nicht geschafft, einen konkreten Plan für die Restrukturierung vorzulegen“, begründete sie ihre Entscheidung, die sie zuvor einige Male vertagt hatte, und betont laut „South China Morning Post“: „Ich denke, es ist Zeit für das Gericht zu sagen, es ist genug“.

Den Großteil der insgesamt gut 300 Milliarden Euro (2,4 Billionen Yuan) Schulden von Evergrande gehören zu Gläubigern vom Festland, also China. Der Konzern kommt seinen Zahlungsverpflichtungen seit Dezember 2021 nicht mehr nach. Viele Gläubiger sind Privatleute, die für Wohnungen bezahlten, die sie nicht bekommen haben. Offen ist, ob der bestellte Insolvenzverwalter in China anerkannt wird. Vereinbarungen zwischen China und Hongkong, Insolvenzverwalter anzuerkennen, sind vorhanden. In der Praxis kamen bislang aber nur zwei von sechs bestellten Insolvenzverwaltern auch wirklich zu Zug. Es ist also unklar, ob die Gerichte auf dem Festland den Urteilsspruch aus Hongkong akzeptieren.

Die Fallstricke des chinesischen Konkursrechts

Das chinesische Konkursrecht gilt als rigide. So muss entweder eine offizielle Vereinbarung mit der betreffenden ausländischen Jurisdiktion, in diesem Fall Hongkong, vorliegen. Liegt diese nicht vor, dürfen von einem ausländischen Gericht angeordnete Liquidierungen „den Grundlagen des chinesischen Rechts nicht widersprechen und Chinas Souveränität, die nationalen und öffentlichen Interessen nicht beeinträchtigen“. Außerdem dürfen sie den Interessen chinesischer Gläubiger nicht zuwiderlaufen. Wie oft in China sind die Bestimmungen recht weit gefasst. 

Zwar unterzeichneten Hongkong und die Volksrepublik China 2021 eine Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung von Konkursverfahren. Es gelten jedoch auch hier Einschränkungen. So bezieht sich das Abkommen nur auf die gegenseitige Anerkennung zwischen Hongkonger Gerichten und Konkursgerichten in den drei chinesischen Pilotstädten Schanghai, Shenzhen und Xiamen.

 

Bevor das Hongkonger Gericht einen Antrag auf Anerkennung seines Liquidations-Entscheids bei einem Gericht in einer der drei Städte stellt, muss das „Hauptinteresse des betreffenden Unternehmens für mindestens sechs Monate in Hongkong“ gelegen haben. Zudem muss der Großteil der Vermögenswerte in einer der genannten drei Städte angesiedelt sein. Der Fall Evergrande ist damit ein wichtiger Test für die juristische Beziehung zwischen Hongkong und Festland-China.

Kollaps an der Börse

Die Aktien von Evergrande kollabierten nach der Entscheidung und wurden vom Handel ausgesetzt. Die Konzernmutter verlor ein Fünftel und war nur noch rund 250 Millionen Euro wert. Der Elektroautoableger, dessen Aktie vor drei Jahren noch mehr als 70 Hongkong-Dollar kostete, fiel auf 23 Hongkong-Cent, umgerechnet etwa knapp 3 Eurocent. Der Konzern war der zweitgrößte Immobilienentwickler Chinas. Von 2018 bis 2021 war Evergrande laut Forbes das wertvollste Immobilienunternehmen der Welt.

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Angst, dass ausländische Schuldner bevorzugt werden

Internationale Gläubiger versuchen seit längerem in Hongkong und im Ausland, zumindest einen Teil der ausstehenden Beträge einzutreiben. Im Sommer hatte der Konzern in den USA Gläubigerschutz beantragt, was als Voraussetzung für eine Restrukturierung gesehen wurde. In China schürt dieser Schritt die Sorge, dass Gläubiger aus dem Ausland bevorzugt werden könnten.